Was vor 25 Jahren als Tag der offenen Tür für Erneuerbare-Energien-Anlagen in der Gemeinde Bad Oederan begann, ist heute zu einem bundesweiten Aktionstag mit großer Reichweite geworden – in Gedenken an die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl am 26. April 1986. „Der gestrige ‚Tag der Erneuerbaren Energien‘, zeigt, dass es ein großes Spektrum umwelt- und klimafreundlicher Alternativen zur Atomkraft und auch zu fossilen Energiequellen gibt, die keine gefährlichen Altlasten hinterlassen, kostengünstig sind und zur regionalen Wertschöpfung beitragen“, sagte Dr. Simone Peter, Präsidentin des Bundesverbandes Erneuerbare Energien. Wind, Solar und Biogas seien mittlerweile nicht nur Stromproduzent Nr. 1 in Deutschland, sondern böten auch Beschäftigung für 300.000 Menschen.
Anlagenbetreiber vermissen Wärmestrategie
Allerdings stehen der Branche immer mehr Herausforderungen gegenüber. Beispiel Biogas: Die Anlagen gehören zu den vielseitigsten Akteuren unter den erneuerbaren Energien, brauchen zur vollen Potenzialentfaltung aber deutlich mehr politische Unterstützung als bislang.
Peter Beeken, Geschäftsführer der Erste Biogas Ocholt GmbH & Co. KG aus Westerstede richtete beim Besuch von Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies zur Eröffnung des Tages der Erneuerbaren Energien klare Worte an die Landesregierung: „Biogasanlagen tragen dazu bei, dass Niedersachsen seine Klimaschutzziele erreicht. Gleichzeitig schafft die Branche Arbeitsplätze und sorgt für Wertschöpfung vor Ort. Wir haben aber mit einer ganzen Reihe von Problemen zu kämpfen.“ So fehlt den Betreibern laut Beeken beispielsweise eine ganzheitliche Strategie für das Thema Wärme. „Das merken wir vor allen Dingen bei Abschaltungen und im jetzigen Einspeisemanagement. Auch beim geplanten Redispatch 2.0 gibt es keine Strategie für Wärmelieferungen. Dabei werden allein an diesem Standort gutachterlich bestätigt das CO2-Äkquivalent von 600.000 Liter Heizöläquivalent eingespart.“ Hier müsse sich die Bundesnetzagentur stärker zugunsten der Anlagenbetreiber engagieren.“
Jokerfunktion nutzen
Biogas kann laut Beenken als Ausgleichsenergie zu Wind und Sonne eingesetzt werden. Dafür müssen aber die Abrufe und die Finanzierung vernünftig sein. „Leider wird der flexible Einsatz nicht genügend abgefragt und wird auch nicht lokal geregelt“, kritisiert er.
Ein weiteres Problem: Pflanzliche Inputstoffe und auch Gülle seien aufgrund ihrer geringeren Energieleistung unwirtschaftlich, zumal die Lagerproblematik nicht geklärt sei. Dabei leiste gerade der Einsatz von Gülle einen erheblichen Beitrag zur Treibhausgasminderung.
Peter: "Die restliche Legislaturzeit nutzen"
Auch BEE-Präsidentin Peter fordert mehr Unterstützung von der Politik. So müssten die neuen EU-Klimaziele in konkrete nationale Maßnahmen für die weitere Stromwende, die Gebäudesanierung mit Heizungsaustausch sowie die Verkehrswende und die industrielle Erneuerung übersetzt werden. „Die letzten Monate der Legislatur sind jetzt noch zu nutzen, statt wichtige Zeit zu vergeuden“, so Peter. „Durch die Haushaltsfinanzierung des EEG zur Deckelung der Umlage hat man sich ohne Not in EU-Abhängigkeit begeben, was weitreichende Folgen auf das EEG und die nationale Gestaltung hat. Den gleichen Effekt hätte man durch die Verschiebung der Industrieprivilegien in den Bundeshaushalt als Wirtschaftsförderhilfe und die Absenkung der Stromsteuer auf das europarechtlich mögliche Minimum erreicht, ohne dass das EEG zur Beihilfe geworden wäre.“ Es sei höchste Zeit, den Strommarkt und mit ihm die Ablagen und Umlagen zu reformieren, so dass die Kostenvorteile der Erneuerbaren endlich bei allen Verbrauchern ankommen.
Russische Aktivitäten in der Atomindustrie
Angesichts des Gedenktages an die Tschernobylkatastrophe von 1986 warnt Sylvia Kotting-Uhl (Grüne), Vorsitzende des Umweltausschusses, vor einem Aufweichen des beschlossenen Atomausstiegs: „Vor wenigen Wochen wurde der klammheimliche Einstieg eines russischen Staatskonzerns in die Atomfabrik im niedersächsischen Lingen bekannt. In der Brennelementefabrik könnte nun zukünftig Brennstoff für Risikomeiler in Osteuropa und die Krisenregion Ukraine produziert werden.“ Statt diese Geschäftemacherei zu verhindern, ließe die Bundesregierung die Öffentlichkeit im Dunkeln. Sie öffne damit dem russischen Konzern die Türen zum europäischen Atommarkt. „Nach der Genehmigung von Uran-Exporten nach Russland, die nach EU-Recht verboten sind, ist das bereits das zweite Mal, dass zuständige Behörden und Wirtschaftsministerium durch ihre laxe Vorgehensweise auffallen. Solch ein Vorgehen ist gefährlich“, warnt sie
Die Bundesregierung müsse endlich für Transparenz sorgen und die Atomgeschäfte hierzulande einschränken. Zudem dürfe sie nicht tatenlos zusehen, wie im Ausland Laufzeitverlängerungen einfach hingenommen würden. Deutschland müsse auf die bestmögliche Sicherheit der Anlagen drängen und sich auf EU-Ebene gegen die Förderung der Atomkraft einsetzen, so Kotting-Uhl: „Nur so kann ein echter und konsequenter Ausstieg aus der Atomkraft gelingen.“