Einloggen / Registrieren

Startseite

Schlagzeilen
Newsletter
Messen & Termine
Themen
Wir für Euch
Heftarchiv
Sonstiges

Start der Ernte 2024 Agrarpaket der Bundesregierung Pauschalierung

topplus Kleinwasserkraft

Memorandum: Wissenschaftler empfehlen Förderstopp für Kleinwasserkraft

65 Wissenschaftler bemängeln, dass Wasserkraft Strom auf Kosten der Artenvielfalt erzeuge. Die Branche kritisiert den einseitigen Blick, der die Anforderungen der Energiewende ignoriere.

Lesezeit: 5 Minuten

Die Wasserkraftnutzung ist unstrittig ein wesentlichen Grund dafür, weshalb Deutschland verbindliche Umweltziele im europäischen Biodiversitäts- und Gewässerschutz verfehlt, z.B. die der EG-Wasserrahmenrichtlinie und der Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie. Das zumindest betonen 65 Fachwissenschaftler aus 30 Institutionen in dem wissenschaftlichen Memorandum „Energiewende nicht auf Kosten der aquatischen Biodiversität“. Daher empfehlen die Wissenschaftler sieben umweltpolitische Initiativen, um die Wasserkraftnutzung mit den gesetzlichen Zielen des Gewässer- und Biodiversitätsschutzes zu harmonisieren und so Zielkonflikte zwischen Klima- und Biodiversitätsschutz zu entschärfen.

„Wasserkraft ist zwar erneuerbar, aber nicht unbedingt umweltfreundlich“, unterstreicht Dr. Martin Pusch, Wissenschaftler am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), der das institutionsübergreifende Memorandum der Fachwissenschaftler koordiniert hat.



Das Wichtigste zum Thema Energie freitags, alle 4 Wochen per Mail!

Mit Eintragung zum Newsletter stimme ich der Nutzung meiner E-Mail-Adresse im Rahmen des gewählten Newsletters und zugehörigen Angeboten gemäß der AGBs und den Datenschutzhinweisen zu.

Rückbau von Kleinwasserkraftwerken gefordert

Nach Ansicht der Forscher beeinträchtigen alle Wasserkraftwerke den ökologischen Zustand der genutzten Bäche und Flüsse erheblich. Extrem sei dies jedoch bei der Kleinwasserkraft: Es gäbe einen geringen gesellschaftlichen Nutzen aufgrund der geringen Stromerzeugung. Die über 7.800 Kleinwasserkraftwerke in Deutschland mit unter 1 Megawatt Maximalleistung hätten 2020 weniger als 0,5 Prozent zur deutschen Stromproduktion beigetragen, sie seien daher für Klimaschutz und Energiewende unbedeutend. Dafür gäbe es aber hohe ökologische Kosten durch massive Umweltschäden. Durch ihre hohe Zahl belasteten sie den ökologischen Zustand von etwa einem Drittel der deutschen Fließgewässer gravierend. Daher sei eine öffentliche Unterstützung von Kleinwasserkraftanlagen über Umlagen oder Förderungen umweltschädlich, im Sinne der Energiewende ineffizient und makroökonomisch unwirtschaftlich.

Sorge um Wanderfische

Die Folgen, die die Wissenschaftler aufführen:

  • Wichtige Ökosystemleistungen der Gewässer für Umwelt und Gesellschaft wie zum Beispiel natürlicher Hochwasserschutz, stabiler Landschaftswasserhaushalt, Selbstreinigung, Kühlwirkung und wassergebundene Naherholung seien mit Kleinwasserkraft nicht möglich.
  • Wasserkraft gefährde Wanderfische wie Aal, Lachs, Huchen, Maifisch, Meerforelle, Schnäpel oder Stör, die bei der Wanderung die Wehre und Staudämme von Wasserkraftanlagen häufig nicht überwinden könnten.
  • Zudem erlitten viele Fische bei der Abwanderung wegen unzureichender Schutzeinrichtungen an den Turbinen der Wasserkraftwerke schwere äußere und innere Verletzungen.

Das Memorandum finden Sie hier.

