Der Stadtwerkeverbund Trianel bietet Stadtwerken und Energieversorgern Produkte und Lösungen für die Dezentralisierung und Dekarbonisierung der Energiewirtschaft, den Ausbau der erneuerbaren Energien sowie der digitalen Transformation. Seit mehreren Jahren ist Trianel auch in der Direktvermarktung von Strom tätig. Wir sprachen mit Katja Drinkmann, Senior Sales Managerin Virtuelles Kraftwerk bei Trianel, über Chancen und Herausforderungen von flexiblen Biogasanlagen.
Sie optimieren die Stromvermarktung von flexiblen Biogasanlagen. Wie funktioniert das in der Praxis?
Drinkmann: Wir bieten bei der Vermarktung von Biogasstrom verschiedene Optionen an, wobei die FlexOptimierung die Königsdisziplin ist. Mit unserem Multi-Market-Ansatz können wir die Flexibilität der Anlage immer auf dem am besten geeigneten Markt platzieren – egal ob Spotmarkt, Regelenergie oder im kontinuierlichen Intraday-Handel. Dabei berücksichtigt unser Modell die spezifischen Parameter und Einschränkungen der jeweiligen Anlage. Also zum Beispiel, wie groß der Gasspeicher der Anlage ist oder ob es Wärmelieferungsverpflichtungen gibt, die wir beachten müssen. Beim Vermarktungsstart beginnen wir zunächst mit festen Fahrplänen, dann mit einer täglichen Abstimmung bis wir am Ende bei der vollautomatisierten Fahrplanoptimierung mit dynamischer Fütterung sind.
Was bedeutet „dynamische Fütterung“, beeinflussen Sie auch die Substratzugabe?
Drinkmann: Wenn der Betreiber das wünscht, ja. Wir schauen uns dabei verschiedene Einflussgrößen wie die Wetterprognose an. Wenn in den nächsten Tagen eine größere Windfront gemeldet wird, ist davon auszugehen, dass bei viel Windstrom im Netz der Strompreis sinkt. Wir raten dann dem Betreiber, die Fütterung zu reduzieren. Oder umgekehrt geben wir den Hinweis, wenn eine Dunkelflaute droht und viel Strom benötigt wird. Für eine hohe Prognosegüte haben wir sogar einen eigenen Meteorologen eingestellt.
Wie erfolgt die Abrechnung?
Drinkmann: Unsere Basis ist der Monatsmarktwert für Biogas. Alles, was wir darüber hinaus durch die strompreisgeführte Vermarktung erwirtschaften, teilen wir uns mit dem Kunden nach einem vorher festgelegten Verteilungsschlüssel. Damit haben wir beide die gleiche Interessenlage.
Wo sehen Sie bei den Anlagen noch Nachholbedarf zur Optimierung, woran hakt es in der Praxis?
Drinkmann: Sehr oft ist es die Messung der Gasspeicherfüllstände. Wie genau wir ihn erfassen können, hängt von der Sensorik ab. Also mitunter gibt es Speicher, die haben genau drei Messpunkte, einmal oben, einmal ganz kurz vor der Fackel und einmal ganz unten am Behälter. Wenn sich die Gasblase an anderer Stelle bewegt, bekommen wir die Veränderungen nicht mit, das ist quasi ein Blindflug. Für diese Fälle greifen wir bzw. unser Vermarktungssystem auf die Erfahrungswerte zurück, wie sich der Speicher in den letzten Tagen verhalten hat. Der Gasspeicher ist die wichtigste Stellschraube bei der Vermarktung. Je mehr Daten wir bekommen und je genauer sie sind, desto gezielter können wir vermarkten. Wir haben auch Kunden, die übertragen sogar ans System, welches Material sie für welchen Zeitraum füttern. Das erleichtert uns die Prognose der Gasbildung für die nächsten Tage.
Ein Hemmschuh für die Biogasanlagen ist das viel zu geringe Ausschreibungsvolumen. Ist es perspektivisch denkbar, dass flexible Biogasanlagen aufgrund der möglicherweise steigenden Strompreisschwankungen auch ohne EEG auskommen können?
Drinkmann: Wir hatten ja bereits sehr hohe Preise am volatilen Markt. Es gibt durchaus Fälle, bei denen man heute schon ohne EEG-Förderung auskommen könnte. Aber man kann die Volatilität am Strommarkt nur sehr schwer vorhersehen, da wirken viele Mechanismen. Wir veröffentlichen quartalsweise den Flex-Index, der zeigt, wie sich die Spreads, also die Unterschiede zwischen dem geringsten und dem teuersten Strompreis eines Tages, entwickeln. Während der Ukrainekrise ist er stark angestiegen, dann wieder gesunken und im Moment wieder im Aufwärtstrend. Damit eine Anlage davon profitiert, muss sie entsprechend modernisiert und bereit für die flexible Fahrweise sein. Viele Anlagen haben noch einen großen Investitionsstau und sind daher auf eine finanzielle Unterstützung angewiesen. Außerdem ist eine gute Wärmenutzung und ein wirtschaftliches Substratmanagement wichtig.
In diesem Jahr hat der Zubau an großen Batteriespeichern zur Systemdienlichkeit stark zugenommen. Haben die Speicher Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit für flexible Anlagen? Oder anders gefragt: Werden flexible Biogasanlagen künftig noch gebraucht und wenn ja, für welche Aufgaben?
Drinkmann: Das war tatsächlich das zentrale Thema auf der Messe Energy Decentral in Hannover. Rund 90 % der Kunden auf unserem Messestand haben neben Fragen zur flexiblen Fahrweise auch Fragen zur Batteriespeichervermarktung. Wir sehen da keine Konkurrenz. Die Biogasanlagen punkten bei der Dunkelflaute. Sie können ihr Gas mehrere Tage lang speichern und mit dem BHKW bei Bedarf auch mehrere Tage lang Strom produzieren. Batteriespeicher haben ihre Stärke eher im kurzfristigen Markt, also z.B. bei Netzschwankungen. Bis wir genug Batteriespeicher im Markt haben, damit man die Strompreisschwankungen nicht mehr so merkt, werden bestimmt zehn Jahre vergehen. Wir halten eine Kombination von Biogasanlage und Batteriespeicher für sehr sinnvoll – sofern Netzanschluss und Trafoleistung das hergeben. Hier sehen wir momentan den größten Hemmschuh.