Wie groß die Betroffenheit der Agrar- und Ernährungsbranche durch den Krieg in der Ukraine ist, hat Niedersachsens Agrarministerin Barbara Otte-Kinast am Freitag mit Marktexperten der Landwirtschaftskammer Niedersachsen (LWK) und Vertretern des Niedersächsischen Wirtschaftsministeriums besprochen.
Bereits am Mittwoch hatte sie die Auswirkungen mit rund 30 Akteuren aus der heimischen Agrar- und Ernährungswirtschaft während einer Videokonferenz diskutiert. „Die Betroffenheit ist sehr groß. Der Ausfall der Exporte aus der Ukraine und die Sanktionen gegen Russland werden enorme Auswirkungen haben. Das ruft bei mir tiefe Besorgnis hervor. Zumal wir extreme Marktentwicklungen sehen, die keiner für möglich gehalten hat." Die grundsätzliche Versorgung mit Lebensmitteln sieht Ministerin Otte-Kinast für Niedersachsen gesichert.
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Probleme überall
Die Teilnehmer berichteten über ein breites Problemfeld - von explodierenden Weizenpreisen über massiv steigende Energiekosten, problematische Logistik bis zu teuren Ölsaaten. Derzeit sei nicht genau absehbar, wie groß der Ernteausfall in der Ukraine sein werde und welches Ausmaß die Sanktionen russischer Handelsgüter auf den weltweiten Handel mit Weizen und Mais haben werden.
Die Auswirkungen bekommt fast die gesamte Branche zu spüren - Geflügelhalter genauso wie Milcherzeuger, Mühlen, Schlachtbetriebe und Ökobetriebe. Aber auch Logistikunternehmen, Landtechnik und Landhandel. Einschränkungen gibt es auch durch fehlende Arbeitskräfte. Die Experten gehen davon aus, dass neben den fehlenden Arbeitskräften aus der Ukraine auch Saisonarbeitskräfte aus Rumänien und Polen zögern, ihre Heimatregion für Saisoneinsätze in der Agrarbranche zu verlassen.
Und die Folgen für die Höfe? „Die bereits durch Corona betriebswirtschaftlich extrem angespannte Lage auf den Höfen wird sich nochmals verschärfen. Bei Betriebsmittel-Kosten werden Steigerungen in nie dagewesener Höhe verzeichnet", erklärte die Ministerin. Es wird davon ausgegangen, dass die hohen Futtermittelpreise besonders die Tierhalter belasten, weil die Mehrkosten nicht an der Ladentheke erzielt werden können.
Özdemir zu defensiv
Zum Gespräch aller Landesagrarminister mit Bundesminister Cem Özdemir ab 17 Uhr stellt Otte-Kinast fest, dass es auch im Agrarsektor keine Denktabus geben dürfe. Die defensive Haltung von Bundesminister Özdemir kann ich in dieser Situation nicht nachvollziehen. Er muss sich zwingend enger mit den Verantwortlichen in den Ländern abstimmen und aktives Krisenmanagement betreiben - gerade im Bereich der Agrarpolitik".
Die Ministerin nennt dazu zwei prägnante Beispiele: „In der Düngeverordnung muss der Bund umgehend die Möglichkeiten für die Ausweisung einer emissionsbasierten Maßnahmenkulisse durch die Länder schaffen. Außerdem ist es kaum zu vermitteln, dass wir vier Prozent verpflichtende Stilllegung bekommen, wenn woanders der Weizen knapp und für viele Menschen unbezahlbar wird. Diese Vorgabe aus Brüssel muss unbedingt vorübergehend ausgesetzt werden."