Die deutschen Agrarökonomen wehren sich gegen Kritik aus Politik und Verbänden. Der Vorsitzende der Gesellschaft für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften des Landbaus (GEWISOLA), Prof. Alfons Balmann, bezeichnet es gegenüber AGRA-EUROPE als problematisch, „wenn unerwünschte Ergebnisse als unwissenschaftlich abgetan werden“.
Nicht gelten lassen will Balmann den Vorwurf von Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner im Zusammenhang mit dem jüngsten Beiratsgutachten zur Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Klöckner hatte den Autoren vorgehalten, sie hätten keine Folgenabschätzung für ihre Empfehlungen vorgenommen. „Denn damit wird suggeriert, dass ein ‚Weiter so‘ keine gravierenden Folgen hätte“, entgegnet der Direktor des Leibniz-Instituts für Agrarentwicklung in Transformationsökonomien (IAMO) in Halle.
Letztlich seien nicht die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Leidtragende der Kritik sowie fehlender politischer Reformen. Leidtragende seien vielmehr diejenigen, „auf deren Rücken gesellschaftlich unverantwortliche Politiken betrieben werden“.
Persönlich enttäuscht zeigt sich Balmann vom fehlenden Weitblick in der Politik und deren mangelnde Auseinandersetzung mit den eigenen Zwängen. Als Beispiel verweist er auf die EU-Direktzahlungen. Zwar stehe außer Frage, dass die Direktzahlungen nicht von heute auf morgen auf null abgesenkt werden könnten, räumt Balmann ein und verweist auf den Vorschlag des Beirats, eine drastische Reduzierung der Zahlungen über einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren vorzunehmen. Allerdings müssten bereits heute Leitlinien für diesen Übergang entworfen werden.
Genau diese Empfehlung einer längerfristig ausgerichteten Strategie werde jedoch von allen Beteiligten ignoriert. Dabei sei jedoch offensichtlich, dass spätestens 2027 die Politik vor denselben Zwängen stehen werde, wenn nicht bereits heute deutliche Signale für die Zeit danach formuliert würden.
Transparenz gewährleisten
Balmann sieht die grundsätzliche Gefahr für die Wissenschaft, in der politischen Auseinandersetzung instrumentalisiert zu werden. So gebe es eine Tendenz, „wonach politische Akteure diejenigen Ergebnisse aufgreifen, die gefallen und andere Ergebnisse verwerfen“. Wissenschaft dürfe nicht in den Ruf geraten, käuflich zu sein.
Eine Voraussetzung dafür sei, dass bei allen Studien und Veröffentlichungen „die Geldgeber und mögliche Interessen“ offengelegt werden. Zudem könne die Wissenschaft durch unabhängige Begutachtung eine aktive Qualitätssicherung betreiben. In Gremien wie dem ehrenamtlich tätigen Wissenschaftlichen Beirat des Bundeslandwirtschaftsministeriums erfolge die Qualitätssicherung unter anderem dadurch, dass er die Themen für seine Gutachten und Stellungnahmen selber festlege und die Ergebnisse von allen Mitgliedern gemeinsam getragen würden. „Damit teilen sie dann auch die mehr oder minder berechtigte Kritik“, so der Agrarökonom.