Im Vorfeld von Politik trifft Praxis in Brüssel haben wir mit den teilnehmenden Politikerinnen und Politikern Interviews geführt. Der stellvertretende Vorsitzende des Agrarausschuss im EU-Parlament, Norbert Lins (CDU) fordert ein stabiles Budget, um die EU-Landwirte zu fördern.
Herr Lins, um den EU-Agrarhaushalt zeichnet sich ein harter Verteilungskampf ab. Sehen Sie Chancen auf ein stabiles Agrarbudget?
Lins: Das Thema Haushalt ist natürlich sehr sensibel und hochpolitisch und somit stehen wir vor großen Herausforderungen. Wir müssen uns jedoch für ein starkes und eigenständiges Agrarbudget einsetzen.
Mein Motto bei dem Thema ist „Wir geben nichts!“. Natürlich stehen wir in der aktuellen Situation vor verschiedenen Schwierigkeiten, jedoch können wir bei dem Agrarbudget keine Abstriche machen, denn unsere Landwirtschaft stellt das Rückgrat unserer Gesellschaft dar. Das Thema Nahrungsmittelsicherheit ist das A und O für Europa.
Live aus Brüssel: Diskutieren SIE mit!
Am 09. April 2025 diskutieren wir mit den führenden EU-Agrarpolitikerinnen und -politikern die Zukunft der Landwirtschaftspolitik in Europe. Doch nicht nur mit den Politikern sondern vor allem: mit Ihnen.
Bei der ersten Ausgabe von "Politik trifft Praxis" in Brüssel bringen wir Landwirtinnen und Landwirte aus Deutschland, Österreich und Belgien in der Hauptstadt Europas zusammen. Gemeinsam mit Politikern aus dem Europaparlament gehen sie der Frage nach: Pflanzenschutz und GAP: Was plant Brüssel?
Die Debatte verspricht, lebhaft zu werden, immerhin stehen in diesem Jahr die Verhandlungen über den EU-Haushalt für die kommenden Jahre an. Der bestimmt maßgeblich darüber, wie kraftvoll die Gemeinsame Agrarpolitik ab 2028 werden kann.
Setzt EU-Agrarkommissar Christophe Hansen mit der Vision für die Landwirtschaft und Ernährung in der EU die richtigen agrarpolitischen Prioritäten?
Lins: Ich begrüße den Vorschlag des Kommissars sehr, da es ein wichtiges Signal an die Landwirtschaft und die ländlichen Räume in Europa sendet.
Ein großes Plus sehe ich bei dem Weg weg von der Konditionalität und hin zu Anreizen für unsere Landwirtinnen und Landwirte. Das ist ein Paradigmenwechsel auf welches wir gewartet haben.
Die EU-Kommission bekennt sich klar zur Lebensmittelproduktion und zur Tierhaltung in Europa."
Die Kommission bekennt sich außerdem klar zur Lebensmittelproduktion und zur Tierhaltung in Europa. Weitere Themen in der Vision sind z.B. Zukunftsthemen wie die Bioökonomie. Außerdem wird der Anpassung an den Klimawandel einen hohen Stellenwert gegeben.
Welche konkreten Vorschläge sollte er als erstes angehen?
Lins: Man merkt an dem Tempo von Vorschlägen, die gerade kommen, dass der neue EU-Agrarkommissar sehr aktiv und engagiert an die akuten Themen rangeht.
Ich bin vor allem auf das GAP-Vereinfachungspaket, sowie das sektorübergreifenden Omnibus-Paket gespannt.
Ein Paket aus mehreren Gesetzen, die die EU-Kommission ändern, unter anderem Berichtspflichten in Sachen Nachhaltigkeit abbauen will.
Lins: Das hat einen erheblichen Einfluss auf die Landwirtschaft. Ich hoffe auf eine Vereinfachung der Düngevorschrift, beim Pflanzenschutz oder bei der erneuerbaren Energienrichtlinie. Hier sehe ich viel Potential für Veränderungen.
Sie sprechen das Vereinfachungspaket der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) an. Sehen Sie Potentiale zur weiteren Vereinfachung der GAP?
Lins: Bei der GAP-Vereinfachung sehe ich erhebliches Potenzial, ganz oben stehen für mich hier die Grünlandregelungen. Die derzeitigen Verwaltungslasten belasten unsere Landwirte unverhältnismäßig.
