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Wasserstoff statt Mais

Lesezeit: 7 Minuten

Eine Schweizer Firma will mit der Injektion von Wasserstoff die Gasausbeute erhöhen. Wir haben Praktiker nach ihren bisherigen Erfahrungen mit dem System befragt.


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Die Biogasanlage der Biogaspartner Prüm GmbH aus Giesdorf (Rheinland-Pfalz) hat ein Problem: Das Blockheizkraftwerk (BHKW) hat eine Leistung von 400 kW, die Anlage produziert jedoch nur Gas für 300 kW. „Grund ist der zu kleine Fermenter mit 800 m3. Wenn wir mehr nachwachsende Rohstoffe einfüllen, reicht die Verweilzeit nicht aus, um das Material vollständig zu vergären“, erklärt Wolfgang François, Geschäftsführer der Entsorgungsbetriebe Luzia François aus Rittersdorf, die an der Anlage beteiligt sind. Die Betreiber haben die Anlage 2016 aus einer Insolvenz übernommen und mussten daher mit der vorhandenen technischen Ausstattung zurechtkommen – bislang.


Doch die Lage hat sich verändert: „Wir haben im März 2018 eine Wasserstoffinjektion ergänzt. Die Leistung ist seitdem um über 10 % auf 340 kW gestiegen“, berichtet François. Was sich zunächst nach nicht viel anhört. Doch jetzt produziert die Anlage ohne Veränderung der Inputmenge 340000 kWh mehr im Jahr. Das bedeutet eine Erlössteigerung von rund 70000 €.


Hierfür haben die Betreiber die Bio-H2 Plus-Technik des Herstellers „Neue Energie Schweiz“ aus Pfäffikon installiert, die in Deutschland Greentec-Service aus Föhren/Rheinland-Pfalz als „Hydrobox“ vertreibt.


Injektion in den Fermenter


Die Hydrobox ist ein Container mit einer 2,5 x 3 m großen Grundfläche. Sie wird im Werk vormontiert und innerhalb von zwei Tagen an der Biogasanlage auf einem vorbereiteten Fundament angeschlossen. Für die Injektion wird eine Lanze mit einer Kernbohrung durch die Fermenterwand installiert.


In dem Container stehen mehrere senkrecht stehende, etwa 1 m lange Röhren mit 20 cm Durchmesser. In diesen „Generatoren“ läuft die Elektrolyse ab. Sie funktioniert – vereinfacht dargestellt – so: Mithilfe der elektrischen Spannung, die an einer in Wasser getauchten Kathode und einer Anode anliegt, wird das Wasser in Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O2) gespalten. Der Wasserstoff wird über eine Leitung zum Fermenter und über eine Lanze ca. 1 m unter dem Füllstand des Behälters in das Gärsubstrat injiziert. Bei einer 500 kW-Biogasanlage sind das rund 1,5 m3 Wasserstoff pro Stunde.


Der Wasserstoff wirkt zweifach wie Greentec untersucht hat: „Ein Teil verbindet sich mit Kohlendioxid zu Methan“, berichtet Geschäftsführer Christoph Spurk. Wie die Zwischenergebnisse einer noch laufenden Masterarbeit zu dem Thema zeigen, ändert sich auch die Bakterienflora. „Nach der Injektion kommen bestimmte Hydrolysebakterien vor, die wir vorher nicht gefunden haben“, sagt Spurk. So lässt sich seiner Meinung nach auch erklären, warum die Wasserstoffzugabe bei einigen Anlagen schon nach wenigen Tagen wirkt, bei anderen erst nach drei Monaten: Entweder sind die Bakterien schon vorhanden oder müssen sich erst bilden.


Auch Wolfgang François kann das bestätigen. In der Anlage hat sich der Methangehalt nach etwa drei Monaten Injektion von etwa 52% auf ca. 55% erhöht. „Ich habe mit den Standardwerten des KTBL errechnet, welchen Stromertrag wir rechnerisch mit unserem Substratmix erreichen können. Davon habe ich den Strombedarf der Elektrolyse abgezogen.“ Die Steigerung des Methangehaltes allein hätte nicht zu einer Leistungssteigerung auf 340 kW führen können. Daher geht auch François davon aus, dass neue Bakterien für einen besseren Aufschluss der Biomasse im Fermenter sorgen. Vor dem Einsatz der Hydrobox lag die Stromausbeute bei 1157 kWh/t oTS, drei Monate nach Beginn der Injektion dagegen bei 1300 kWh.


Methanausbeute gestiegen


Markus Schneider aus Oberlauch hat ebenfalls seit ein paar Monaten Erfahrung mit der Injektion. Was er bislang festgestellt hat: Die Injektion bei seiner Biogasanlage mit 380 kW hat zu einem Anstieg des Methangehalts von 50 auf 52,5% geführt. Dann hatte er den Silostock gewechselt. Der Mais von 2018 hatte aufgrund der Trockenheit laut Laboruntersuchungen eine um etwa 20 % schlechtere Gasausbeute. „Trotzdem mussten wir die Fütterungsmenge nicht erhöhen. Der Methangehalt ist kaum gesunken“, sagt er. Sollten sich die ersten Ergebnisse bestätigen, hält er eine Substrateinsparung von 10% für möglich, wie sie der Hersteller verspricht.


