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Flexible Fütterung: CO2 im Gärsubstrat als Frühwarnindikator

An der Uni Ulm wurde ein System entwickelt, mit dem Biogasanlagenbetreiber den Fermentationsprozess laufend überwachen können. Das hilft bei der flexiblen Fütterung, erklärt Prof. Marian Kazda.

Lesezeit: 7 Minuten

Die künftig erforderliche Überbauung für die flexible Fahrweise ist eine Herausforderung für viele Biogasanlagen. Vor einem Ausbau der Gasspeicher ist zu prüfen, inwieweit eine biologische Flexibilisierung den Gasbedarf decken kann, ohne die Fermenterbiologie zu überlasten. Hierfür hat die OptProC GmbH (www.OptProC.de) – eine Ausgründung der Universität Ulm - eine Echtzeit-Fermenterüberwachung entwickelt und europaweit patentiert.

Die optische Messung direkt im flüssigen Gärsubstrat gibt Auskunft über die Dynamik der Biogasproduktion im Hauptfermenter. Dabei erfassen die Sensoren die Prozessbelastung (pCO2) sowie die Gärtemperatur kontinuierlich, werten sie statistisch aus und erstellen Meldungen zum Prozessverlauf. Diese Daten können aus dem Cloudspeicher mittels Handy / PC abgerufen oder direkt in die Anlagensteuerung integriert werden. Laut OptProC lassen sich damit die Prozessstabilität überwachen, Tagesspitzen der Strompreise mit gesteuerter Substratzufuhr abfahren und Dunkelflauten optimal ausnutzen. Außerdem ermöglicht es ein sicheres Wiederanfahren der Anlage nach Produktionspausen.

Wie das System genau funktioniert und für wen es infrage kommt, haben wir Prof. Marian Kazda, Mentor des Start-ups „OptProC“ gefragt.

Warum ist eine Prozessüberwachung für flexible Anlagen sinnvoll?

Kazda: Mit einer variablen Substratzugabe können Anlagenbetreiber die Gasproduktion an die Strommarktanforderungen anpassen, also z.B. rechtzeitig die Gasproduktion erhöhen, wenn bei einer Dunkelflaute mehr Strom benötigt wird. Doch mit einer schnellen Substratzugabe allein ist es nicht getan. Sie kann zu einer ineffizienten Vergärung oder sogar zu einer Prozessstörung führen.

Eine Störung kündigt sich schon viel früher an, als man das an der Gasblase erkennt. Oder schlimmer: Wenn der Betreiber meint, bei ausbleibender Gasproduktion noch mehr füttern zu müssen, bewirkt er das Gegenteil, die Prozessstörung kommt dann noch schneller.

Wie funktioniert die Anlage, wo ist der Sensor verbaut?

Kazda: Wir messen mit einem optischen Sensor, der mit einer Lanze direkt im Fermenterinhalt platziert wird. Er funktioniert, einfach gesagt, über die Messung von Veränderungen im Lichtspektrum. Die Lichtsignale, die sich durch den CO2-Gehalt der Fermentermaische verändern, sowie die Temperatur werden in einer Messbox ausgewertet und über WLAN in einen Cloudspeicher geladen. Von dort erhält der Betreiber die Daten, ihre Verläufe und Warnungen auf sein Handy.

Wir haben dafür eine Art Tacho wie im Auto entwickelt, auf dem er schnell ablesen kann, ob der CO2-Wert noch im grünen Bereich ist oder ansteigt. Genauso kann sich der Betreiber die Messwerte in der Anlagensteuerung anzeigen lassen. Aktuell arbeiten wir an einer Automatisierung der Substratzufuhr als Funktion der Prozessbelastung.

Bei Gasanalysegeräten haben die Sensoren je nach Gasart unterschiedlich lange Lebensdauern. Wie ist das bei Ihrer Sonde?

Kazda: Der Sensor arbeitet mit einem CO2-sensiblen Farbstoff, der sich im Laufe der Zeit verbraucht. Feststellen lässt sich das anhand der abnehmende Stärke des reflektierten Lichts. Wir haben einen Wert definiert, ab dem der Sensor getauscht werden muss. Der Betreiber bekommt dazu einen Hinweis auf seinem Handy.

Ein Faustwert ist, dass ein Tausch nach 3 bis 6 Monaten nötig ist. Der Sensor in der Größe eines 5 Cent-Stücks lässt sich sehr einfach auch vom Betreiber wechseln, indem die Lanze aus dem Behälter gezogen und der neue Messkopf ausgesetzt wird.

Es gibt verschiedene Frühwarnindikatoren zur Prozessüberwachung wie den Wasserstoffgehalt oder den FOS/TAC-Wert. Welchen Vorteil hat der CO2-Gehalt?

Kazda: CO2 wird in verschiedenen Stufen des Fermentationsprozesses gebildet. Wir haben schon vor einigen Jahren in dem FNR-Forschungsprojekt „Flexizucker“ gesehen, wie schnell die CO2-Produktion bei Zugabe von Zuckerrübenbrei ansteigt und bei welchem Wert der Prozess zum Erliegen kommt. Eine Messung des CO2-Gehalts ist also der direkte Blick in den Fermentationsprozess. Wasserstoff ist auch ein wertvoller Wert, aber er lässt sich erst in der Gasphase per Gasanalyse ermitteln. Genauso wie unsere CO2 Messung im Gärsubstrat ist Wasserstoff ein wichtiger Wert, um Veränderungen im Säureumsatz anzuzeigen.

