Der von der Europäischen Kommission geplante Green Deal soll nicht nur die Landwirtschaft nachhaltiger und klimaschonender machen, sondern könnte womöglich auch neue Wertschöpfungsmöglichkeiten in der Lebensmittelkette eröffnen. Das zeigt die Studie des Forscherteams um Prof. Peter H. Feindt von der Humboldt-Universität zu Berlin, das die Umsetzung nachhaltigkeitsbasierter Wertschöpfungsketten untersucht hat.
Wie Feindt bei der Vorstellung der Untersuchung feststellte, zielt der Green Deal auch auf einen nachhaltigen Umbau der Wertschöpfungsketten, was im Fall der Lebensmittelbranche in der Strategie „Vom Hof auf den Tisch“ formuliert werde. Dahinter liege der Gedanke, Nachhaltigkeitsleistungen der Landwirtschaft auch über den Markt zu entlohnen.
Problem dabei sei, dass Nachhaltigkeitseigenschaften am Endprodukt kaum überprüft werden könnten, erklärte der Berliner Agrarökonom. Zur Realisierung einer Mehrpreisbereitschaft beim Verbraucher seien daher die genaue Definition der Nachhaltigkeitsleistungen sowie die Entwicklung, Annahme, Implementation, Kontrolle und Durchsetzung von genau festgelegten Regeln erforderlich. Feindt empfiehlt für die Etablierung und Förderung neuer, nachhaltiger Wertschöpfungsketten unter anderem die Entwicklung transparenter, attraktiver und praxisnaher Zertifizierungssysteme.
Innovationen fördern
Der Politik raten die Autoren der Studie, die Förderpolitik in der Land- und Ernährungswirtschaft stärker an der Wertschöpfungskette auszurichten. Dabei sollten derartige Programme im Rahmen der Investitionsförderung idealerweise den Fokus auf die gesamte Kette legen und verstärkt Innovationen fördern.
Nötig sei auch die Stärkung kooperativer Instrumente im Sinne von „Bottom-Up-Ansätzen“ und Partizipation in Wertschöpfungsketten, betonen die Berliner Agrarökonomen. Für wichtig halten sie in diesem Zusammenhang die Förderung vertrauenswürdiger und transparenter Kennzeichnungssysteme. Deren Entwicklung müsse unter wissenschaftlicher Begleitung erfolgen, staatliche Zertifizierungen beinhalten und die Zivilgesellschaft einbinden.
Unerlässlich seien darüber hinaus die fortgesetzte Erforschung der tatsächlichen Nachhaltigkeitsleistungen von Wertschöpfungsketten sowie die Beratungsförderung sowohl für die Erbringung von Nachhaltigkeitsleistungen als auch für die Aktivitäten in der darauf aufbauenden Wertschöpfungskette.
Ökolandbau als Vorbild
Die Wissenschaftler weisen in ihrer Studie ungeachtet dessen auf die Grenzen von nachhaltigkeitsbasierten Wertschöpfungsketten zur Umsetzung der Ziele des Green Deal hin. Nachhaltigkeitsprobleme in der Agrar- und Ernährungswirtschaft entstehen nach ihren Angaben durch eine unzureichende Internalisierung externer Effekte.
Die ausschließliche Aktivierung einer privaten Mehrpreisbereitschaft sei zudem kein geeignetes Mittel, systemische Externalisierungsprobleme grundsätzlich zu lösen. Dies erfordere vielmehr eine Veränderung der allgemeinen Rahmenbedingungen, betonen die Autoren. Dazu müsste erstens die Agrarförderpolitik im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) darauf ausgerichtet werden, besondere Nachhaltigkeitsleistungen der Landwirtschaft verstärkt zu honorieren. Darauf aufbauend könnte dann die zusätzliche private Zahlungsbereitschaft für Produkte, die besonders nachhaltig erzeugt worden seien, aktiviert werden.
Die Forscher konstatieren, dass diese Kombination von staatlicher und privater Honorierung im ökologischen Landbau gut etabliert sei. Sie plädieren außerdem dafür, die Rahmenbedingungen so weiterzuentwickeln, dass die private Zahlungsbereitschaft für besonders nachhaltige Produkte gestärkt werde, etwa durch Zertifizierung, Verbraucherkommunikation und transparente Analyse und Kommunikation der Nachhaltigkeitsprofile verschiedener Produktionsweisen.