Ein europäisches „Sorgfaltspflichtengesetz“ soll künftig dafür sorgen, dass in der Lieferkette von der Urproduktion in Drittstaaten bis hin zum Endprodukt eine ganze Reihe an Nachhaltigkeitsstandards eingehalten werden. Das klingt vordergründig positiv, könnte aber Kleine und Mittelständische Unternehmen stark belasten.
In dieser Woche hat sich das Europaparlament wie erwartet für vergleichsweise weitreichende Regelungen ausgesprochen. In den Geltungsbereich der geplanten Richtlinie (Corporate Sustainability Due Diligence - CSDDD) sollen nach den Vorstellungen des Parlaments alle europäischen Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten und einem weltweiten Umsatz von über 40 Mio. € fallen, genauso wie Mutterkonzerne mit mehr als 500 Beschäftigten und globalen Erlösen von wenigstens 150 Mio. €.
Hohe Strafen möglich
Die Verpflichtungen zum Klimaschutz sollen nach dem Willen der EU-Parlamentarier sogar noch ausgeweitet werden. Vorgesehen ist, dass die Unternehmen Klimaschutzpläne im Einklang mit den Pariser Klimazielen aufstellen müssen. Sofern mehr als 1.000 Personen beschäftigt werden, soll die Umsetzung zudem Einfluss auf die variable Vergütung des Führungspersonals nehmen. Bei Verstößen gegen die neue Richtlinie sollen die Unternehmen nach dem Willen des Parlaments schadenersatzpflichtig sein und von nationalen Behörden sanktioniert werden können. Neben Geldstrafen von mindestens 5 % des weltweiten Umsatzes sind dazu auch Vermarktungsverbote vorgesehen.
Holzenkamp: Praxisfern und existenzbedrohend
Der Deutsche Raiffeisenverband (DRV) hält das für gefährlich. „Ausufernde Bürokratie und unzumutbare Haftungsrisiken: Das EU-Lieferkettengesetz ist in seinem jetzigen Entwurf nicht praktikabel. Kleine und mittelständische Unternehmen werden in ihrer Existenz bedroht“, warnt DRV-Präsident Franz-Josef Holzenkamp. Er fordert spürbare Änderungen am Gesetzentwurf, „die sich an der Realität orientieren“.
Holzenkamp zeigt sich auch skeptisch, was die Versicherung der Europäischen Kommission angeht, dass kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) nicht vom Anwendungsbereich der Richtlinie erfasst würden. „Die Erfahrungen mit dem deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz zeigen, dass KMU mittelbar betroffen sein werden,“ so der DRV-Präsident: Dies führe für viele DRV-Mitgliedsunternehmen zu großem bürokratischen Aufwand, den sie kaum bewältigen könnten.
„Die Unternehmen werden verpflichtet, entlang der gesamten weltweiten Wertschöpfungskette die Verantwortung zu übernehmen“, verdeutlicht der Verbandspräsident. Durch die daran geknüpften Vertragsstrafen entstünde gerade für kleinere Unternehmen ein unkalkulierbares Risiko.
Branchenlösungen nicht ignorieren
Für Holzenkamp wäre es das Mindeste, einen risikobasierten Ansatz in das Lieferkettengesetz zu implementieren: „Unternehmen müssen anhand der individuellen Risikoverteilung Prioritäten innerhalb ihrer Lieferkette setzen können.“ Nur so werde eine unangemessene Belastung der Wirtschaft verhindert.
Er gibt zu bedenken, dass es in Deutschland bereits gut funktionierende Qualitäts- und Zertifizierungssysteme mit hohen ökologischen und sozialen Standards gibt. Dies finde sich bisher aber unzureichend im Gesetzentwurf wieder. Holzenkamp hält es aber für dringend notwendig, dass solche Brancheninitiativen unterstützt werden, bevor bestehenden Systemen Gesetze übergestülpt werden.
Sabet: Maßlose Überforderung der Unternehmen
Die Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) teilt die Sorgen des Raiffeisenverbandes. BVE-Geschäftsführerin Stefanie Sabet hält die vom EU-Parlament geforderten Informations- und Dokumentationspflichten für eine maßlose Überforderung der Unternehmen. Sie verlangt: „Aufwand und Nutzen müssen verhältnismäßig bleiben und auch die Staaten müssen mehr Verantwortung übernehmen und beispielsweise vertrauenswürdige Informationen bereitstellen.“ Neben längeren Übergangsfristen müsse das neue Gesetz auch europaweit harmonisiert werden, um gleiche Wettbewerbsbedingungen für Unternehmen zu schaffen.