Die Windenergie auf See (Offshore-Wind) steht wegen hoher Kosten in der Kritik. Zwar verspricht der Lobbyverband Stiftung Offshore-Windenergie einem Bericht des Handelsblattes vom 09.06.2016 zufolge, dass es noch erhebliches Kostensenkungspotenzial gäbe. Nach einer Absichtserklärung von Offshore-Firmen könnten die Kosten bis 2025 halbiert werden. Statt 16,8 Cent soll eine Kilowattstunde Windstrom vom Meer dann nur noch 8 Cent kosten. Dafür müsste aber die Politik einen Zubau von Offshore-Windparks mit 4000 Megawatt (MW) jährlich europaweit ermöglichen.
Laut Handelsblatt kommt die Absichtserklärung der Offshorebranche in dieser Woche nicht von ungefähr. Denn auch die Offshore-Industrie fürchtet Einschnitte bei der Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG). Der Ausbau in Nord- und Ostsee soll auf 730 MW pro Jahr gedeckelt werden. Auch sollen sich die Windparkbetreiber am umstrittenen Ausschreibungssystem beteiligen.
Die Forderung von 4000 MW neuer Offshore-Windparks pro Jahr halten Experten aber für viel zu hoch gegriffen. Denn selbst wenn die Kosten bis 2025 sinken sollten, müssten bis dahin viele teure Anlagen errichtet werden, für die Verbraucher 20 Jahre lang bezahlen müssten. Der Verbraucherzentrale-Bundesverband rät daher, den Fokus stärker auf Windenergie an Land und Photovoltaik zu setzen, weil das für die Energiewende billiger sei. Laut Handelsblatt sieht Energieexperte Manuel Frondel vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung die Offshore-Windparks sogar als „Subventionsruine“, weil der Strom mangels Leitungen von Nord nach Süd niemanden erreichen würde.
Der stellvertrende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Fuchs, fordert daher eine bessere Synchronisierung des Erneuerbaren-Ausbaus mit dem Ausbau der innerdeutschen Stromnetze. Schon heute lägen die Netzengpasskosten des Erneuerbaren-Ausbaus bei 1,2 Milliarden Euro pro Jahr. Einen weiteren deutlichen Anstieg müsste der Gesetzgeber dringend vermeiden. Die EEG-Novelle ziele darauf, den Windenergieausbau an Land in Norddeutschland zu begrenzen, solange es innerdeutsche Netzengpässe gäbe. „Unverständlich ist, warum kein vergleichbarer Mechanismus für den Windenergieausbau auf See vorgeschlagen wird“, kritisiert Fuchs. Auch Offshore-Windstrom entstehe in Norddeutschland und müsse über den Netzengpass nach Süden transportiert werden. Hier werde mit zweierlei Maß gemessen, was korrigiert werden müsste: „So sehr man das industriepolitische Interesse der Nordländer verstehen kann: Wir brauchen bei der Bewältigung der Netzengpässe der nächsten Jahre ein energiepolitisch vernünftiges bezahlbares Gesamtkonzept, in das auch die Windkraft auf See einbezogen sein muss."
Erst Anfang der Woche hatte Deutschland zusammen mit acht anderen Ländern und der EU-Kommission eine Absichtserklärung zum gemeinsamen Ausbau der Windenergie in der Nordsee unterzeichnet. Die beschleunigte Entwicklung von Windparks und die Senkung der Kosten sollen Hauptziele der Zusammenarbeit sein. Die Kooperation soll gemeinsame Raum- und Leitungsplanungen, technische Standards und aufeinander abgestimmte Finanzierungspläne ermöglichen. Windenergie aus Offshore-Anlagen boomt zurzeit in der EU. Im vergangenen Jahr steigerte sich die Leistungsfähigkeit laut Branchenverband Windeurope um über 100 Prozent.