Frage: Für den Bau der A44 Kassel-Herleshausen werden von unserem Nebenerwerbsbetrieb ca. 3,5 ha land- und forstwirtschaftliche Fläche benötigt. Als existenzgefährdeter Betrieb stehen uns laut Gutachten Ersatzflächen zu. Geeignete Flächen stehen laut der Landgesellschaft mbH (HLG) jedoch nicht zur Verfügung. Die geldwerte Entschädigung wird von der HLG nach für mich nicht nachvollziehbaren Kriterien festgelegt. Da ich bisher nicht eingewilligt habe, droht man mir nun mit einem Enteignungsverfahren. Wie ist meine Rechtslage? Und wie sind die von der HLG vorgelegten Berechnungen für die geldwerte Entschädigung zu bewerten?
Antwort: Im Falle einer Existenzgefährdung durch Landentzug haben Sie Anspruch auf die Beschaffung von Ersatzland. Gegebenenfalls muss Ersatzland durch Enteignung geschafft werden, d.h. es muss im Wege der Enteignung anderen Grundeigentümern Land weggenommen und Ihnen gegeben werden, bis der Landentzug in Ihrem Fall nicht mehr zu einer Existenzgefährdung führt. Selbstverständlich kann die HLG diese Ersatzfläche auch „freihändig“, also durch vernünftige Verhandlungen mit anderen Grundeigentümern erwerben. Sie müssen Sie sich nicht mit einem Geldersatz begnügen.
Hohes Streitpotenzial
Rechtlich steht Ihnen im Falle eines Landentzugs als selbstwirtschaftender Eigentümer ein Anspruch auf Ersatz des vollen Verkehrswertes des entzogenen landwirtschaftlichen Grundstücks zu. Grundlage für die Berechnung sind die „Richtlinien für die Ermittlung des Verkehrswertes landwirtschaftlicher Grundstücke und Betriebe, anderer Substanzverluste (Wertminderung) und sonstiger Vermögensnachteile“ (LandR). Bis Juni galten die die LandR 78 aus dem Jahr 1978, seit Juni dieses Jahres gelten die neuen deutlich verbesserten LandR 19 (siehe top agrar 5/2019 S. 26).
Ist Ihr gesamter Betrieb von dem Landentzug betroffen, ist auch die Wertminderung des Restbetriebes, beispielsweise durch An- und Durchschneidungen oder Umwege, zu entschädigen. Darüber hinaus ist der Erwerbsverlust auszugleichen. Das ist, vereinfacht ausgedrückt, der Deckungsbeitragsverlust den Sie durch den Wegfall der Fläche erleiden. Wie hoch der Erwerbsverlust im Einzelnen ausfällt und für welchen Zeitraum er auszugleichen ist, muss konkret ermittelt werden. Über letzteres kommt es häufig zum Streit. Während Sie als Eigentümer den Ausgleich des Erwerbsverlustes „auf ewig“ verlangen werden, weil Ihnen die Fläche dauerhaft entzogen wird, stellt sich die Straßenverwaltung auf den Standpunkt, nach einem gewissen Zeitraum müssten Sie imstande sein, den Verlust der Fläche durch innerbetriebliche Maßnahmen auszugleichen. Davon hängt ab, mit welchem Faktor der jährliche Ertragsverlust multipliziert bzw. kapitalisiert wird. Die Unterschiede sind erheblich.
Sachverständigen hinzuziehen
Ihnen Ihrem Falle ist die Ermittlung der geldwerten Entschädigung, die Sie uns auszugsweise mitgesandt haben, tatsächlich nicht nachvollziehbar ist. Deshalb raten wir Ihnen dringend, sich an einen versierten Sachverständigen zu wenden. Nur dieser ist imstande, in Ihrem Interesse mit der Gegenseite „auf Augenhöhe“ zu verhandeln. In einem so schwierigen Fall wie diesem haben Sie gegenüber der Landgesellschaft Anspruch darauf, dass Ihnen die Kosten für den Sachverständigen ebenfalls ausgeglichen werden.