Frage: „Ich habe eine 75 kW-Biogasanlage auf Basis von Gülle. Da ich mit 500 Kühen plus Nachzucht genügend Gülle besitze, könnte ich die Anlage auf 100 kW aufstocken. Die zusätzlich erzeugte Strommenge von 200.000 kWh würde ich zur Eigenstromversorgung im Betrieb nutzen, da wir einen Stromverbrauch von 250.000 kWh im Jahr haben. Ist das rechtlich möglich und was muss ich bezüglich Aufstockung und Eigenverbrauch beachten?“
Antwort von Rechtsanwalt Dr. Helmut Loibl
Bei der Einschätzung kommt es sehr genau darauf an, wann eine solche Güllekleinanlage in Betrieb genommen wurde: Der Gesetzgeber hat in den einzelnen Erneuerbare-Energien-Gesetzen (EEG) sehr unterschiedliche Vorgaben gemacht und es versäumt (oder bewusst unterlassen), den jeweils älteren Anlagen die Möglichkeiten zu geben, die neueren Regelungen zu nutzen.
Abhängig vom EEG
Das bedeutet:
- EEG 2012: maximale (installierte) Leistung 75 kW,
- EEG 2014: maximale (installierte) Leistung 75 kW,
- EEG 2017: maximale installierte Leistung 150 kW, Bemessungsleistung 75 kW (Achtung: ab 100 kW ist eine „doppelte Überbauung“ nötig)
- EEG 2021: maximale installierte Leistung 150 kW, aber auch hier: ab 100 kW ist eine doppelte Überbauung nötig. Hier ist es sinnvoll, nur 99 kW zu installieren, da der Strom bis zu dieser Leistung komplett eingespeist werden kann. Ab 100 kW darf nur die Hälfte des produzierten Stroms eingespeist werden.
Eigenverbrauch zählt dazu
Während es vor dem EEG 2012 immer auf die eingespeiste Strommenge ankam, ist die Leistung ab dem EEG 2012 auf die erzeugte kWh bezogen, d.h., auch der selbst genutzte Eigenstrom zählt zur Anlagenleistung dazu. Die Folge für Anlagen nach dem EEG 2012 und 2014: Wenn hier mehr als 75 kW installiert werden, um den Strom als Eigenstrom zu nutzen, entfällt komplett die gesamte Güllekleinanlagenvergütung!
Im EEG 2017 könnten Sie zwar auf 99 kW erweitern, aber der Eigenstrom reduziert die zulässige Höchstmenge von 75 kW, sodass diese Erweiterung letztlich ins Leere laufen würde oder Sie massive Vergütungsverluste hinnehmen müssten. Beispiel: Wenn Sie Ihre 75 kW-Anlage um 25 kW erweitern (lässt sich besser rechnen als 24 kW), würden Sie die zulässige Menge um ein Viertel überschreiten. Entsprechend würden Sie nur für 56 kW eine Vergütung erhalten. Grund: Netzbetreiber setzen eine Überschreitung immer ins Verhältnis. Es wäre sogar denkbar, dass Netzbetreiber den gesamten Vergütungsanspruch streichen, wenn die Bemessungsleistung (einschl. Eigenstrom) von 75 kW überschritten wird. Einen derartigen Fall hatten wir in der Praxis noch nicht.
Ausnahme: Neuanlagen ab 2021
Bei einer Anlage, die nach dem EEG 2021 Strom erzeugt, dürften Sie die installierte Leistung bis 99 kW erweitern und diese dann auch produzieren, egal, ob dieser Strom eingespeist oder selbst genutzt wird. Bei mehr als 100 kW installierter Leistung dürften Sie wiederum nur die Hälfte der jeweils installierten Leistung produzieren. Das gilt aber nur für Neuanlagen seit dem 1.1.21. Ob hier der Eigenverbrauch wirtschaftlicher ist als die Einspeisevergütung, müssten Sie im Einzelfall prüfen.
Fazit: Auch wenn Ihre Überlegung betrieblich und energiewirtschaftlich sinnvoll wäre, ist eine Erweiterung von älteren 75 kW-Anlagen nicht möglich.
Dr. Helmut Loibl, Paluka Rechtsanwälte