Christian Sieh ist aus vollem Herzen Landwirt. Um wieder mehr Zeit für sich und seine Hobbys zu finden, hat er eine Kooperation mit dem Nachbarn gegründet und eine Bürokraft eingestellt.
Den Entschluss zu fassen, dass sich etwas ändern musste, war für Christian Sieh ein schleichender Prozess. „Ich habe immer wieder gehofft, dass irgendwie alles besser wird“, sagt er. „Aber vor allem die Arbeit im Büro hat mich erdrückt.“
Doch das war nicht immer so. Nach der höheren Landwirtschaftsschule war der Landwirt voller Energie. „Die Hofübergabe konnte für mich nicht schnell genug kommen“, erinnert er sich. Als er 26 Jahre alt war, stieg Sieh in die Landwirtschaft mit 1700 Mastplätzen und 250 ha Ackerbau ein. Mit Mitte dreißig übernahm er den Hof. „Meine Mutter hat sich um das Büro gekümmert. Als sie dann den Wunsch äußerte, sich aus der Arbeit zurückzuziehen, hatte ich mit einem Mal mehr Organisation und Dokumentation vor der Brust als mir lieb war“, sagt er.
Kehrtwende im Betriebsalltag
Einige Jahre ging das gut. „Stressfrei war die Büroarbeit für mich aber nie“, sagt Christian Sieh. „Nach Feierabend war keine Energie mehr übrig für mein Privatleben und die Dinge, die ich gerne tue“, sagt er. Nach einem Termin zur Prozessberatung bei der Kammer fasste Sieh schließlich den Entschluss, einige Veränderungen auf dem Hof anzugehen.
Im Außenbetrieb unterstützte ihn bereits ein langjähriger Mitarbeiter. Im Büro kam diesen Herbst eine 450-Euro-Kraft hinzu. „Es war toll zu sehen, wie viel Freude Sabine schon am ersten Tag im Büro hatte. Arbeiten, mit denen ich mich jedes Mal mindestens einen ganzen Tag lang herumgeschlagen habe, erledigte sie in zwei Stunden. Ihre Energie und die fröhliche Stimmung waren geradezu ansteckend“, sagt er.
Trotz der positiven Entwicklung: Einfach fiel ihm diese Entscheidung keineswegs. Der Betriebsleiter sieht es als Herausforderung an, sich nun immer wieder durchzuringen, im Büro auf dem neuesten Stand zu bleiben. „Ich will den Überblick behalten, im Büro verdient man das meiste Geld,“ sagt er. Sich ohne viele Worte auf die Mitarbeiter zu verlassen, sieht Sieh als Risiko. „Wir haben ein gutes Team und verstehen uns blind. Doch gerade dann, wenn alles gut läuft, darf man nicht aufhören, miteinander zu sprechen“, sagt er. „Delegieren ohne zu reden klappt nicht.“
Neue Ziele, neue Wege
Ähnliche Sorgen plagten ihn auch bei der Überlegung, den Ackerbau in eine Maschinengemeinschaft mit dem Nachbarn einzubringen. „Menschlich muss es stimmen“, bringt er seine Bedenken auf den Punkt. Doch weil der Nachbarbetrieb schon im Vorfeld gute GbR-Erfahrungen gesammelt hatte, willigte Sieh schließlich ein. „Hätt’ ich gewusst, wie gut das geht, hätten wir das schon vor zehn Jahren gemacht“, sagt er jetzt, im Nachhinein, überzeugt. Sein Ziel ist es, durch die Entwicklungen wieder mehr Zeit für die Arbeit zu finden, die ihm Energie gibt. Das Tierwohl liegt dem Landwirt besonders am Herzen. Deshalb hält er seine Schweine mit 20 % mehr Platz und auf Stroh. „Wenn ich den Tieren morgens frisches Stroh in die Buchten werfe, ist das eine wahre Freude für mich“, sagt er. Sein Traum ist es außerdem, den alten Hofladen wieder zu eröffnen. „Die Leute in der Region fragen heute noch nach der Mettwurst, die wir früher verkauft haben“, berichtet er.
Besonders wichtig ist es dem Landwirt auch, wieder mehr für sich selbst zu tun. „Ich mache im Sommer Motorradtouren zu Rennstrecken in ganz Europa“, sagt er. Außerdem hat er in den letzten Monaten das Schwimmen wieder für sich entdeckt. Das Beste: Die Arbeit macht auch wieder Spaß!
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