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Wolf Maisernte Gülle und Wirtschaftsdünger

topplus Pflanzenkohle im Weinberg

"Pflanzenkohle ist mehr als CO₂-Fixierung!"

Ron Richter von der Firma klimafarmer sieht noch großes Potenzial für die Anwendung von Pflanzenkohle in der Landwirtschaft. Im top agrar-Interview beschreibt er auch aktuelle Herausforderungen.

Lesezeit: 7 Minuten

Die klimafarmer GmbH aus Nierstein (Rheinland-Pfalz) setzt sich für eine klimaschonende Kreislaufwirtschaft ein. Die 2020 gegründete Firma entwickelt und vermarktet Produkte, die das Klimafarming unterstützen. Dazu gehören u.a. torffreie Kultursubstrate, Bodenhilfsstoffe sowie Natur- und Spezialdünger auf Basis von Pflanzenkohle. Für das Konzept „Klimawinzer“ ist die Firma in diesem Jahr mit dem „Preis für Nachhaltigkeit Rheinhessen“ im Rahmen der AgrarWinterTage (Mainz) ausgezeichnet worden. Das Konzept basiert auf der Nutzung biogener Reststoffe aus dem Weinbau, welche für die Erzeugung von Pflanzenkohle und zur Herstellung betriebseigener Bodenverbesserer genutzt werden. Wir sprachen mit Geschäftsführer Ron Richter über das Konzept und die Chancen, die er für die Anwendung von Pflanzenkohle in der Landwirtschaft sieht.

Sie haben den Nachhaltigkeitspreis der Agrarwinzertage erhalten für Ihr Konzept „Klimawinzer“. Um was handelt es sich dabei?

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Richter: Mit dem Konzept lösen wir drei drängende Probleme im Weinbau: Die zunehmende Abnahme der Bodenqualität von Weinbergsböden, die Verbreitung von Virus- und Pilzkrankheiten über infizierte Rebstöcke sowie die umweltschonende Verwertung von Ernteresten wie Traubentrester oder Rebholz. Das Konzept basiert zusammengefasst darauf, dass wir die holzige Biomasse wie Rebschenkel und Wurzeln, die beim Roden von Weinbergen anfallen, oder den jährlich anfallenden Rebschnitt mittels Pyrolyse zu Pflanzenkohle verarbeiten. Bei 600 bis 700 °C werden mögliche organische Schadstoffe und potenzielle Infektionsrisiken eliminiert. Anstatt die freiwerdende Energie durch Verbrennung am Feldrand verpuffen zu lassen und Feinstaub und CO2 zu emittieren, wird die regenerativ erzeugte Prozesswärme genutzt und der im Ausgangsmaterial enthaltene Kohlenstoff fixiert. Die erzeugte Pflanzenkohle lässt sich ideal mit Traubentrester oder anderen Wirtschaftsdüngern verarbeiten und bedarfsgerecht im Weinberg ausbringen. Dies dient der Bodenverbesserung, reduziert Nährstoffauswaschung und erhöht die Wasserhaltekraft der Weinbergsböden.

 

Warum ist eine Mischung von Pflanzenkohle und Trester nötig?

Richter: Traubentrester ist ein Rückstand, der bei der Kelterung der Trauben entsteht. Pro Hektar fallen jährlich ca. 2 bis 3 t davon an. Trester enthält Stickstoff und Phosphat und ist somit ein Düngemittel. Er wird aber laut Düngeverordnung als Ernterückstand eingestuft und unterliegt damit nicht den Bestimmungen der Verordnung, wenn er innerhalb von fünf Tagen nach der Kelterung ausgebracht wird.

Wegen des immer kürzer werdenden Erntefensters der Weinlese, die heute nicht selten innerhalb von zwei Wochen erfolgen muss, hat kaum ein Betrieb ausreichend Zeit, sich um die Rückführung des Tresters auf der Ursprungsfläche zu kümmern. Wird der Trester behelfsmäßig zwischengelagert, kann dies mit unkontrollierten Nährstoffeinträgen oder sogar mit Fäulnis sowie Methan- und Lachgas-Emissionen verbunden sein.

