Dr. Kathrin Toppel ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Hochschule Osnabrück, Schwerpunkt Angewandte Geflügelwissenschaften (StanGe). Wir sprachen mit ihr über die korrekte Beleuchtung eines Geflügelstalls.
top agrar: Frau Dr. Toppel, Geflügel sieht anders als der Mensch. Worauf beruht das?
Toppel: Geflügel nimmt einen breiteren Teil des Lichtspektrums wahr und empfindet Licht heller als der Mensch. Ein weiterer Unterschied ist, dass der Mensch lediglich über drei Zapfen für das Sehen von rot, grün und blau verfügt. Geflügel besitzt zusätzlich einen Doppelzapfen, der vermutlich für das Sehen von Bewegungen zuständig ist. Darüber hinaus gibt es noch einen Zapfen für das Sehen im UV-Bereich.
Warum ist das Sehen im UV-Bereich wichtig für Geflügel?
Toppel: Das Sehen im UV-A-Bereich ist zum Beispiel wichtig, um männliche und weibliche Artgenossen zu unterscheiden. Dank dieses visuellen Wahrnehmungsbereiches nimmt Geflügel auch Schattierungen in einem weißen Federkleid wahr. Unter anderem mithilfe von UV-A-Licht sehen die Tiere ihre Umwelt bunter und kontrastreicher. Sie bemerken vermutlich Merkmale an den Artgenossen, die wir als Mensch gar nicht sehen können. Wenn UV-A-Strahlen im Licht fehlen, sehen die Tiere Gegenstände wie die Stalleinrichtung oder auch das Futter vermutlich in sogenannten Falschfarben.
Wann kann das zum Problem werden?
Toppel: Junge Vögel werden zu Beginn ihres Lebens unwiderruflich geprägt. Wächst eine Junghenne oder Pute beispielsweise in einem Stall auf, in dem das künstliche Licht keine UV-A-Strahlen enthält, prägt sie sich ihre Haltungsumwelt in einer bestimmten Form ein.
Gibt es im Lege- oder Maststall dann Kunstlicht inklusive UV-A-Anteil, wird plötzlich der UV-Zapfen aktiviert und die Tiere haben ein neues Farbbild ihrer Haltungsumwelt. Die Hennen und Puten nehmen vermutlich unter anderem das Futter in anderen Farben wahr. Das birgt die Gefahr, dass die Futteraufnahme zurückgeht bzw. nicht im Sollbereich liegt. Um das zu vermeiden, sind Absprachen zwischen den Aufzüchtern von Legehennen und Puten mit den späteren Übernehmern der Tiere so wichtig.
Gibt es weitere Unterschiede im Sehen zwischen Mensch und Vogel?
Toppel: Geflügel nimmt seine Umwelt in mehr „Bildern pro Sekunde“ wahr als der Mensch. Wir können ab etwa 60 Bildern pro Sekunde keine Einzelbilder mehr wahrnehmen und sehen einen durchgehenden Film. Dahingegen wird das Auflösungsvermögen bei Vögeln auf deutlich über 100 Bilder pro Sekunde geschätzt. Das ist abhängig von den Lichtverhältnissen. Damit Geflügel Licht nicht als Flackern wahrnimmt, muss es mit einer hohen Frequenz emittiert werden. Für Geflügel gilt die Vorgabe 160 Hz.
Vielfach kommen in den Ställen inzwischen LEDs zum Einsatz. Sind diese immer flackerfrei?
Toppel: Wir testen laufend die Lichtabgabe verschiedener Leuchten und können sagen, dass LEDs zwar ein deutlicher Fortschritt sind, aber grundsätzlich nicht immer flackerfrei emittieren. Das kann sich bei ein und derselben LED auch von Stall zu Stall unterscheiden und hängt von diversen Faktoren ab, wie beispielsweise dem Treiber, der Frequenz oder auch die Art der Dimmung (Phasendimmung oder Pulsweitenmodulation). Wenn LEDs gedimmt werden, kann sich zudem das Lichtspektrum verändern und es hat auch Einfluss darauf, ob die LEDs aus Sicht des Geflügels flackern oder nicht.
