Die Bundesregierung will im Rahmen ihrer Kraftwerksstrategie künftig vor allem neue Gaskraftwerke bauen, die zunächst mit Erdgas, später mit Wasserstoff betrieben werden sollen. Wegen der kritischen Haushaltslage verzögert sich die Verabschiedung der Strategie jedoch bis ins Jahr 2024. „Die Verzögerung hat auch eine gute Seite: Die Biogasbranche könnte jetzt den Beweis antreten, dass sie die Aufgabe der Versorgungssicherheit bewältigen kann“, sagt Uwe Welteke-Fabricius, Sprecher des Netzwerks „Flexperten“.
Gleichzeitig könnten die Anlagen auch noch die Wärmewende im ländlichen Raum verbilligen, dank der Vergärung von Wirtschaftsdüngern, Reststoffen und Blühpflanzen die Klimabelastung in der Landwirtschaft verbessern und die Markteinführung von Wasserstoff beschleunigen. „Bei Erfolg müssten deutlich weniger fossile Kraftwerke gebaut werden oder könnten sogar ganz entfallen“, stellt Welteke-Fabricius in Aussicht. „Dafür sind zeitnahe politische Signale mit einem novellierten Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) notwendig. Sonst geschieht das Gegenteil. Einige Anlagen könnten zwar auf Biomethanerzeugung umsteigen, aber der Großteil der Anlagen würde ganz oder teilweise stillgelegt“, sagt er.
Die Vorteile
- Mit dem Umbau der herkömmlichen Biogasanlagen zu Speicherkraftwerken wird nur noch Spitzenstrom erzeugt und die durchschnittliche Wärmenutzung deutlich verbessert. Aus der Leistung des heutigen Anlagenparks mit etwa 6 GW installierte Leistung könnten 15 GW steuerbare Leistung zur Versorgungssicherheit werden.
- Mit der Erschließung der Potenziale in Wirtschaftsdüngern, Reststoffen, Blühpflanzen und Zwischenfrüchten könnte man über 50 % der heutigen Biogasproduktion neu hinzubauen – ohne zusätzlichen Flächenverbrauch.
- Die Stromeinspeisung würde von 33 TWh auf etwa 50 bis 60 TWh/Jahr steigen. „Das wäre eine wichtige Zukunftsoption für die bestehenden Anlagen“, sagt Welteke-Fabricius.
- Außerdem könnten die Biogasanlagen die Markteinführung von grünem Wasserstoff um etwa 10 Jahre vorziehen, weil man dafür nicht auf die neue Infrastruktur warten muss. Stattdessen wird daraus vor Ort Methylwasserstoff (= Methan), im Biogasspeicher gelagert und im Speicherkraftwerk wiederum als Strom und Wärme genutzt.
- Bestehende und neue Biogasanlagen könnten zusammen etwa 40 TWh Strom aus fossil befeuerten Gasturbinen ersetzen. Damit könnte die Biogasbranche die Emissionen bis 2030 um über 20 Mio. t CO2 pro Jahr reduzieren.
Was getan werden müsste
Um das Ziel zu erreichen, müsste die Bundesregierung die Transformation des Biogasanlagenbestands zu Speicherkraftwerken fördern und den Betreibern eine wirtschaftliche Perspektive geben. Das lässt sich erreichen, wenn man das EEG an die aktuelle Geld- und Zinsentwicklung anpasst und einige Hürden aus dem Gesetz entfernt.
Doch selbst, wenn die Flexibilisierung endlich wieder gefördert würde, gehen die modernisierten Anlagen frühestens 2025 ans Netz und kosten erst dann das erste Geld. Sie bewirken ab dann auch Einsparungen in den Wärmenetzen, im Emissionshandel. „Und wir machen weniger Klimaschulden bei den kommenden Generationen – in den kommenden Jahren geht es um 250 Mio. t weniger CO2 und viele andere Umweltnutzen. Allein die Synergieeffekte mit dem biologischen Landbau müssten auch die Grünen überzeugen“, so der Flexperte.
Aber auch die Branche selbst müsse mitziehen. Wer ein Speicherkraftwerk betreibe, sei wirtschaftlich abgesichert. Doch das setze erhebliche Investitionen voraus. Nur weiter so wie bisher, das gehe nicht und führe ins wirtschaftliche Abseits.
Das Fazit der Flexperten: „Bei einem ergebnisoffenen Wettbewerb ist es denkbar, dass dezentrale Speicherkraftwerke eine signifikante Kosteneinsparung bedeuten.“ Die Bundesregierung könne an dieser Faktenlage nicht vorbei.
Wenn Sie sich weiter informieren wollen
Die Biogas Convention in Nürnberg ist der Ort, wo sich Biogasbetreiber orientieren können, welche Strategie zu ihnen passt: Biomethaneinspeisung, Stilllegung oder eben ein Speicherkraftwerk mit einem Nahwärmenetz im nächsten Ort. Das Netzwerk Flexperten und dessen Partner bieten Besucher der Veranstaltung in der neu geschaffenen Halle 8, auf 2000 m2 konzentrierte Fachkompetenz aus Industrie, Wissenschaft und Politik. Das Programm und weitere Informationen zu dem Forum finden Sie hier.