Mit fortschreitender Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie ist die Wasserkraft in die Diskussion geraten. „Von diversen Seiten wird daran gearbeitet, die älteste Erneuerbare-Energien-Technologie im Freistaat zu diskreditieren und zurückzudrängen und das mit einer zunehmenden Vehemenz“, stellt Michael Müller, Vorstandsmitglied der Vereinigung Wasserkraftwerke in Bayern (VWB) e.V., mit Bedauern fest. Dabei werde mit Regelmäßigkeit auf zwei Themen fokussiert: Wasserkraftanlagen seien die Hauptverursacher für eine mangelhafte Qualität der Gewässer und sie würden maßgeblich zur ungenügenden Durchgängigkeit von Flüssen beitragen, so die Kritiker.
Neue Studie zum Tötungsrisiko
Dazu gehört u.a. eine aktuelle Studie des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB). Sie zeigt, dass kleine Wasserkraftanlagen ökologisch problematisch sind – und oft unrentabel, würden sie mit dem notwendigen Fischschutz ausgerüstet. Die Forschenden raten, kleine Wasserkraftanlagen nicht über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) zu subventionieren, wenn nicht ein adäquater Fischschutz umgesetzt wird.
Das Forschungsteam hat in einem vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) geförderten Vorhaben einen Bewertungsindex zum Sterberisiko von Fischen an Wasserkraftanlagen entwickelt – analog zu den Bewertungsindizes, die das BfN bereits für andere Wildtiere ausgearbeitet hat; so beispielsweise für das Sterblichkeitsrisiko von Fledermäusen und Vögeln an Windkraftanlagen. Sie berücksichtigten alle im Süßwasser vorkommenden, einheimischen Fisch- und Neunaugenarten.
Danach besteht ein hohes Tötungsrisiko durch Wasserkraftanlagen für Arten, die lange Wanderdistanzen zurücklegen, wie Aal, Meerforelle oder Störe. Bei der Turbinenpassage nimmt die Wahrscheinlichkeit einer tödlichen Verletzung von abwandernden Fischarten mit der Körpergröße zu. Mortalitätsraten sind aber auch abhängig vom Turbinentyp; sie sind generell höher bei Francis- und Kaplanturbinen im Vergleich zu archimedischen Schnecken und Wasserrädern.
Internationales Forschungsprojekt mit Lösungsansätzen
Lösungsansätze hat jetzt eine Arbeitsgruppe aus 26 europäischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen entwickelt. Sie hat in dem vierjährigen EU-Projekt „FIThydro, Fishfriendly Innovative Technologies for Hydropower“, kurz „FIThydro“, die Auswirkung der Wasserkraftwerke auf die Ökosysteme und besonders auf Fische an 17 Standorten in acht Ländern untersucht. „Uns war wichtig, dass diese Standorte die Vielfalt der geografischen, hydromorphologischen und klimatischen Bedingungen widerspiegeln, damit unsere Ergebnisse auf unterschiedliche Wasserkraftwerke in Europa anwendbar sind“, erklärt Prof. Peter Rutschmann vom Lehrstuhl für Wasserbau und Wasserwirtschaft an der Technischen Universität München (TUM).
Sie sammelten zunächst Daten wie Lebensdauer, Reproduktionszahl und Wanderverhalten der Fische sowie deren Anforderungen an den Lebensraum, wie zum Beispiel die Temperatur und Fließgeschwindigkeit des Gewässers. Mit Hilfe dieser Daten wurden Toleranzschwellen für die Auswirkungen von Wasserkraftwerken auf einzelne Fischarten ermittelt. Diese können von Wasserkraftwerksbetreibern dazu genutzt werden, Schutzmaßnahmen zu evaluieren und zu planen.
Auch was den Fischaufstieg und -abstieg betrifft, existieren noch Wissenslücken. Etwa welche Fischtreppe für welche Arten geeignet ist oder welche Bedingungen dazu beitragen, dass die Fische den Einstieg finden.
Entscheidungshilfen für Wasserkraftwerks-Betreiber
Der zweite Teil des Projekts beschäftigte sich mit möglichen Maßnahmen, die Kraftwerke nachzurüsten – und mit Entscheidungshilfen für die Betreiberinnen und Betreiber alter sowie Planerinnen und Planer neuer Wasserkraftwerke. „Diese Entscheidungen sind sehr komplex“, sagt Rutschmann. „Das Kraftwerk und die standortspezifischen Bedingungen spielen eine Rolle, aber es müssen auch die gesetzlichen Vorgaben auf nationaler und EU-Ebene eingehalten werden. Für die Betreiber ist es natürlich wichtig, dass die Maßnahmen effektiv und kosteneffizient sind.“
Die Lehrstühle für Produktions- und Ressourcenökonomie und für Aquatische Systembiologie der TUM haben in Zusammenarbeit mit der norwegischen Forschungsorganisation SINTEF daher eine systematische Kostenanalyse erstellt. Die Kostenübersicht beinhaltet unter anderem Daten zur Fließgewässerrenaturierung, Fischwanderhilfen, Fischschutzeinrichtungen sowie dem Sedimentmanagement. Diese Übersicht hilft dabei, die bestmöglichen und kostengünstigsten Lösungen zur Minimierung der Auswirkungen eines Wasserkraftwerkes zu finden.
Öffentlich zugängliche Onlinetools
Eines der Hauptergebnisse des Projekts ist das „FIThydro Decision Support System“, das bei der Planung und Beurteilung von Wasserkraftwerken eingesetzt werden kann. In das Onlinetool können Angaben über den Typ des Kraftwerks, seinen Standort, die Fische, die in den Gewässern leben und andere Besonderheiten eingegeben werden. Unter Berücksichtigung der umweltpolitischen Vorgaben und internationalen Richtlinien errechnet die Software mit diesen Daten den Grad der Umwelt- und Fischgefährdung und empfiehlt Verbesserungsmaßnahmen.
Wasserkraftverband wehrt sich gegen pauschale Kritik
„Viele pauschale Schuldzuweisungen greifen zu kurz“, sagt Otto Mitterfelner, Mitglied des Vorstands des Landesverbandes Bayerischer Wasserkraftwerke (LVBW) eG. „Dabei wird vernachlässigt, dass diverse andere Faktoren in der Summe einen viel größeren Einfluss auf den Zustand der Gewässer haben als unsere Anlagen.“ Zudem würden die vielen positiven Effekte und wichtigen Funktionen von Wasserkraftanlagen, die sie zusätzlich zur klimaschonenden Energieerzeugung haben, nicht berücksichtigt. Angefangen mit dem Hochwasserschutz über die Grundwassersicherung bis hin zur Schaffung von Biotopen.