Die Beimischung von Pflanzenkohle kann hier gegensteuern, wertvolle Nährstoffe puffern und Fäulnis unterbinden. Wir „Bokashieren“ den Trester im Herbst. Dazu setzen wir dem Traubentrester u.a. Pflanzenkohle, Gesteinsmehl und Milchsäurebakterien zu. Die Mischung wird über eine Milchsäuregärung, ähnlich wie bei der Sauerkrautherstellung, fermentiert und haltbar gemacht. Es entsteht ein Vitalhumus, der sich im Frühjahr ausbringen lässt – zu einer Zeit, in der die Pflanzen die Nährstoffe gut aufnehmen und verwerten können.

Ist diese Mischung die einzige Möglichkeit, Pflanzenkohle im Weinberg auszubringen?

Richter: Nein, das dient vor allem dazu, den Trester möglichst effektiv und ohne negative Einflüsse auf Boden und Umwelt zu verwerten. Die Menge beschränkt sich auf die jährlich anfallende Trestermenge mit einem Anteil von rund 10 % Pflanzenkohle. Will man dagegen den Boden im Weinberg großflächig verbessern, wird eine Einmalgabe von 10 t aktivierte Pflanzenkohle pro Hektar für die Neuanlage empfohlen. Im Bestand sind es je nach Bodenzustand rund 5 t, die kombiniert mit Grünschnittkompost oder anderen lokal verfügbaren Wirtschaftsdüngern ausgebracht werden.

Was bedeutet aktivierte Pflanzenkohle?

Richter: Pflanzenkohle ist ein Rohstoff, der erst für die gewünschte Anwendung vorbereitet werden muss. Streng genommen müsste man dabei nicht von Aktivierung, sondern eher von einer »Initialisierung« sprechen. Die Kohle wird dabei mit organischen Nährstoffen beladen und mikrobiell belebt. Das ist notwendig, weil die Rohkohle im Acker erst einmal Nährstoffe bindet und damit den Pflanzen entzieht. Auch die Struktur unterscheidet sich: Während man bei lehmigen Ackerböden eher eine gröbere Körnung benötigt, muss sie als Zuschlagstoff für Gülle oder eingesetzt als Futterkohle eher fein gemahlen sein.

Lohnt es sich für den Winzer, eine eigene Pyrolyse anzuschaffen? Oder kauft man die Kohle besser zu?

Richter: Auch hierbei gibt es keinen Königsweg. Es gibt kleinere Anlagen für den diskontinuierlichen Betrieb, die schon für rund 40.000 € zu haben sind. Die Kohlequalität ist top, aber die Bedienungen sind zeitaufwendig. Eine größere Anlage mit kontinuierlichem Betrieb und einer Jahresproduktion von rund 500 t liegt mit der erforderlichen Anlagen-Peripherie und Unterstand schnell über 1 Mio. €. Dies ist interessant für Winzergenossenschaften oder ein Zusammenschluss größerer Weinbaubetriebe mit einem Eigenbedarf an Wärme oder der Möglichkeit in ein Wärmenetz einzuspeisen.

Die Betreiber sollten auch Zugriff auf Biomasse haben, denn der Abschnitt von Rebholz aus einem Weingut reicht zur Auslastung einer solchen Anlage nicht aus. Schadholz aus Forst oder kommunaler Baumschnitt sind interessantes Inputmaterial. Für einen Output von 500 t Kohl benötigt man in etwa das Vierfache an Inputmaterial, also rund 2.000 t Biomasse. Eine dritte Möglichkeit ist es, dass der Winzer die eigene Biomasse bei uns in Lohn karbonisieren lässt. Pionier ist hier das VDP Weingut Schloss Vollrads (Rheingau), für das wir gerodete Reben von ca. 3 ha Weinberg karbonisieren.     

Welche Biomasse lässt sich neben Reb- oder Waldholz noch einsetzen?

Richter: Geeignet sind vor allem ligninreiche Materialien, wie wir sie in der Landwirtschaft häufig haben. Nussschalen und Kerne, Spelzen, Maisspindeln oder andere Ernterückstände. Sogar Gärrest oder Hühnerkot und Pferdemist könnte man verwenden. Mit den hohen Temperaturen von bis zu 700 °C lassen sich Medikamentenrückstände oder Krankheitskeime eliminieren und einen hygienisierten, lager- und transportwürdigen Dünger herstellen.

