Der Thüringer Landtag hat am 18. Dezember 2020 durch eine Änderung des Thüringer Waldgesetzes beschlossen, Waldgebiete fortan wieder vollständig von der Windenergienutzung auszuschließen. „Damit scheint sich eine politische Tendenz zu entwickeln, die uns nachdenklich stimmt“, berichtet Holger Ohlenburg, Referent naturverträgliche Windenergie vom Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE). Die Politik sollte die Nutzung von Waldstandorten nicht generell ausschließen werden. Würden Besonderheiten bei Planung, Genehmigung, Bau und Betrieb von Windenergieanlagen umfassend beachtet, ist laut KNE eine naturverträgliche Nutzung der Windenergie auch auf dafür geeigneten Waldstandorten möglich.
Auch Bau auf Windwurf- und Käferholzflächen ausgeschlossen
So hatte der 2019 veröffentlichte „Aktionsplan Wald 2030“ der Thüringer Staatskanzlei empfohlen, insbesondere von Schädlingsbefall oder Windwurf betroffene Flächen zu berücksichtigen. Durch die Änderung des Thüringer Waldgesetzes sei dies nun nicht mehr möglich. Das erklärte Ziel des aktuellen Thüringer Klimagesetzes von einem Prozent der Landesfläche für die Windenergie soll fortan wieder ausschließlich auf Offenlandstandorten erreicht werden, was im waldreichen Thüringen schwierig werden dürfte.
In Nordrhein-Westfalen dürfen seit Juli 2019 Waldbereiche für die Windenergie nur in Anspruch genommen werden, wenn ein Bedarf nachgewiesen ist, der nicht außerhalb von Waldbereichen realisierbar ist. Bereits seit Mai 2018 ist in Nordrhein-Westfalen der seinerzeit erste Leitfaden zur „Windenergie im Wald“ von 2012 nicht mehr anzuwenden.
Angesichts der Änderungen in Thüringen und Nordrhein-Westfalen ist die Windenergienutzung auf Waldstandorten insgesamt nur noch in sechs Ländern zulässig: Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland.
Wald ist nicht gleich Wald
In den waldreichen Mittelgebirgsregionen sind Standorte in den Tal- und Niederungslagen häufig weniger windhöffig. Zudem liegen hier Offenlandstandorte oftmals näher an den Siedlungen. Geeignete windreiche Standorte liegen hingegen in den bewaldeten Höhenlagen. Dabei ist Wald nicht gleich Wald. Im Hinblick auf eine Nutzung von Waldflächen für die Windenergienutzung sollte laut KNE unterschieden werden zwischen intensiv forstwirtschaftlich genutzten und artenarmen Waldflächen sowie solchen mit hohem Anteil standortfremder bzw. nicht heimischen Baumarten einerseits und eher extensiv genutzten und vor allem naturnahen Wäldern andererseits. In letzteren sind die waldspezifischen Ökosystemfunktionen für die Pflanzen- und Tierwelt sowie die weiteren Naturgüter in der Regel deutlich höher ausgeprägt – auch die direkt dem Klimaschutz dienende Funktion als Kohlenstoffsenke. Insgesamt wiesen solche Waldflächen einen hohen naturschutzfachlichen Wert auf und sollten für die Windenergienutzung tatsächlich ausgeschlossen werden. Auch Schutz- und Erholungswälder sollten nur ausnahmsweise nutzbar sein.
Für die übrigen Waldflächen nach BWaldG, vor allem solche mit starker forstlicher Prägung, sollte jedoch eine Prüfung als geeigneter Standort für Windenergieanlagen (WEA) zugelassen werden, fordert das KNE. „Bei aller berechtigten Sorge um den deutschen Wald, seine biologische Vielfalt und seine unverzichtbaren Ökosystemleistungen: Ein pauschaler Ausschluss des Waldes als Standort für die Windenergienutzung beraubt uns wichtiger Möglichkeiten, dringend benötigte Flächen für den Ausbau der erneuerbaren Energien naturverträglich zu erschließen“, heißt es in einer Pressemitteilung des KNE.
Verschiedene Veröffentlichungen
Das KNE hat in einer neuen Auswahlbibliografie zum Thema „Windenergienutzung auf Waldstandorten“ aktuelle Veröffentlichungen, aber auch Positionen unterschiedlicher Akteure zusammengetragen, die einen Einstieg bzw. eine Vertiefung in das Thema ermöglichen. Eine Veröffentlichung des KNE zur naturverträglichen Planung und Errichtung von Windenergieanlagen im Wald enthält die übergreifenden Inhalte der besonders relevanten Studien und Veröffentlichungen der letzten Jahre sowie Hinweise auf laufende Forschungsvorhaben.