Bei der Anlage in Giesdorf zeigt sich zudem: Die BHKW laufen seit der Injektion wesentlich ruhiger. „Früher hatten wir häufig Probleme mit den Ventilen oder dem Zündkerzenverschleiß, das ist weniger geworden“, sagt François. Geschäftsführer Lenherr erklärt das damit, dass nach der Injektion nicht der komplette Wasserstoff in Methan umgewandelt wird, sondern ein kleiner Teil auch mit dem Biogas ins BHKW gelangt. „Aus verschiedenen Versuchen wissen wir, dass die Zugabe von Wasserstoff die Verbrennung unterstützt, den Brennstoff- oder Kraftstoffverbrauch senkt und zu weniger Ablagerungen führt“, sagt Lenherr.


Auf den ersten Blick scheint die Wasserstoffinjektion eine andere Form von Prozesshilfsmitteln zu sein, die es bereits vielfach in Form von Pulvern oder Flüssigkeiten auf dem Markt gibt. „Das sehe ich nicht so. Wir haben bereits einige dieser Mittel wie Enzyme oder Katalysatoren ausprobiert. Sie sorgen kurzfristig für einen Anstieg der Gasproduktion, der dann aber irgendwann wieder nachlässt“, hat François festgestellt. Bei der Wasserstoffinjektion ist das anders: Der Methangehalt ist dauerhaft auf dem Niveau geblieben. Zudem verursachen Zusatzstoffe laufende Kosten von mehreren tausend Euro im Monat.


Hohe Anfangskosten


Bei der Wasserstoffproduktion sind nur die Kosten für die Investition mit etwa 100000 € relativ hoch. Die laufenden Kosten setzen sich so zusammen:


  • Als Prozesswasser verwendet der Hersteller destilliertes Wasser. Der Wasserverbrauch für eine Biogasanlage mit 500 kW liegt bei 50 l pro Woche. Im Jahr kostet das ca. 1000 €.
  • Dazu kommt ein Vollwartungsvertrag, der eine fünfjährige Garantie auf alle Anlagenteile und einen Service viermal im Jahr beinhaltet. Der Vertrag kostet ca. 4000 € im Jahr.
  • Bei 21 ct/kWh verursacht die Anlage im Jahr rund 4500 € Stromkosten.


Unterm Strich summieren sich die laufenden Kosten also (ohne Abschreibung und Kapitaldienst) auf maximal 10000 € im Jahr.


Wichtige Voraussetzungen


Für den Betrieb sind aber bestimmte Vorgaben einzuhalten:


  • Das Prozesswasser wird in 200 l-Fässern angeliefert. Der Landwirt wechselt es nach Bedarf und fügt nach Vorgabe des Herstellers einen flüssigen Aktivator hinzu, der die Elektrolyse unterstützen soll. „Leitungswasser hat eine zu hohe Leitfähigkeit und ist daher ungeeignet. Und Brunnenwasser enthält Eisen, das die Elektrolyse schädigt“, erklärt Daniel Lenherr, Geschäftsführer von Neue Energie Schweiz.
  • Die Elektrolyse muss in dem gelieferten Container ablaufen, um eine genau definierte Raumtemperatur zu haben. Dazu wird der Raum klimatisiert. Denn die Elektrolyseure erhitzen sich.
  • Das Wasser darf 95 °C nicht überschreiten, weil sonst unerwünschter Dampf entsteht. Hierzu wird auch die Wassertemperatur laufend überwacht.
  • Damit die Injektion des Wasserstoffs im Fermenter etwas bewirkt, muss sich das Gas gut verteilen können. Dafür darf es keine Schwimmschichten im Fermenter geben. „Wer Probleme mit der Prozessbiologie hat, sollte zunächst an Schrauben drehen wie Rührzeiten, Substratvoraufschluss oder Spurenelementeeinsatz. Die Wasserstoffinjektion ist nicht geeignet, um einen schlechten Gärprozess zu verbessern“, unterstreicht Lenherr.
  • Die Injektion des Wasserstoffs kann bis zu einem Druck von 300 mbar erfolgen. Dieser hängt ab vom Betriebsdruck der Biogasanlage, aber vor allem von der Viskosität und dem TS-Gehalt des Fermenterinhalts. „Je dickflüssiger das Material ist, desto mehr Gegendruck benötigen wir“, sagt Lenherr.
  • Pflanzenfasern z.B. können die Injektionsnadel verstopfen. Darum wird sie gelmäßig automatisch durchgespült. Hierfür ist ein Wasseranschluss nötig.
  • Für die Genehmigung ist nach bisherigen Erfahrungen eine Anzeige nach §15 des Bundesimmissionsschutzgesetzes ausreichend.
  • Alle Netzbetreiber der rund 30 bisher in Deutschland installierten Anlagen haben den Wasserstoff bislang als Prozesshilfsstoff anerkannt. „Für einen sicheren, EEG-konformen Einsatz ist es aber nötig, dass der Strom für die Hydrobox aus dem BHKW stammt“, rät Spurk. Die Anschlussleistung ist mit 3 bis 4 kW für die Elektrolyse relativ gering. Der Eigenstrombedarf beträgt bei einer 500 kW-Biogasanlage 0,6%.


Die Wasserstoffinjektion eignet sich nach bisherigen Erfahrungen für folgende Biogasanlagen:


  • Grundsätzlich für Anlagen, die mit einer guten Auslastung laufen, die aber noch Potenzial sehen.
  • Für Anlagen, die trotz guter Auslastung und Prozessführung ihre genehmigte Leistung noch nicht ausschöpfen können.
  • Für Anlagen, die bei gleichbleibender Leistung Substrat einsparen wollen.


hinrich.neumann@topagrar.com

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