In der Tierschutz-Nutztierhaltungs-VO ist vorgeschrieben, dass durch die Stallfenster natürliches Licht einfallen muss. Sie haben dies durch zahlreiche Messungen überprüft. Was haben Sie festgestellt?
Toppel: Wir haben bei uns mittlerweile über 30 in der Praxis verwendete Fenstermaterialien untersucht. Die Materialien waren dabei unterschiedlich dick und auch teilweise beschichtet. Dabei konnten wir feststellen, dass einfache Glasscheiben grundsätzlich durchlässig für UV-A-Strahlungen sind. Bei Lichtelementen aus Acrylglas oder Polycarbonat zeigte sich, dass das UV-A-Licht davon eher herausgefiltert wird. Das einfallende Licht enthält somit kein volles Spektrum mehr.
Wenn der UV-A-Anteil so wichtig ist für das Geflügel, sollte es dann Vorgaben für die Beschaffenheit der Lichtelemente bzw. zur UV-Durchlässigkeit geben?
Toppel: Nein. Die Frage ist eher, welche Kriterien bei einer Überprüfung herangezogen werden, die Auskunft über die Tiergerechtheit von Haltungssystemen geben. Kennen die Tiere die Umgebung unter UV-Licht nicht, lässt sich vermuten, dass Ihnen auch nichts fehlt.
Wenn etwas tageslichtähnlich sein soll, dann müssten meines Erachtens dafür eindeutige Kriterien benannt und herangezogen werden, die nachweislich dem Tierwohl dienen. In der Natur ist Licht auch nicht immer gleich, beispielsweise bei Sonne anders als bei bewölktem Himmel.
Was wir aber wissen ist, dass immer alle Wellenlängen im für den Vogel sichtbaren Bereich reflektiert werden. Das Licht im Stall ist generell nicht überall gleich beschaffen. Lässt man die Scheibe weg, hat man immer noch keine Gleichmäßigkeit im Stall. Auch die Tageszeit und Stallausrichtung beeinflussen die Zusammensetzung des natürlichen Lichtes. An Auslauföffnungen vermischt sich Kunstlicht mit natürlichem. Das kann auch zu dem bereits erwähnten Falschfarbensehen führen.
Ein weiterer Aspekt ist die geforderte gleichmäßige Ausleuchtung des Stalles. Wie wichtig ist das?
Toppel: Wir haben die Möglichkeit über Licht eine Strukturierung der Haltungsumwelt vorzunehmen. Beispielsweise lässt sich in bestehenden Geflügelställen bei Umbauten manchmal nur ein einseitiges Lichtband realisieren. Dadurch gibt es im Stall ebenfalls keine gleichmäßige Ausleuchtung per Definition mehr. Das muss aber kein Problem sein, entscheidend ist ja, wie der Vogel in seiner Umwelt zurechtkommt. Durch verschiedene Lichtverhältnisse kann er zwischen dem Aktivitäts- und Ruhebereich, je nach Helligkeit, wählen. Zudem halten wir den Nestbereich bewusst dunkel, um die Akzeptanz sicherzustellen. Aus Sicht der Wissenschaft hat eine ungleichmäßige Ausleuchtung per se keine Nachteile.
Es gibt Leuchten auf dem Markt, die lediglich einen Teil des Lichtspektrums abgeben und damit die natürliche Umgebung unter einem Blätterdach simulieren wollen. Wie beurteilen Sie das?
Toppel: Das entspricht so nicht den realen Bedingungen. Wir haben selbst zahlreiche Messungen im Wald durchgeführt und dabei festgestellt, dass immer das komplette Spektrum im Licht enthalten ist, nur die jeweiligen Farbanteile verschieben sich. Mit solchen Leuchten kann das natürliche Habitat der Vögel nicht nachgestellt werden, diese Aussage ist irreführend. In dem Moment, wo eine Farbe herausgenommen wird, kann es zum Falschfarbensehen kommen, was Irritationen und Verhaltensstörungen fördern könnte. Das abgestrahlte Licht spricht das rein menschliche Empfinden an.