Eine Vereinfachung der Berichtspflichten und Kontrollmechanismen sowie eine flexiblere Handhabung der Konditionalitäten könnten die Bürokratie deutlich reduzieren, ohne die Umweltziele zu gefährden.
Daher sind auch die Omnibus-Verfahren ein willkommenes Zeichen für unsere Landwirte, die weniger am Schreibtisch und mehr aufs Feld wollen.
Für die sogenannten Neuen Züchtungstechniken zeichnet sich auch unter den Mitgliedstaaten ein Kompromiss ab. Wo sehen Sie Fallstricke in den Trilogverhandlungen mit den Mitgliedstaaten und der EU-Kommission?
Lins: Bei den Neuen Genomischen Techniken sehe ich als Hauptfallstrick in den Trilogverhandlungen die Patentierungsfrage. Wir müssen die Interessen der Landwirte schützen, den Innovationsgeist fördern und sicherstellen, dass die europäische Züchtungsbranche nicht benachteiligt wird.
Zudem müssen wir Regelungen für den gentechnikfreien und ökologischen Sektor finden. Die EU darf in diesem Bereich nicht den Entwicklungen der Rest der Welt hinterherhinken und wir müssen unsere Gesetzgebung anpassen.
Laut der EU-Agrarvision will die EU-Kommission das Zulassungsverfahren für biologische Pflanzenschutzmittel beschleunigen. Kann das die sinkende Zahl chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel kompensieren?
Lins: Die beschleunigte Zulassung biologischer Pflanzenschutzmittel ist ein wichtiger Schritt, kann aber den Verlust chemisch-synthetischer Mittel nicht vollständig kompensieren. Wir brauchen einen pragmatischen Mix aus verschiedenen Lösungsansätzen und müssen verhindern, dass Innovationen aufgrund langwieriger Zulassungsverfahren außerhalb Europas vermarktet werden.
Wie bewerten Sie die Vorschläge ihres Parteifreundes Christophe Hansen zur Gemeinsamem Marktordnung?
Lins: Grundsätzlich heiße ich Mittel willkommen die Position, vor allem von kleinen und mittleren Betrieben, jungen Landwirten und generell Landwirtinnen zu stärken. Ob die Vorschläge zur Gemeinsamen Marktordnung das geeignetste Mittel für unsere deutschen Landwirte sind, bezweifle ich. Einige Aspekte wie Artikel 148 oder Artikel 168 halte ich für diskussionswürdig.
Bislang waren CDU und CSU bei der Anwendung der Artikel 148 und 168 der GMO zurückhaltend. Können verpflichtende Lieferverträgen für Milch, Getreide und viele weitere Agrarprodukte Landwirte in der Lieferkette stärken?
Lins: Auf den ersten Blick klingen diese Vorschläge eventuell verlockend. Ich bin jedoch der Meinung, dass wir vor allem im Milchsektor extrem vorsichtig sein müssen, was staatliche Eingriffe anbelangt.
Auch die Studie des Instituts für Ernährung und Ernährungswirtschaft Kiel erklärt, dass solche Eingriffe in vertragsfreiheitlich gestaltete Lieferbeziehungen weder notwendig noch zielführend sind.
In Spanien oder Frankreich gibt es solche Vertragsbindungen mit Festpreisen bereits. Im Vergleich zu Deutschland haben sich die Preise jedoch nicht verbessert. Damit ist die Situation der Landwirte nicht besser geworden und zusätzlich wurde Bürokratie geschaffen durch den Zwang zum schriftlichen Vertrag.
Mir ist jedoch bewusst, dass es im Parlament viel Sympathie für die Vorschläge gibt. Es ist daher viel Überzeugungsarbeit notwendig.
Welche Maßnahmen halten Sie für notwendig, um faire Preise und Marktbedingungen für Landwirte zu gewährleisten?
Lins: Maßnahmen hierfür wären die Stärkung der Erzeugerorganisationen, eine konsequente Durchsetzung der Richtlinie gegen unlautere Handelspraktiken, mehr Markttransparenz, Förderung regionaler Wertschöpfungsketten und Schaffung eines Level-playing field bei Handelsabkommen. Zudem müssen wir die Einkommensstützung für kleinere und mittlere Betriebe verbessern, wie es auch in der GAP 2023-27 mit der verpflichtenden Umverteilung von mindestens 10% der Direktzahlungen vorgesehen ist.