Branchenverband: "Klimaschutz hilft Artenschutz"

Den Forderungen der Wissenschaftler entgegnet Hans-Peter Lang, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Wasserkraftwerke (BDW) e.V.: „Klimaschutz ist die Grundvoraussetzung für Umwelt- und Artenschutz. Die rund 8.300 Wasserkraftanlagen in Deutschland sind eine bedeutende Säule des Klimaschutzes, sie leisten einen wichtigen Beitrag zur CO₂-Reduktion und zur versorgungssicheren Energiewende in Deutschland.“

Regional unterschiedliche Anteile

Der prozentuale Anteil der im Memorandum genannten 3,3 % an der Stromerzeugung in Deutschland ist differenziert zu betrachten. In einigen Bundesländern liegt er deutlich höher, so zum Beispiel in Bayern, wo die Wasserkraftanlagen 16 % des im Bundesland benötigten Stroms erzeugen. Daneben kommt es gerade nicht auf das absolute Maß der Stromeinspeisung an, sondern auf die Diversifizierung und Dezentralisierung der Energieerzeugung als Vorbeugung gegen den Klimawandel. „Die Wasserkraft hat mit ihrer grundlastfähigen, zuverlässigen und planbaren Produktion eine hohe Lieferqualität, was für eine erfolgreiche Energiewende unerlässlich ist“, betont Lang.

Der bloße Blick auf Leistung und Kilowattstunde werde der Bedeutung der Wasserkraft für die qualitativen Aspekte wie Netzstabilität und Systemdienstleistungen nicht gerecht. Tatsächlich sei die Intention des Memorandums nicht nachvollziehbar. An gerade einmal 13 % aller Querbauwerke in der Bundesrepublik findet eine Wasserkraftnutzung statt. Die Fokussierung auf die kleine Wasserkraft lasse die komplexen Einflüsse der seit Jahrhunderten bestehenden urbanen Überprägung der deutschen Flüsse völlig außer Betracht. Auch die Wasserrahmenrichtlinie bezwecke nicht die Herstellung vollkommen unbeeinflusster Gewässer, sondern fordert eine standörtliche und ausgewogene Gewässerbewirtschaftung.

Querbauwerke bleiben erhalten

Selbst bei der Entfernung einer Wasserkraftanlage bleibe das Querbauwerk in den meisten Fällen aus Gründen des Hochwasserschutzes und der Gewässerregulierung erhalten. Die Forderung nach Abriss der Anlagen laufe daher ins Leere. Dies zeige auch den mehrheitlich rein biologischen Blick der Unterzeichner auf die Gewässer. „Wichtige Aspekte wie Wasserwirtschaft, Energieerzeugung, Gewässerbau und Gewässerentwicklung wurden komplett außen vor gelassen. Angesichts der Dürren der vergangenen Jahre muss die Rolle der Wasserkraftnutzung auch in einem System der Erhaltung des Umwelt- und Artenschutzes neu gedacht werden“, fordert der Präsident.

Auch das Jahrhunderthochwasser in einigen Regionen im Westen Deutschlands erfordere einen neuen Blick auf die Stauhaltungen, da sie verhinderten, dass das Wasser bei heftigen Niederschlägen in den Gewässern in extremer Geschwindigkeit fließt. Synergien und Potenziale zur Wasserkraftnutzung und deren Einbindung in ökologische Strategien seien möglich und sollten das Ziel eines ganzheitlichen Umwelt- und Klimaschutzes sein.

Angebot zum Dialog

Die Wasserkraftverbände und Betreiber von Wasserkraftanlagen böten hier einen fachlichen Dialog im Sinne eines nachhaltigen und zukunftsweisenden Klima- und Artenschutzes an. Der Nutzen der Wasserkraft sei von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung und nicht pauschal auf die Erzeugung von Energie beschränkt. Langs Resümee: „Die Nutzung der Wasserkraft in einem ökologisch-ökonomischen Gleichgewicht ist möglich und ein wichtiger Baustein nicht nur der Energiewende, sondern auch des Umwelt- und Artenschutzes.“

Mehr zu dem Thema

Wie zufrieden sind Sie mit topagrar.com?

Was können wir noch verbessern?

Weitere Informationen zur Verarbeitung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.

Vielen Dank für Ihr Feedback!

Wir arbeiten stetig daran, Ihre Erfahrung mit topagrar.com zu verbessern. Dazu ist Ihre Meinung für uns unverzichtbar.