CO2-Verluste erfasst er dagegen nicht. Und bis sich beim FOS/TAC-Wert eine Veränderung zeigt, ist schon viel CO2 ineffizient verloren gegangen. Denn FOS/TAC muss ja erst im Labor bestimmt werden und wird nur selten täglich gemessen. Unsere Anlage misst den CO2-Wert automatisch jede halbe Stunde, also 48mal am Tag.

Warum kann eine Zugabe schnell vergärbarer Stoffe zur Ineffizienz führen?

Kazda: Wenn man zu viel schnell verdauliches Substrat wie Zuckerrübenbrei zugibt, kommt es zu einem sehr raschen Anstieg der CO2-Bildung. Das CO2 entweicht stoßweise in die Gasphase, der Kohlenstoff geht dem Prozess verloren. Denn die methanbildenden Archaeen, die in der Regel sehr langsam arbeiten, haben nicht genug Zeit, das CO2 in Methan umzuwandeln. Vermeidet man das, kann man die Methanausbeute steigern, ohne mehr Rohstoffe zugeben zu müssen.

Diese Optimierung erreicht man nur mit einer regelmäßigen CO2-Messung, ansonsten bekommt der Anlagenbetreiber davon nichts mit. Was wir auch sehen konnten: Starke Temperaturschwankungen führen ebenfalls zu hohen CO2-Verlusten.

Woran liegt das?

Kazda: Temperaturschwankungen ergeben sich, wenn z.B. eine große Menge kalter Rohstoffe zugegeben wird. Anlagen mit einem hohen Gülleanteil leiden oft unter Temperaturschocks durch das Einbringen kalter Gülle. Ebenso wenig sollten sich die Temperaturen im Tages- und Wochenverlauf schnell ändern. Da wir mit dem Messsystem auch die Temperatur halbstündig erfassen, konnten wir in einigen Anlagen Schwankungen von 10 °C und mehr innerhalb von Stunden feststellen.

Die Archaeen sind aber auf eine möglichst konstante Temperatur angewiesen. Bei Kälteschocks verstoffwechseln sie das CO2 nicht entsprechend und es entweicht, die Methanbildung geht zurück. Es muss also das Bestreben des Betreibers sein, den Kohlenstoff möglichst lange im Prozess zu halten. Dazu gehört auch, dass die Rührtechnik effizient arbeitet. Sie muss die eingefüllten Substratblöcke gleichmäßig verteilen und auch für eine homogene Temperatur im Fermenter sorgen.

Welche Rückschlüsse kann der Betreiber aus dem CO2-Wert schließen?

Kazda: Ganz allgemein kann man sagen: Wenn der CO2-Wert niedrig ist, kann der Betreiber mehr füttern, um die Gasausbeute zu erhöhen. Ein zu hoher CO2-Wert zeigt an, dass der Prozess überlastet ist. Auch sind nicht nur einzelne Werte entscheidend, sondern auch die Dauer ihres Auftretens und der bisherige Verlauf: Ein länger anhaltender hoher Wert könnte auf eine Säureakkumulation schließen lassen, die zu einer Prozessstörung führt.

Schnell fallende Werte dagegen sind beispielsweise in Symptom für eine Unterbrechung der Substratzufuhr. Anhand der Veränderung des Wertes kann er feststellen, ob die zugeführte Menge richtig ist oder ob er sie reduzieren muss, um Effizienzverluste oder eine Prozessstörung zu vermeiden. Wir arbeiten jetzt an einer Weiterentwicklung, bei der der Betreiber Empfehlungen zur Zugabemenge erhält.

Welche Substrate eignen sich dafür?

Kazda: Das sind vor allem kohlenhydratreiche Substrate wie Zuckerrüben, aber auch Kartoffelschalen, Getreideschrot, Speisereste usw. Zudem sollte man die Maissilage nicht unterschätzen. Auch damit lässt sich gezielt eine höhere Gasbildung nach ca. vier Stunden herbeiführen.

Was sind Ihre Erkenntnisse aus den bisherigen Messungen?

Kazda: Das Messsystem haben wir in etwa 30 Anlagen getestet und entwickelt. Aktuell ist das System bei 10 Anlagen fest installiert. Der CO2-Wert ist für den Betreiber wichtig, um zu lernen, mit welchem Vorlauf man schnell vergärbare Substrate zuführt, um die Gasproduktion zum gewünschten Zeitpunkt zu erhöhen. Und es zeigt sich, dass das Beibehalten einer gleichmäßigen Temperatur bisher bei vielen Anlagen vernachlässigt wurde. Wer also die Gasproduktion über eine flexible Fütterung steuern will, sollte auch starke Temperaturschwankungen vermeiden, in dem er z.B. das Substrat vorwärmt.

Die Messung hilft nicht nur, die Gasproduktion kurzfristig zu erhöhen, sondern auch, die Gasproduktion vom Sommer in den Winter zu verschieben. Wenn ich im Winter mit der Substratzugabe bzw. der Raumbelastung an der Belastungsgrenze fahre, ist eine genaue und regelmäßige Überwachung nötig, um Abstürze zu vermeiden.

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