Das Kartellamt nimmt sich die Lieferbeziehungen zwischen Landwirten und Molkereien vor. Aus Sicht von Kartellamtschef Andreas Mundt erschweren Andienungspflicht und Abnahmegarantie die Anpassung der Milchmenge an die Nachfrage. Auch die nächste Übernahme im Lebensmitteleinzelhandel liegt auf Mundts Schreibtisch.
Der Präsident des Bundeskartellamts, Andreas Mundt, plädiert dafür, mehr Marktmechanismen auf dem Milchmarkt zu etablieren. In einem Interview mit dem Berliner Tagesspiegel kritisierte er das System von Andienungspflicht und Abnahmegarantie bei den Milchlieferverträgen. Die Milcherzeuger seien immer noch verpflichtet, ihre Milch zu 100 Prozent an ihre Molkerei zu liefern und die Molkerei müsse diese auch abnehmen. „Das erschwert eine Anpassung der Menge an die Nachfrage. Das schauen wir uns jetzt genauer an“, sagte Mundt der Zeitung.
Das Risiko im Milchmarkt liegt beim Landwirt
Mundt führte als Beispiel die langen Kündigungsfristen bei den Genossenschaftsmolkereien an. „Da die Bauern aufgrund der Verträge fast immer an eine Molkerei gebunden sind, können sie ihre Milch auch nicht auf verschiedene Molkereien aufteilen, das heißt sie können nicht ausweichen“, so Mundt in dem Interview weiter. Der Milchpreis für den Landwirt ergebe sich erst nachträglich nach Berücksichtigung der Einnahmen und Ausgaben der Molkereien. „Am Ende trägt das Risiko vor allem einer: der Landwirt“, begründete Mundt die erneute Überprüfung des Milchmarktes weiter.
Nächste Übernahme im Lebensmitteleinzelhandel steht an
Auch beim Lebensmitteleinzelhandel (LEH) sieht der Kartellamtschef weiteren Handlungsbedarf. Nach der Ministererlaubnis für die Übernahme der Kaiser’s Tengelmann-Filialen durch Edeka liegt bei den Wettbewerbshütern bereits der nächste Fall auf dem Tisch. „Rewe möchte die Mehrheit an der Coop übernehmen. Wir werden uns wie bei Edeka/Kaiser’s Tengelmann auch hier die betroffenen regionalen Märkte ansehen“, kündigte Mundt an. Er bestätigte seine wettbewerbsrechtlichen Bedenken hinsichtlich einer weiteren Konzentration im Lebensmitteleinzelhandel. „Unsere wettbewerbliche Einschätzung bleibt bestehen. Der Markt ist hoch konzentriert. Vier große Ketten teilen sich mittlerweile über 85 Prozent des gesamten deutschen Beschaffungsmarktes und sind auch auf den regionalen Absatzmärkten sehr stark“, sagte Mundt.
Mundt sieht in der Ministererlaubnis keinen Widerspruch
Dennoch sieht er in der Ministererlaubnis im Fall Tengelmann von Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel keinen Widerspruch zur kritischen Einschätzung des Kartellamts. „Mit der Ministererlaubnis ist unsere Entscheidung nicht korrigiert worden“, so Mundt. Diese habe eine andere Zielrichtung gehabt als die Fusionskontrolle des Bundeskartellamts. Das Kartellamt prüfe die Auswirkungen einer Fusion auf den Wettbewerb. Gabriel sei hingegen zu der Auffassung gelangt, dass es in diesem Einzelfall andere schwerwiegende Gründe gebe, die die wettbewerbsrechtlichen Bedenken des Kartellamtes überwiegen würden. „Die Erlaubnis wurde unter strengen Auflagen zur Sicherung von Arbeitsplätzen und Mitbestimmung erteilt“, verteidigte Mundt den Bundeswirtschaftsminister weiter.