Ein Leserbrief zur aktuellen Situation in der Biogasbranche und zu politischen Entscheidungen bezüglich Nachfolgeregelungen:
Ich betreibe seit 2004 am Ortsrand eine Biogasanlage, die von 65 KW auf 250 KW gewachsen ist, im Einklang mit Anwohnern und Kollegen betrieben wird und anliegende Häuser mit Wärme versorgt. Die Politik hatte uns mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2004 eine gute Einkommensalternative ermöglicht, die ich mit vielen Gründerkollegen damals gerne angenommen habe. Niemals hätte ich gedacht, dass man so eine gute Sache innerhalb von 10 bis 15 Jahren an die Wand fahren kann.
"Nachfolgekonzept fehlt"
Durch einen „Webfehler“ im Gesetz haben viele Landwirte die Chance genutzt, ihre Anlagen mit größtmöglicher Kapazität auf die grüne Wiese zu stellen. Mit den wachsenden Widerständen der Kollegen (z.B. zur Pachthöhe), der Verunsicherung der Bevölkerung (Stichwort: Maiswüste, Konkurrenz zu Nahrungsmitteln, Monokulturen usw.) verhinderte die Politik mit Gesetzesänderungen den ungezügelten Zubau von Anlagen auf Basis von nachwachsenden Rohstoffen.
Daraufhin hat die Branche mit der Aussicht auf Boni und Zulagen nach meiner Ansicht viele zweifelhafte Alternativen ausgedacht, wie z.B. Gärresttrocknung oder die Flexibilisierung, die viele kleine Anlagen z.B. wegen der Ortsrandlage oder der Einspeise-Infrastruktur nicht umsetzen wollen oder können. Es fehlt ein Nachfolgekonzept, mit dem auch für kleine Anlagen mit kaum oder nicht durchführbarer Flexibilisierung ohne „bürokratisches Monstrum“ ein wirtschaftlicher Betrieb möglich ist.
"Flexibilisierung nicht sinnvoll"
Die bestehenden Altanlagen, die aus vielen Gründen nicht nach oben flexibilisieren, also ihre Leistung „überbauen“ können, müssen jetzt in der Ausschreibung für eine Nachfolgevergütung die Einspeisejahresleistung auf 45 % ihrer bisherigen Bemessungsleistung reduzieren. Flexibilisierte Anlagen mögen für unser Stromnetz sinnvoll sein, aber wie soll ich mein bestehendes, im Winter zu 100 % ausgelastetes Wärmenetz mit 45 % Leistung bedienen? Mit der Reduzierung um 55 % wird bei vielen kleinen Altanlagen sehr viel Grundlastpotenzial regelrecht verschenkt oder verbrannt.
Zur echten Energiewende gehört auch, mit Rückendeckung der Politik und Bevölkerung neue angepasste Nawaro-Grundlastbiogasanlagen in bestehende Ortsstrukturen mit Potenzial für sinnvolle Wärmenetze, einfache und direkte Stromvermarktung auch an Endverbraucher und der Verwertung von Gülle, Mist zuzubauen. Das würde die Wertschöpfung in der Region erhöhen, für viele Landwirte, Anwohner mit Nahwärmeanschluss und auch Firmen aus dem Anlagenbau, Wartung und Service.
Dagegen wird mit der bevorstehenden, fast unwirtschaftlichen Stromvergütung und der teils halbierten Anlagenleistung bewusst das Aus der Kleinanlagen in Kauf genommen, die ursprünglich mal das Aushängeschild der politischen Erfinder der Nawaro-Biogasanlagen waren.
Markus Fischer, Oberschwaben
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