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BHKW-Technik ist für die Zukunft gerüstet

Brennstoffzellen oder Gasturbinen gelten als Zukunftsoption im Strommarkt. Im Interview erläutert Entwicklungschef Frank Grewe vom Hersteller 2G, warum BHKW noch über Jahre die Nase vorn haben.

Lesezeit: 7 Minuten

Die Bundesregierung stellt in ihrer Kraftwerksstrategie und anderen Veröffentlichungen und Gesetzen immer wieder die Bedeutung von Gaskraftwerken heraus. Gemeint sind aber zentrale Großkraftwerke auf Basis von Erdgas oder überwiegend importiertem Wasserstoff, der zumeist aus Erdgas hergestellt wird (blauer Wasserstoff). Klassische Blockheizkraftwerke auf Basis von Biogas dagegen spielen keine Rolle.

Warum das ein Fehler ist, welche Chancen in der vorhandenen Technik liegen und wie sich Biogasanlagenbetreiber darauf einstellen sollten, erklärt Frank Grewe, Entwicklungschef vom BHKW-Hersteller 2G aus Heek (Nordrhein-Westfalen).

Nach der Wirkungsgradoptimierung waren die Flexibilisierung sowie die Reduktion von Emissionen in den vergangenen Jahren die Schrittmacher im BHKW-Markt. Was sind aktuell die wichtigsten Treiber?

Grewe: Die Flexibilisierung ist im Moment immer noch einer von zwei großen Treibern im BHKW-Markt. Die Biogasanlagen werden immer größer überbaut, das heißt, es sind größere Aggregate gefragt. Der Strommarkt erfordert teilweise mehrere Starts am Tag, während sich die jährliche Laufzeit auf 2000 Stunden und weniger reduziert. Im Laufe der Jahre haben wir die Technik immer weiter optimieren können.

Wie wirkt sich das für den Kunden aus?

Grewe: Während wir früher noch damit gerechnet haben, dass die Wartungsintervalle kürzer sind, wissen wir heute nach über zehn Jahren Erfahrung, dass wir mehrere Starts und Stopps am Tag zulassen können, ohne dass das größere Wartungsstufen zwischengeschaltet werden müssen. Außerdem können wir die Mindestlaufzeit pro Start reduzieren.

Warum ist die Laufzeit wichtig?

Grewe: Der Motor muss regelmäßig auf Betriebstemperatur kommen. Allerdings ist nicht der Motor selbst das Problem. Mit einer Vorschmierung und einer Vorwärmung kann er die Anforderungen des Strommarktes erfüllen und auch kurzfristig starten. Problematisch dagegen ist die Peripherie wie die Abgasleistung, in der sich beim Abkühlen Kondensate bilden können. Wenn sie Schwefelwasserstoff enthalten, kann schwefelige Säure entstehen und Komponenten wie Leitungen, Abgaswärmetauscher usw. beschädigen. Zudem kann das Schmieröl übersäuern und damit seine Schmierwirkung nachlassen. Wir raten daher weiterhin, das Schmieröl häufiger zu wechseln bzw. untersuchen zu lassen als bei einem Dauerläufer.

Warum ist Schwefel ein Problem, wenn der Motor abkühlt?

Grewe: Das hängt mit dem Aktivkohlefilter zusammen. Wenn dieser abkühlt, gibt die Aktivkohle den gebundenen Schwefelwasserstoff teilweise wieder ab. So gelangt er in die Leitungen und ins Kondensat. Außerdem kann eine große Menge Schwefelwasserstoff in den Motor strömen, wenn er wieder startet und die Aktivkohle noch nicht voll funktionsfähig ist. Darum ist es wichtig, dass nicht nur der Motor, sondern auch der Aktivkohlefilter warmgehalten werden. Eine Isolierung und eine Begleitheizung sind hier unerlässlich.

Sie haben noch von einem zweiten Treiber gesprochen.