In Deutschland ist Pflanzenkohle als Bodenhilfsstoff nach der Düngemittelverordnung nur mit einem Kohlenstoffanteil von 80 % zugelassen. Laut Experten ist dieser nur mit Waldholz zu erreichen. Hemmt das nicht die Reststoffnutzung?

Richter: In der Tat limitiert dies die Vielfalt an Inputstoffen. Holzige Reststoffe aus der Landwirtschaft oder der Lebensmittelindustrie werden damit kategorisch ausgeschlossen, wobei doch genau hier das Potenzial liegt. Leider ist für einen Großteil der Behörden Pflanzenkohle immer noch Neuland, trotz mittlerweile über 5.000 wissenschaftlichen Veröffentlichungen, die die Wirkung und den Nutzen im Detail beschreiben.

Pyrolyse-technologie „Made in Germany“ mit dem entsprechenden Know-how wandert als Folge in Länder ab, die das Potenzial erkannt haben und für sich nutzen. Beispiele dafür sind Schweden und Dänemark, die massiv im Bereich der Klärschlamm-Karbonisierung investieren sowie in die Speicherung von Kohlenstoff durch Pflanzenkohle.

 

Wie bewertet die EU Pflanzenkohle als Düngemittel?

Richter: Seit 2022 ist Pflanzenkohle Bestandteil in der neuen EU-Düngemittelverordnung. Hier werden auch entsprechende Qualitäten definiert für die Nutzung auf landwirtschaftlichen Flächen. Nach EU-Öko-Verordnung ist Pflanzenkohle aus pflanzlicher Biomasse bereits seit 2020 auf der Positivliste.

Neben den gesetzlichen Vorschriften setzen wir ergänzend auf den freiwilligen Industriestandard des European Biochar Certificate. Das EBC definiert neben der Qualität auch die Kohlenstoff-Senkenleistung der jeweils hergestellten Pflanzenkohle.

Für den Klimaschutz kommt ja auch immer stärker das Thema CO₂-Festlegung ins Spiel. Humusaufbau mithilfe von Pflanzenkohle gilt als interessante Möglichkeit. Ist das auch ein Treiber für den Einsatz?

Richter: CO2 bekommt mit Pflanzenkohle als natürlicher Kohlenstoffspeicher erstmals eine berechenbare und wahrnehmbare Gestalt. Der Rohstoff hilft dabei, das eigene Tun sichtbar zu machen. Pflanzenkohle sollte allerdings nicht auf das Thema C-Senke reduziert werden. In unserer Beratung steht der pflanzenbauliche Nutzen im Vordergrund. Denn nur, wenn es gelingt, dass die Anwendung Teil der „guten landwirtschaftlichen Praxis“ wird, können die gesteckten Klimaziele erreicht und die erforderlichen Mengen CO2 aus der Atmosphäre entfernt werden. Dabei sind Pflanzenkohle und die Technologie kein Allheilmittel, sondern vielmehr ein Baukasten, der je nach betrieblichen oder regionalen Erfordernissen von einzelnen Betreibern, Genossenschaften bis Kommunen angepasst und angewendet werden kann.

 

Reicht die Finanzierung über den Verkauf von CO₂-Zertifikaten aus?

Richter: Die Bodenpflege ist komplex, kostet Zeit und Geld und wirkt sich nicht direkt auf den Betriebsgewinn aus wie erforderlich. Es ist vielmehr ein Invest in den Boden, nicht nur in die Ertragssicherung, sondern vor allem auch in die Artenvielfalt sowie in die Entlastung und Regeneration bereits überstrapazierter Ökosysteme. Die Finanzierung dieser Investition ist dabei eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Verkaufserlöse über CO2 Zertifikate aus dem Pflanzenkohle-Einsatz sowie Humusaufbau können finanziell unterstützen, sollte aber vielmehr als Anstoß verstanden werden, um die gesamtgesellschaftliche Leistung der Landwirtschaft anzuerkennen und adäquat zu vergüten. Hier wirkt die Pflanzenkohle wie im Boden auch, als eine Art Katalysator, um den Prozess in Gang zu setzen.

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