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topplus Vom Stall zum Steg

Neuer Betriebszweig: Hausboote statt Milchkühe

Familie Dingebauer aus Wesel in NRW hat ihren Betrieb neu aufgestellt. Lange drehte der sich um Milchkühe. Nun finden Landurlauber auf modernen Hausbooten viel Ruhe und Komfort.

Lesezeit: 5 Minuten

Wir können ja auch hier am Hof was machen“ – mit diesem Gedanken fing es für Volker und Dorothee Dingebauer aus Wesel-Bislich am Niederrhein, NRW, an. Die dreifache Mutter wollte nach der Kinderphase nicht zurück in ihren Job im Einzelhandel. Der Landwirt spürte angesichts niedriger Milchpreise eine immer größer werdende Unzufriedenheit bei der täglichen Arbeit im Stall.

„Zuerst haben wir an Ferienwohnungen gedacht. Das konnten wir in un­serem Betriebsleiterhaus aber leider nicht umsetzen“, erinnert sich der heute 64-Jährige. Auch Häuschen auf der ­betriebseigenen Streuobstwiese haben die beiden diskutiert und wieder verworfen.

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Die richtige Idee

Im Jahr 2006 hatten Dingebauers dann den entscheidenden Einfall: Sie würden Hausboote auf dem Diersfordter Waldsee installieren, der durch den Abbau von Kies in den letzten Jahrzehnten immer näher an ihren Hof herangerückt war. „Es hat sich einfach richtig angefühlt“, erzählt Dorothee Dingebauer.

Das Bauchgefühl sagte ja, doch die Behörden erst mal nein. „Das war komplettes Neuland für uns. Wir dachten zunächst, für Boote kann das alles ja nicht so kompliziert sein. Allerdings haben wir Festanleger, die ganz anders behandelt werden“, sagt Volker Dingebauer, der sich nun auch im Stadtrat engagiert.

„Wir haben uns oft gefragt: Geht es noch weiter?“, berichtet seine Frau. Aber Fürsprecher, Nachbarn sowie die Gemeinschaft im Dorf machten ihnen Mut, an das Projekt zu glauben. 'Haltet durch, das wird was!‘, war ein Satz, den wir zum Glück oft gehört haben“, sagt die 58-jährige Dorothee Dingebauer.

Zum Glück haben wir oft gehört: Haltet durch, das wird was!"
Dorothee Dingebauer

Zehn Jahre dauerte es, bis die Eheleute ihr Projekt dank einer Sonder­genehmigung realisieren konnten; im Frühling 2016 schwammen die ersten beiden Boote auf dem See. Einige Darlehen, den Bebauungs- und Flächennutzungsplan sowie wasserrechtliche und bauliche Genehmigungen später verfügt die Familie heute über zehn Hausboote.

Das gewisse Extra

Und das Innere der Boote? Von Anfang an sei den Dingebauers wichtig gewesen, sich aktiv mit der Ausstattung auseinanderzusetzen und Inspirationen zu sammeln, z. B. durch Aufenthalte bei anderen Anbietern. Schnell war ihnen klar: Sie wollen ihren Gästen das gewisse Extra an Komfort bieten. Eine Firma aus Tschechien, die eigentlich Tiny Häuser baut, ließ den Traum Wirklichkeit werden und war für jede Idee offen. „Im Prinzip haben wir also schwimmende Tiny Häuser“, erklärt Volker Dingebauer.

In den 36 Tonnen schweren Booten kommen bis zu fünf Personen unter. Die Gäste können sich unter anderem auf einen Saunabereich mit Dusche und Seeblick, einen Kamin, einen runden Wintergarten, eine Sonnenterrasse und ein Tretboot freuen. Das macht die Boote zu perfekten Urlaubszielen – im Sommer und im Winter. „Beides hat ­seinen Charme“, meint der Landwirt.

Die Eheleute haben jede ihrer schwimmenden Unterkünfte getestet und in der Coronapandemie sogar selbst einige Wochen dort verbracht. So können die Gäste sicher sein, dass es an nichts mangelt und die Boote funktional und gemütlich eingerichtet sind. Einkaufsmöglichkeiten, Restaurants und Kulturangebote sind in wenigen Kilometern erreichbar. Wer auf das Auto verzichten möchte, kann sich bei Dingebauers Fahrräder ausleihen.

Ein Familienprojekt

2019, gut 13 Jahre nachdem die Hausboot-Idee zum ersten Mal aufgekommen war, ging eine andere Ära zu Ende: Volker Dingebauer entschied, die Milchviehhaltung aufzugeben und den Stall zu verpachten. Die Kühe und den  Melkroboter verkaufte er an den Pächter. „Unsere Kinder wollten sowieso nicht weitermachen. Als der Milchpreis dann nur noch bei 19 Cent lag und ich mich auf Demos in Brüssel und Luxemburg wiederfand, machte ich Nägel mit Köpfen“, schildert er.

Dass die Kühe trotzdem auf dem Hof geblieben sind, freut den Landwirt sehr. Auch den Ackerbau auf knapp 44 Hektar betreibt er gerne weiter. Weil er ohne Tiere einfach nicht kann, hält er zudem einige Highland-Rinder.

Seine Kinder stehen voll hinter dem Hausboot-Projekt und möchten mit einsteigen. Das ist inzwischen auch ­nötig. Schließlich wollen die Homepage, Buchungen und Social-Media-Kanäle betreut werden. Das nimmt viel Zeit in Anspruch. „Und natürlich müssen wir uns auch um die Boote und die An­liegen unserer Gäste kümmern“, erzählt Volker Dingebauer. Gerade der Umgang mit diesen mache der gesamten Familie Freude.

Meistens hätten sie Paare zu Gast. Es komme jedoch vor, dass Familien direkt mehrere Boote mieten und sich in Wesel-Bislich treffen. Dabei können sie – mit ein bisschen Glück – beim Frühstück Biber und Eisvögel beobachten.

Vieles macht und repariert der Landwirt selbst: „Ich bin jetzt Gärtner und Hausmeister“, sagt er. Man wachse rein in die neuen Aufgaben. Und der Erfolg spricht für sich: „Corona tat uns sehr weh – schon allein wegen der Finanzierung. Aktuell sind wir jedoch mit un­serer Auslastung sehr zufrieden“, sagt seine Frau. 200 € zahlen Gäste pro Nacht und Hausboot, inklusive Endreinigung. Zwei Nächte müssen die Gäste in der Nebensaison buchen, sieben im Sommer: „Die braucht man einfach. Wir möchten, dass unsere Gäste entspannt nach Hause fahren“, sagt ­Volker Dingebauer und lächelt.

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