Die Tiere sollen unter diesem Licht, das beispielsweise nur den Blauanteil des Spektrums enthält, aber ruhiger und stressfreier aufwachsen…
Toppel: Es wird bei diesen Lichtprogrammen nur auf die Farbe, jedoch nicht auf die Beleuchtungsstärke verwiesen. Je dunkler man den Stall beleuchtet, desto schwerer fällt es dem Vogel einen Kontrast zu sehen. Das Tagsehen wird im unteren Luxbereich auf Nachtsehen umgestellt, also statt der Zapfen sind dann die Stäbchen aktiv. Darüber entscheidet aber in diesem Fall im Auge die Helligkeit und nicht das fehlende Spektrum. Ein weiterer Aspekt ist die Helligkeitswahrnehmung des Vogels, diese ist im Spektralbereich der Farbe grün am höchsten. Wird beispielsweise der Grünanteil aus dem Licht entfernt, nimmt man dem Vogel den Bereich mit der höchsten spektralen Helligkeitswahrnehmung.
Tageslichtleuchten, die das gesamte Spektrum enthalten, sind mit einem Kelvin-Wert versehen. Ist diese im Geflügelbereich eine nützliche Angabe?
Toppel: Das ist ein spannender Punkt. Die Einheit Kelvin gibt die Farbtemperatur an, also ob die Lampe warmes Licht oder kühl wirkendes Licht abgibt. Dazu haben wir bei uns an der Hochschule gerade Messungen durchgeführt und festgestellt, dass wir durch eine unterschiedliche Zusammensetzung des Spektrums die gleichen Kelvinwerte erzeugen können. Das heißt, man reduziert einfach einen Farbanteil, erhöht gleichzeitig einen anderen und erzielt damit den gleichen Kelvinwert. Deswegen erscheint uns der Kelvinwert zunächst einmal irrelevant zu sein für die Bewertung einer Haltungsumwelt für Geflügel.
Das Licht im Geflügelstall wird in Lux gemessen, eine Maßeinheit, die auf das Sehen des Menschen abgestimmt ist. Gibt es keine Kenngröße, die für Geflügel besser passt?
Toppel: Lux beschreibt den Lichtstrom, der auf eine Fläche fällt und nicht die wahrgenommene Helligkeit einer Umgebung. Wir forschen schon lange an einer geeigneten Maßeinheit für Geflügel, damit wir Licht aus der Sicht des Tieres besser bewerten können. Wenn wir die Hellempfindlichkeit des Vogels und das Sehen im UV-A-Bereich berücksichtigen, kann jede Wellenlänge um einen Umrechnungsfaktor auf die visuelle Wahrnehmung des Vogels korrigiert werden. Hierbei ist die Kurve von Prescott und Wathes (siehe Abbildung) hinterlegt. Das nennt man dann Gallilux, hierfür gibt es schon Messgeräte. Aus den einzelnen Empfindlichkeiten der Photorezeptoren lässt sich aber nicht auf eine gesamte Hellempfindlichkeit schließen.
Es kommt auch darauf an, wie die Lichtmessung durchgeführt wird. Die in der Europaratsempfehlung angegebene Messung in drei Ebenen gilt inzwischen als überholt. Worauf muss man achten?
Toppel: Wir haben an der Hochschule einen Lichtsensor im Broilerstall, der die Einheit Lux erfasst und zu einem Klimapaket gehört. Zu berücksichtigen sind bei der Erfassung der Lichtparameter der Einfluss von Schattenwurf oder auch Messhöhe.
Im eigenen Stall haben wir so eine Differenz von 15 zu 45 Lux des gemessenen Wertes erzielt, je nach Ausrichtung des Sensors. Der Sensor hängt etwa 30 cm über den Tieren. Auf Höhe der Tiere sind die Verhältnisse jedoch wieder gleich. Ich kann also durch die Position des Sensors das Messergebnis in gewissem Maß beeinflussen.
Wer von Hand misst, sollte den Sensor nach oben ausrichten und in Höhe der Tiere messen. Auch ist es sinnvoll, an mehreren Stellen im Stall zu messen und das mit einem Übersichtsplan zu dokumentieren.
Aus meiner Sicht sollten wir in erster Linie die tiergerechte Haltungsumwelt im Blick haben. Der Rechtsrahmen ist teilweise schwer umsetzbar, beispielsweise eine Vereinheitlichung der Lichtverhältnisse auf die vorgeschriebenen 20 Lux im gesamten Tierbereich.