Die Kinder waren noch nicht ganz aus dem Haus, da musste Andrea Koch die Vermarktungsschiene des Familienbetriebs übernehmen. Heute hat sie das Geschäft fest im Griff.
Ich gehe schon manchmal auf dem Zahnfleisch. Aber: Das bin ich auch, als ich unsere fünf Kinder versorgt habe. Die Nerven, die ich mir dabei angeeignet habe, muss ich jetzt nicht mehr aufbauen“, sagt Andrea Koch mit einem Augenzwinkern. Seit 2013 verantwortet die 59-Jährige den Verarbeitungs- und Vermarktungsbereich des Familienbetriebs in Betzendorf, Niedersachsen. Bis zu 70 Stunden Arbeit in der Woche sind für sie normal.
Es ist Dienstagnachmittag – der, wie sie selbst meint, beste Tag, um Andrea Koch zu treffen. Denn zu Anfang der Woche hat sie etwas mehr Luft als gegen Ende: Dann findet man sie quasi durchgehend auf fünf verschiedenen Wochenmärkten in Hamburg und Lüneburg. Dort verkauft sie unter anderem Bio-Gemüse und Bio-Rindfleisch aus hofeigener Produktion.
„Der Kontakt mit den Kunden macht mir besonders viel Spaß. Dabei merke ich immer mehr, wie wichtig mir die politische Arbeit für Ernährung und Landwirtschaft ist“, sagt die gelernte und studierte Landwirtin. Im persönlichen Gespräch könne sie den Verbrauchern zum Beispiel gut erklären, wie der Preis für die Weihnachtsgans zustande kommt.
Die Familie hält zusammen
„Ich habe nie nur die Kinder gemacht“, erzählt Andrea Koch, deren älteste Tochter inzwischen 32 und deren jüngster Sohn 23 Jahre alt ist. Auch während der Familienphase hat sie die Tiere versorgt, damals 200 Schweine, 40 Schafe und zehn Mutterkühe mit Nachzucht. Das sei nur möglich gewesen, weil ihre Schwiegermutter sie bei der Kinderbetreuung unterstützt hat.
Die Situation änderte sich, als Andrea Koch und ihr Mann Marten nach betrieblichen Turbulenzen keine Alternative sahen, als das Vieh größtenteils zu verkaufen und die Flächen brach liegen zu lassen. Andrea musste die Organisation der seit 30 Jahren laufenden Wochenmärkte übernehmen; Marten ging unter der Woche als angestellter Landwirt nach Mecklenburg-Vorpommern. Seit 2015 läuft die eigene Landwirtschaft durch die Übernahme von Sohn Lennart wieder an.
„Vor zehn Jahren hätte ich zu dem, was ich heute mache, ‚niemals!‘ gesagt“, gesteht Andrea Koch. „Betriebswirtschaft war nicht unbedingt meins, die Hilfe unserer langjährigen Buchhalterin habe ich gerne angenommen. Häufig habe ich mich überfordert gefühlt. Aber wir haben es geschafft. Als Familie.“ Heute ist sie überzeugt, dass die Frauen vom Hof mehr können, als sie denken. Sie müssten aber den Mut aufbringen, nach den Kindern noch etwas Neues auszuprobieren. -ms-