Grewe: Ja, das betrifft die Modernisierung. Die Politik hat die Branche mit etlichen kurzfristigen Gesetzesänderungen oder nachträglichen Auflagen nachhaltig verunsichert. Viele Anlagenbetreiber blicken ungewiss in die Zukunft. Eine Investition in einen neuen Motor fällt vielen schwer. Dazu kommt, dass sich die Rahmenbedingungen bezüglich Emissionen, Zertifikate usw. massiv geändert haben. Auch darum scheuen viele den Schritt, weil sie nicht wissen, was auf sie zukommt. Wir haben für diesen Fall ein neues Refit-Center eingerichtet, nehmen Motoren verschiedener Hersteller zurück und bringen sie auf den neuesten technologischen Stand – sowohl von der Motorentechnik als auch von der Steuerung. Das ist in den meisten Fällen günstiger als ein neues Aggregat.

Zu den neuen Anforderungen gehören ja auch Emissionsgrenzwerte. Gibt es hier neue technische Entwicklungen?

Grewe: Der letzte größere Sprung kam mit der 44. BImSchV bezüglich der NOx-Grenzwerte. Hier hat sich der SCR-Kat als Standardtechnik erwiesen, um die Grenzwerte einzuhalten. Ein Problem ist jedoch, dass viele BHKW in einem engen Maschinenhaus oder einem Container stehen. Nachrüstungen sind also schwierig. Wir haben dafür jetzt eine Lösung entwickelt, bei der wir Maschinen bis 600 kW mit einem SCR-Kat ausliefern, der zusammen mit dem Abgaswärmetauscher unter dem Modul installiert ist. Das spart Platz.

Mittlerweile erreicht eine große Zahl an Anlagen das Ende der 20-jährigen EEG-Förderung. Werden viele eine zehnjährige Verlängerung anstreben und entsprechend in die Flexibilisierung investieren?

Grewe: Der Markt zeigt keine eindeutigen Tendenzen. Im In den vergangenen zwei Jahren gab es einen Hype um die Biomethaneinspeisung. Viele Betreiber waren von größeren Flexibilisierungsvorhaben in der Planung auf Biomethan umgeschwenkt. Der Absturz der THG-Quotenerlöse hat hier zur Ernüchterung geführt. Das merken wir an der wieder steigenden Nachfrage nach BHKW. Es gibt auch größere Anlagen, die sich flexibel aufstellen und in beide Richtungen planen: Stromeinspeisung mit einer flexibilisierten Anlage und Biomethanproduktion. Wir denken, dass die reine Biomethaneinspeisung eine Sackgasse sein könnte.

Warum?

Grewe: Man legt sich damit für 20 Jahre und mehr fest. Die Bundesregierung will aber einen Teil des Erdgasnetzes umstellen auf die Leitung von Wasserstoff. Das könnte die Möglichkeiten von Biomethananlagen einschränken, weil einfach nicht mehr genug Leitungen für Biomethan zur Verfügung stehen. Stattdessen wird der Strombedarf steigen aufgrund des Ausbaus von Wärmepumpen und Elektromobilität. Das bietet Chancen für flexible Anlagen, die die Lücken der Solar- und Windenergie füllen können. Und ein drittes Argument ist der Wärmemarkt: Die BHKW-Abwärme wird dringend benötigt, um Wärmenetze zu versorgen. Mit der Kraft-Wärme-Kopplung lässt sich Biogas flexibel und mit hohem Wirkungsgrad verwenden. Die dezentrale Erzeugung bringt regionale Wertschöpfung und hilft der Volkswirtschaft, weil z.B. weniger Netze ausgebaut werden müssen.

Laut Konjunkturumfrage von C.A.R.M.E.N. könnte etwa ein Drittel der Anlagen stillgelegt werden. Wie sind Ihre Erwartungen?

