Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner hat die heute vom Kabinett verabschiedete Strategie gegen Lebensmittelverschwendung als „gesamtgesellschaftliche Aufgabe“ bezeichnet, die „eine vereinte Kraftanstrengung“ erfordert. Bis zum Jahr 2030 sollen die Lebensmittelabfälle sich damit halbieren. Vor allem will Klöckner damit die Wertschätzung für Nahrungsmittel steigern. Die Strategie ist aufgeteilt in vier Handlungsfelder:
- Bestehende Hürden und Barrieren bei der Weitergabe von Lebensmitteln sollen politisch überprüft werden.
- Das Bewusstsein bei Unternehmen soll geschärft werden, damit sie Lebensmittelabfälle während der Produktion und des Transports minimieren.
- Die Forschung und Förderung von intelligenten Verpackungen, die anzeigen, ob Produkte noch verzehrbar sind, soll intensiviert werden. Das BMEL stellt dafür 14 Mio. € zur Verfügung und unterstützt ein Projekt, das das Abgabesystem zwischen Handel und Tafeln optimiert.
- Das Ernährungswissen beim Verbraucher soll verbessert werden.
Kern der Nationalen Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung sind Dialogforen, bei denen Lebensmittelunternehmern, zivilgesellschaftlichen Organisationen, die zuständigen Länder- und Bundesressorts sowie die Wissenschaft konkrete Maßnahmen zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung erarbeiten sollen. Außerdem soll eine bereits existierende Bund-Länder-Arbeitsgruppe Gesetzgebungen auf Hürden und Barrieren bei der Weitergabe von Lebensmitteln überprüfen.
Verluste vor allem im Haushalt und in der Gastronomie
Laut einer 2012 vorgestellten Studie für das BMEL landen in Deutschland jährlich rund 11 Mio. t Lebensmittel im Müll. Davon stammen 6,7 Mio. t von Privathaushalten - der Rest bei Lebensmittelindustrie, Handel und Großkunden wie der Gastronomie. Bei der Außer-Haus-Verpflegung landen bis zu 35 Prozent der zubereiteten Speisen im Müll.
Grüne vermissen Verbindlichkeit
Die Sprecherin für Ernährungspolitik der Grünen, Renate Künast, vermisst in Klöckners Strategie Verbindlichkeit. „Obwohl diese Lebensmittelverschwendung massiv Umwelt und Klima schadet, setzt die Bundesministerin wieder einmal nur auf Freiwilligkeit statt auf Regulierung“, sagte sie. Sie forderte stattdessen klare Ansagen in allen Bereichen der Wertschöpfungskette. „Dazu gehören u.a. der Ausstieg aus der Massenproduktion in der Landwirtschaft, damit erst gar nicht ein so hoher Lebensmittelüberschuss anfällt und die Stärkung von regionaler Lebensmittelproduktion und Vermarktungsstrukturen“, sagte Künast. Sie plädierte für verbindliche Reduktionsziele für Lebensmittelproduktion und Handel und verlässliche Daten, wo und wie viele Lebensmittel weggeworfen werden. Darüber hinaus sollten große Supermärkte nicht verkaufte, aber noch genießbare Lebensmittel kostenlos zur Verfügung stellen. Zudem solle die Ernährungsbildung an Schulen und Kitas gefördert werden.
FDP sieht den Schlüssel auf dem Acker
Die stellvertretende Vorsitzende des Agrarausschusses im Deutschen Bundestag, Carina Konrad (FDP), glaubt, dass mehr Verluste schon vor der Ernte zu verhindern wären. Die Strategie des BMEL hält sie für überfällig. „Jedoch liegt das Problem nicht nur im Kühlschrank, sondern beginnt auf dem Acker“, sagte sie. Spargel oder Erdbeeren würden auf dem Feld verderben, weil Erntehelfern aus anderen Ländern durch bürokratische Hindernisse die Hände gebunden seien. Konrad forderte daher flexiblere Lösungen bei Saisonarbeitern. Einen weiteren Hebel gegen Lebensmittelverschwendung sieht Konrad im Pflanzenschutz. „Das Bundeslandwirtschaftsministerium muss schneller auf Innovationen im Pflanzenschutz eingehen, den Zulassungsstau von neuen Wirkstoffen beseitigen, und endlich die riesige Chance neuer Züchtungsmethoden erkennen, um schon heute die Ernten von morgen zu sichern“, sagte sie.
Lebensmittelindustrie will beim Mindesthaltbarkeitsdatum bleiben
Die Lebensmittelindustrie stimmt Klöckners Vorstoß der intelligenten Verpackungen skeptisch. "Wir gehen davon aus, dass jede auch nur geringfügige Abweichung von der optimalen Signalfarbe dazu führen dürfte, dass diese Produkte vom Verbraucher gemieden und nicht mehr abverkauft werden können“, sagte Dr. Marcus Girnau vom Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL). Die Industrie will daher nach wie vor am Mindesthaltbarkeitsdatum festhalten.