Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag festgeschrieben, dass jedes Bundesland 2 % seiner Fläche für den Ausbau von Windenergie bereitstellt und nutzt. Dass es beim Ausbau aber nicht voran geht, liegt nicht allein an den Bürgern, die kein Windrad vor ihrer haustür wollen, sondern auch an der Politik selbst. In Bayern betrug der Anteil der ausgewiesenen Fläche 2019 z.B. nur 0,1 % der Landesfläche. Bundesweit lag der Anteil der Fläche, die rechtswirksam für die Windenergie ausgewiesen war, bei höchstens 0,85 %.
Der Sachverständigenrat für Umweltfragen hat nun eine mehr als hundert Seiten umfassende Stellungnahme veröffentlicht. Für eine „mensch- und naturverträgliche Windenergienutzung“ kämen demnach bis zu 3,8 % der deutschen Landesfläche infrage, zitiert der Spiegel aus dem Papier.
So gebe es viele kleine Flächen, die heute weder attraktive Wohngegenden noch schützenswerte Naturgebiete seien. In der Summe seien die Effekte einer Umwidmung hier erheblich, heißt es. Die Rede ist von Gewerbeflächen, aber auch Konversionsflächen – Flächen, die weiter durch ihre ehemalige Nutzung geprägt sind.
Ein Beispiel sind frühere Deponien, ein anderes sind ehemalige Truppenübungsplätze. Auch die Flächen neben Autobahnen oder Bundes- und Landesstraßen sollten dem Bericht nach für den Bau von Windenergieanlagen geöffnet werden.
Bayern und NRW behindern bundesrechtliche Klimaschutzziele
Der Sachverständigenrat empfiehlt darüber hinaus die Streichung der sogenannten Länderöffnungsklausel im Paragraf 249 des Baugesetzbuches. Diese Klausel ermöglicht es Ländern, pauschale Regeln für Mindestabstände von Wohnanlagen zu Windrädern einzuführen.
U.a. Bayern nutzt sie und bestimmt, dass der Mindestabstand zwischen Windkraftanlage und Wohnhäusern mindestens das Zehnfache der Gesamthöhe der Anlage betragen muss. Folge war ein Zubaurückgang um 90 %. Und in NRW gilt eine 1.000 m Abstandsregel. Die Sachverständigen mahnen, dass die mit ihren Gesetzen nicht die bundesrechtlichen Klimaschutzziele konterkarieren dürften.
Da die Topografie der Bundesländer aber unterschiedlich ist, schlagen die Experten laut Spiegel einen Kompromiss vor: So könnten sich mehrere Regionen – auch länderübergreifend – bei der Konzentrationsflächenplanung zusammenschließen, um Zielvorgaben gemeinsam zu erreichen. Zudem sollten sie Lösungen beim Thema Naturschutz finden, die allen Anforderungen genügen.
Wälder und Landschaftsschutzgebiete nicht ausschließen
Der Sachverständigenrat spricht sich für Standardisierungen und eindeutige Rechtsgrundlagen aus, er fordert aber zum Beispiel auch, Wälder nicht pauschal als nutzbare Flächen auszuschließen. Denn neben altem, artenreichem Laub- oder Mischwald, der geschützt werden muss, gebe es auch Fichten-Monokulturen, die nicht so wertvoll seien. Auch Landschaftsschutzgebiete hingegen sollten nicht per se als Windenergieflächen ausgeschlossen werden. Insgesamt fällt mehr als ein Viertel der Fläche Deutschlands in diese Kategorie, in manchen Bundesländern – etwa im Saarland oder in Nordrhein-Westfalen – machen Landschaftsschutzgebiete mehr als 40 % der Fläche aus.
Planung vereinfachen und beschleunigen
Als verbesserungswürdig beschreiben die Experten laut dem Magazin außerdem die Planungsverfahren von Windenergieanlagen. Sie seien “aufwendig, langwierig und fehleranfällig”, heißt es. Auf regionaler Ebene müsse man im Bereich Windenergie mit einer durchschnittlichen Verfahrensdauer von 5,3 Jahren rechnen.
Insgesamt seien die Anforderungen, die über die Jahre entwickelt worden seien, an bestimmte geeignete Flächen so anspruchsvoll, „dass es schwierig ist, ihnen gerecht zu werden“, schreiben die Fachleute. Der Gesetzgeber müsse deshalb versuchen, die Rechtssicherheit zu erhöhen, mit konkreteren, einheitlicheren, einfacheren Vorgaben.
Um die Akzeptanz für neue Windräder in der Bevölkerung zu steigern, empfehlen die Sachverständigen schließlich, dass die Kommunen die Erlöse in öffentliche Einrichtungen wie z.B. Kindergärten investieren.