Das Megathema der diesjährigen Grünen Woche, die Digitalisierung der Landwirtschaft, kühlte am Montag beim Farm & Food 4.0 Kongress in Berlin Mitte ab. Nach den rauschenden ersten Tagen der Grünen Woche, in denen die Digitalisierung als Hoffnungsträger für die Landwirtschaft mit vielen Versprechungen gefeiert wurde, klangen am Montag nachdenklichere Töne an. Selbst Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner, die in den vergangenen Tagen im Überschwang über die Chancen der Digitalisierung für die Landwirtschaft referiert hatte, blieb davon nicht ausgenommen. „Hinter jeder Chance der Digitalisierung steht auch ein Fragezeichen“, sagte sie. Sie münzte die Aussage auf die Debatte um das Eigentum von Daten. „Wir dürfen die Debatte nicht ohne den Landwirt führen“, so Klöckner.
Klöckner sieht staatliche Datenplattform skeptisch
Einer staatlichen Datenplattform, so wie sie der SPD vorschwebt, steht Klöckner dennoch skeptisch gegenüber. „Da überfordere ich den Staat“, sagte sie. Und international gab Klöckner die Befürchtung aus, dass es in weniger entwickelten Ländern die Sorge gebe, dass die Digitalisierung die Kluft in der Landwirtschaft noch größer machen könnte. Lösungen dafür soll die UN-Landwirtschaftsorganisation FAO innerhalb eines Digitalrates erarbeiten.
Schnittstellen Probleme weiter nicht gelöst
Die Landwirtschaftliche Praxis hadert vor allem mit der unzureichenden digitalen Infrastruktur auf dem Land und mit der Schnittstellen Problematik. „Die Schnittstellen müssen einfach besser vernetzt werden, damit ich das auch anwenden kann, sagte Landwirt Georg Mayerhofer auf dem Podium. Weil er mit seiner Struktur mit Landwirten in Russland und Osteuropa nicht konkurrieren kann, setzt er vor allem auf eine Regionalisierung der Produktion und Vermarktung. Die Digitalisierung biete vor allem für die Rückverfolgbarkeit von Lieferketten und Rohstoffen Lösungen.
Erleichterung bei der Dokumentation
„Digitalisierung kann helfen, die Produkte unserer Landwirte individueller nach Kundenwünschen zu produzieren“, sagte auch Michael Horsch, Gründer und Geschäftsführer des Landmaschinenherstellers Horsch. Sie erleichtere insbesondere die Dokumentation der Produktion. Er warnte jedoch vor überzogenen Erwartungen und „abgedroschenen“ Floskeln zur Digitalisierung. Für die Zukunft und das Image der Landwirtschaft käme es in Zukunft vor allem auf Kernkompetenzen der Landwirtschaft wie Fruchtfolge, Boden- und Pflanzengesundheit an. Zum Dilemma der Landwirtschaft zwischen Produktionssteigerungen und Umweltauswirkungen sagte er: „Wir brauchen nur Zucker, Milch, und Fleisch etwas reduzieren, dann sind wir da, wo wir hin müssen“.
Landwirte brauchen Honorar für Mehrwert
Der Hauptgeschäftsführer des Kuratoriums für Technik und Bauwesen in der Landwirtschaft (KTBL), Dr. Martin Kunisch, sieht "noch viel Luft nach oben", um die landwirtschaftlichen Prozesse mittels der Digitalisierung zu vereinfachen. Das könne jedoch nur funktionieren, wenn die Landwirte auch etwas davon haben. „Die Digitalisierung muss die Arbeit nicht immer billiger machen, sondern Landwirte müssen für Mehrwerte honoriert werden“, sagte Kunisch.
Vernetzung zum Handel hakt
Auch in der Landwirtschaft und in der Lebensmittelkette gibt es hinsichtlich der Transparenz von Daten eine Vertrauenskrise. „Die Daten sind da, aber sie fließen nicht“, analysierte Dr. Julia Köhn, geschäftsführende Gesellschafterin des online Wochenmarktes pielers.de. Vor allem beim letzten Stück der Kette, beim Handel, hapert es mit der Durchlässigkeit. „Wir sind durch Soziale Medien inzwischen gut mit den Verbrauchern vernetzt, aber was nicht gut ausgebaut ist, ist die Vernetzung zum Handel“, sagte der Geschäftsführer von Arla Deutschland, Markus Mühleisen.