Grewe: Ja, es gibt Betreiber, die keinen Hofnachfolger haben oder bei denen die Anlage nach 20 Jahren einfach nicht mehr für die Zukunft fit gemacht werden kann. Trotzdem dürfen wir nicht pauschal sagen, dass nur die großen Speicherkraftwerke oder Biomethananlagen überleben können. Wir müssen auch an die vielen 200 kW-Anlagen in Süddeutschland denken, die häufig auch ein Wärmenetz betreiben und ganze Dörfer versorgen. Auch für sie muss die Politik eine Zukunftsperspektive bieten, weil wir sonst einen wichtigen Teil der regenerativen Wärmeversorgung wieder verlieren werden und ersetzen müssen.

2G ist ja auch im Bereich Wasserstoff-BHKW aktiv. Wie entwickelt sich der Markt?

Grewe: Seit 2012 hat der Markt immer weiter an Fahrt aufgenommen. Damals haben wir unser erstes Pilotprojekt vorgestellt. 2018 hat die Stadt Haßfurt gezeigt, dass eine Rückverstromung im Wasserstoff-BHKW möglich ist. Mittlerweile sind wir mit der Technik auf vier Kontinenten unterwegs, größter Markt ist – neben Deutschland – Japan. Die BHKW-Technik ist nicht der Hemmschuh, sondern die zu vertretbaren Preisen zur Verfügung stehende Menge an Wasserstoff. Das Gute ist, dass man Erdgasnetze durch Beimischung nach und nach auf Wasserstoff umstellen kann. Der Ausbau der Elektrolyseure in Deutschland, aber auch der Import von Wasserstoff wird ebenfalls dazu beitragen, dass der Markt vorankommt.

Ist das BHKW zur Verstromung von Wasserstoff einer Brennstoffzelle oder Turbine gegenüber konkurrenzfähig oder sogar überlegen?

Grewe: Davon sind wir überzeugt. Denn BHKW-Kapazitäten lassen sich wesentlich schneller aufbauen als zentrale Großkraftwerke. Zudem lassen sich vorhandene Anlagen auf Wasserstoff umrüsten. Was noch für BHKW spricht, ist die mögliche Wärmeauskopplung, vor allem mit einem hohem Temperaturniveau, wie es z.B. in der Industrie gefragt ist. Das geht mit einer Brennstoffzelle nicht. Ein BHKW lässt sich zudem in rund einer Minute und damit wesentlich schneller hoch- oder herunterfahren als eine Turbine und ist damit mit Blick auf die künftigen Anforderungen im Strommarkt besser geeignet.

Eine Brennstoffzelle ist heute auch noch etwa sechsmal so teuer wie ein BHKW. Zudem braucht zumindest die PEM-Brennstoffzelle noch viel Iridium. Dieses ist selten, weltweit werden pro Jahr nur rund 7 t abgebaut und das auch nur zufällig als Begleitprodukt der Platingewinnung. Immer noch arbeiten Wissenschaftler daran, wie man alternative Rohstoffe verwenden könnte.

Ich sage nicht, dass die Brennstoffzelle keine Zukunft hat. Aber wir haben keine Zeit mehr, noch groß an Zukunftstechnologien zu forschen, sondern müssen angesichts des Klimawandels und der energiepolitischen Ziele jetzt auf die Technik setzen, die heute schon verfügbar ist. Ein Wasserstoff-BHKW hat einen elektrischen Wirkungsgrad von mehr as 40%, mit Wärmeauskopplung kommen wir auf über 80 % Gesamtwirkungsgrad. Das darf man doch nicht vernachlässigen.

Ein wichtiger Appell an die Politik. Welche Forderungen hätten Sie noch?

Grewe: Egal, wie sich der Markt entwickelt: Die Politik ist gefordert, endlich wieder für stabile Rahmenbedingungen zu sorgen. Es geht nicht um Fördermittel, sondern darum, dass Betreiber von Anlagen, Stadtwerke oder sogar Energiekonzerne Planungssicherheit für einen Zeitraum von etwa zehn Jahren haben. Ansonsten bleibt die Energiewende stecken.

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