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Weiterbetrieb: Ist Ihre Anlage geeignet?

Lesezeit: 5 Minuten

Soll eine ältere Windenergieanlage nach zwanzig Jahren Betrieb weiterhin Strom liefern, ist ein technisches Gutachten nötig. Wir sprachen mit Prüfern, welche Kriterien für einen Weiterbetrieb sprechen und was zu einem Ausschluss führt.


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In Deutschland gibt es nach einer Studie der Deutschen Windguard Wind-energieanlagen mit rund 4000 MW Leistung, die vor dem Jahr 2000 ans Netz gegangen sind. Da die meisten dieser Altanlagen weniger als 1 MW Leistung haben, kann man von rund 6000 bis 8000 Mühlen ausgehen, die spätestens Ende des Jahres 2020 ihr zwanzigstes Betriebsjahr erreichen. Ihre Betreiber haben dann drei Alternativen: Entweder sie legen die Anlage still, repowern ihre Mühle oder betreiben sie weiter.


Der Weiterbetrieb kann durchaus sinnvoll sein: Meist ist die Anlage abgeschrieben. Der Betreiber kennt Technik, Windverhältnisse und Servicepersonal. Somit kann er die Kosten für die Stromerzeugung gut einschätzen.


Gutachten nötig:

Ob er die Anlage weiter betreiben kann, hängt allerdings von mehreren Faktoren ab:


  • Reicht die Stromvergütung für einen wirtschaftlichen Betrieb aus?
  • Ist die Anlage technisch in Schuss?


Ob letzteres der Fall ist, muss der Betreiber mit einem technischen Gutachten nachweisen. Denn viele Hersteller haben die Anlagen auf eine Lebensdauer von 20 Jahren ausgelegt. Danach müssen Gutachter die Standsicherheit und technische Funktion von sicherheitsrelevanten Bauteilen bewerten.


Rechtlicher Hintergrund hierfür ist u.a. eine Richtlinie des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt). „So ein Gutachten besteht aus einem analytischen und einem praktischen Teil“, erklärt Peter Baulig, Sachverständiger bei der TÜV Nord EnSys GmbH aus Hamburg.


Es kann bis zu drei Monate dauern, bis das Gutachten erstellt ist. Zudem sind Kosten von bis zu 10000 € möglich, je nachdem, wie detailliert die vorhandenen Unterlagen sind. Daher sollte sich jeder Betreiber rechtzeitig mit den Anforderungen für den Weiterbetrieb auseinandersetzen.


Analyse der Unterlagen:

Im analytischen Teil der Prüfung bewerten die unabhängigen Sachverständigen vor allem diese Sachverhalte:


  • Die tatsächlichen Wind- und Umgebungsbedingungen an dem Standort der vergangenen Jahre seit Inbetriebnahme der Anlage. Dazu gehören mit Windrichtungsverteilung, mittlerer Windgeschwindigkeit und effektiver Turbulenzintensität.
  • Die Auslegung des Herstellers bei den Komponenten der Anlage bezüglich Windklasse und Lebensdauer. Diese Bewertung geschieht auf Basis einer theoretischen Lastberechnung.


„Mithilfe dieser Daten können wir schon einmal theoretisch ableiten, wie stark die Anlage in ihrer Betriebszeit belastet wurde“, erklärt Baulig. Dabei können die Sachverständigen schon erste Rückschlüsse auf besonders beanspruchte Teile ziehen. Das sind dann meist die Komponenten, die zuerst ihre Lebensdauer erreichen und damit die Gesamtlebensdauer der Anlage bestimmen. Hierzu zwei Beispiele: An einem Küstenstandort gibt es meist hohe mittlere Windgeschwindigkeiten bei wenig Turbulenzen. Daher dreht sich der Rotor sehr oft. Die Hauptbelastung liegt hier u.a. auf den Rotorblätternanschlüssen, da diese bei jeder Umdrehung von zwei Seiten im Wechsel beansprucht werden. „Bei der Auslegung der Anlage hat der Hersteller eine bestimmte Anzahl von Umdrehungen angenommen. Wir können prüfen, ob diese Grenze überschritten wurde und ob die Rotorblattanschlüsse noch Potenzial für eine längere Laufzeit haben“, erklärt Baulig.


Ein anderer Fall wäre z.B. ein Waldstandort: Hier macht die Anlage in 20 Jahren tendenziell weniger Umdrehungen. Wegen der sich ständig ändernden Windgeschwindigkeit gibt es aber viele Turbulenzen. Das beschleunigt und bremst den Triebstrang der Anlage stärker – die Hauptwelle ist also ein typisches Bauteil, das bei hoher Turbulenz stärker beansprucht wird.


Inspektion vor Ort:

Nach dieser Analyse wissen die Sachverständigen bereits, welche Bauteile besonders beansprucht sind und wo sie bei der Inspektion vor Ort genauer hinschauen müssen. „Wir können aber auch zu dem Schluss kommen, dass die Anlage nach zwanzig Jahren kein Potenzial mehr für eine längere Laufzeit hat und stillgelegt werden sollte“, sagt Bauligs Kollege Niklas Hackstein.


Gibt es dagegen noch „Luft nach oben“, nehmen die Inspektoren die Anlage vor Ort unter die Lupe. Hier stellen sie folgende Fragen:


  • Gibt es augenscheinliche Risse in Maschinenträgern oder im Fundament sowie Brüche an Bauteilen, die nicht zu reparieren sind?
  • Gibt es Reparaturen, die nicht üblichen Verfahren entsprechen und nicht in den Unterlagen stehen?
  • Gibt es sicherheitsrelevante Anbauten, die nicht dem ursprünglich geprüften Typ entsprechen und in keiner Zeichnung auftauchen? Hierzu gehören z.B. Rotorblattverlängerungen.
  • Ergibt die Schwingungsanalyse des Triebstranges eine unerwartete Unwucht?
  • Steht der Turm schiefer als die Toleranz erlaubt?
  • Zeigt die Getriebeendoskopie unzulässige Riefen oder andere Schäden?


Stellen die Prüfer dieses vor Ort fest, kann das dazu führen, dass sie den Rückbau der Anlage nach 20 Jahren empfehlen – auch wenn die theoretische Analyse einen Weiterbetrieb erlaubt hätte.


Auflagen möglich:

In der Regel fallen solche Fehler bei den alle vier Jahre durchzuführenden „Wiederkehrenden Prüfungen“ auf, können aber in seltenen Fällen übersehen worden sein oder die Fehler sind erst nach der letzten Prüfung aufgetreten. „Wir können einen Weiterbetrieb aber auch unter Auflagen empfehlen, z.B. nach Tausch oder fachkundiger Reparatur von Komponenten“, sagt Baulig. Alle diese Empfehlungen enthält der Abschlussbericht. Dieser ist auch wichtig z.B. für die Versicherung oder für die Genehmigungsbehörde.


Wie Hackstein und Baulig berichten, finden sie in ihrer täglichen Praxis sowohl Anlagen, die noch nicht einmal eine Laufzeit von 20 Jahren erreichen sowie Anlagen im top Zustand, bei denen noch weitere 15 Jahre Laufzeit möglich sind.


Kontakt: hinrich.neumann@topagrar.com

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