Julia Klöckner hat vergangene Woche eine Bilanz ihrer Amtszeit gezogen und die Leistungen hervorgehoben. Bei den Landwirten kann sie damit nicht punkten, ein Kommentar.
Fast euphorisch war die Stimmung, als Julia Klöckner im März 2018 als Landwirtschaftsministerin antrat, sechs Monate nach der Bundestagswahl. Nach ihrem unscheinbaren Vorgänger Christian Schmidt war die Branche voller Hoffnung, Themen aktiv zu gestalten.
Durchwachsene Bilanz
Davon ist nichts mehr zu spüren. Gar nichts. Etliche Landwirte, insbesondere in der Tierhaltung, ringen gerade um ihre Existenz. Die schlechten Preise sind das eine. Aber vor allem fehlt ihnen eine Perspektive und der Glaube an eine bessere Zukunft. Das hat Klöckner nicht geliefert. Sie selbst zieht zwar eine positive Bilanz ihrer Amtszeit, tatsächlich fällt diese aber durchwachsen aus:
Zugutehalten muss man der CDU-Politikerin, dass sie sich auch unangenehmen Diskussionen stellt. Und sie hat von ihren Vorgängern strittige Themen geerbt, die sie nicht zu verantworten hat, aber umsetzen musste – wie die Düngeverordnung.
Wenn nötig und möglich, hat Klöckner „klassisch“ Geld locker gemacht: Bauernmilliarde, Dürrehilfen, Corona-Hilfen, Waldprämie.
Bei den großen Weichenstellungen hat sie zwar knackige Überschriften geliefert, es mangelt aber an konkreten Inhalten und Umsetzungsmöglichkeiten. Bei den künftigen Agrarzahlungen ist weiter unklar, was Landwirte für ihr Geld tun müssen, obwohl bis Ende des Jahres alles stehen muss. Beim Klimaschutz soll Landwirtschaft eine zentrale Rolle spielen, wie aber genau, ist mit keiner Silbe erwähnt. Und die Ackerbaustrategie wirkt wie schnell zusammengezimmert, weil sie noch vor der Wahl fertig sein musste.
Eine politische Bruchlandung ist in Teilen das Aktionsprogramm Insektenschutz. Denn es fehlt in Abstimmung mit den Ländern an Härtefall-Regelungen und Erschwernis-Ausgleich, sodass sich betroffene Landwirte enteignet fühlen. Und politisch gescheitert ist Klöckner bei den Perspektiven für die Tierhaltung: Beim Borchert-Plan hat sie trotz Zustimmung von allen Seiten vor der Wahl keine Fakten geschaffen, zudem sind die Konflikte mit dem Bau- und Umweltrecht ungelöst und der Lebensmitteleinzelhandel diktiert weiter die Standards. Das alles allein dem Koalitionspartner SPD anzukreiden, ist zu billig.
Fehlende Integrationskraft
Unterm Strich bleibt: In Selbstdarstellung und PR ist Julia Klöckner sehr gut. In Brüssel hat sie während der EU-Ratspräsidentschaft ein gutes Händchen beim Vermitteln eines Kompromisses gezeigt.
In Berlin dagegen nicht: Ihre öffentlichen Differenzen in Agrarfragen mit der eigenen Fraktion zeigen, wie zerrüttet die CDU/CSU ist. Und ihr Dauerstreit mit Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) gipfelte zuletzt in Alleingängen der Ministerinnen und in einer „Hauptsache-dagegen-Politik“. Wohl klarster Beleg für Klöckners fehlende Integrationsfähigkeit: Die „Zukunftskommission Landwirtschaft“ hat Bundeskanzlerin Angela Merkel einberufen – weil sie es ihr offenbar nicht zugetraut hat.
Im Wahlkampf spielte Klöckner keine Rolle, die Landwirtschaft auch nicht. Dabei erwarten Landwirte gerade jetzt klare Ansagen und Perspektiven. Diese ist Klöckner schuldig geblieben. Deshalb sind viele Landwirte unzufrieden mit ihrer Arbeit und nicht böse, wenn jemand anderes das Amt übernimmt. Klöckner selbst würde ihren Job gerne weitermachen. Ob sie diese Chance bekommt, zeigt sich am Wahlsonntag – oder einige Monate danach. Für neue Hoffnung bräuchte sie aber eine neue Strategie.