Kurswechsel bei der EU: Das Ziel, bis zum Jahr 2020 den Anteil erneuerbarer Energien im Transportbereich auf 10 % zu erhöhen, soll nicht mehr nur mit Ökotreibstoff, sondern auch mit Elektro- oder Wasserstoffautos erfüllt werden. Wie die Süddeutsche Zeitung am Montag berichtete, reagierten die EU-Mitgliedsstaaten damit erstmals auf die wachsende Kritik an Biotreibstoff. Die Weltbank führt 75 % des Preisanstiegs bei Lebensmitteln darauf zurück. Die EU-Energieminister betonten nun auf ihrem Treffen im Pariser Vorort Saint-Cloud, dass die EU-Kommission in ihrem im Januar vorgelegten Klima- und Energiepaket lediglich den Anteil "erneuerbarer Energie im Verkehrssektor" festgeschrieben habe. "Erneuerbar heißt nicht nur Biosprit", sagte der französische Umweltminister Jean-Louis Borloo.
Mit dem Gesetzespaket will die EU zahlreiche Maßnahmen beschließen, um ihre Klimaziele zu erreichen. Unter anderem haben sich die EU-Staaten verpflichtet, den Anteil erneuerbarer Energien am Energieverbrauch bis zum Jahr 2020 auf 20 % auszubauen. Im Verkehr soll der Anteil auf 10 % steigen. Bisher galt als ausgemacht, dass sich diese Quote auf Biokraftstoff bezieht. Zuletzt wuchsen die Zweifel am Biotreibstoff: Die Pflanzen würden in Konkurrenz zu Nahrungsmitteln produziert, oft in Monokulturen und teilweise unter Abholzung des Regenwaldes, kritisiert die Weltbank. Die Europäische Energieagentur EEA, die die EU-Kommission berät, hatte Brüssel schon im April aufgefordert, das Biospritziel aufzugeben. In einer noch unveröffentlichten Studie legt die EEA nun nach. Die EU-Landwirtschaft könne allenfalls 3,4 % der gesamten Treibstoffmenge in Eigenregie effizient erzeugen. Statt noch mehr Biomasse zu Treibstoff zu verarbeiten, solle diese zur Erzeugung von Elektrizität und Wärme genutzt werden. Auch Deutschland hat sich von der ursprünglichen Biosprit-Quote distanziert. "Wir denken darüber nach, ob die Prozentsätze haltbar sind", sagte Wirtschaftsstaatssekretär Jochen Homann in Paris. Berlin arbeite an einer neuen Strategie. Homann schloss aus, dass die Quote komplett gekippt werden könnte. "Wir müssen stattdessen zügig Kriterien entwickeln, die sichern, dass Biotreibstoffe nachhaltig produziert werden." Am Montag hat dazu bereits der EU-Umweltausschuss beraten: Der Vorschlag sieht eine zeitliche Staffelung des Biosprit-Ausbaus aus 4 % vor. Darüber hinaus stimmten die E-Minister dafür, den Staaten die Hoheit über ihre nationalen Fördersysteme (Handel mit grünen Zertifikaten) zu überlassen.
vgl.: Zweifel an Studie der Weltbank zu Biokraftstoffen (8.7.08)