Knapp eine Woche nach Bekanntwerden der Ampelpläne zur Abschaffung der Agrardiesel-Rückerstattung und der KfZ-Steuerbefreiung und einen Tag nach der größten Bauerndemo seit 2019 lässt sich festhalten: Das war keine gute Idee von Kanzler Scholz, Finanzminister Lindner und Wirtschaftsminister Habeck.
Die drei haben es geschafft, innerhalb kürzester Zeit den gesamten landwirtschaftlichen Berufsstand – vom Biobauern bis zur Agrarholding – gegen sich aufzubringen. Auch politisch haben sie fast eine geschlossene Front gegen sich, die weit in die Koalition hineinreicht.
Alle Ampelfarben „auf Rot“
Nicht nur Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir hat klargestellt, dass er von dem Plan wenig hält. Auch Özdemirs Partei- und frühere Amtskollegin Renate Künast zeigte sich gestern gegenüber dem Spiegel offen für eine Rücknahme der geplante Streichung der Steuerrückerstattung auf Agrardiesel.
Zwischenzeitlich hatten auch die Agrarsprecher der SPD- und der FDP-Bundestagsfraktion, Susanne Mittag und Dr. Gero Hocker, recht deutlich gegen das Aus für Agrardiesel positioniert.
Agrarökonom Balmann würde noch mehr abschaffen
Natürlich gibt es auch Befürworter. Die finden sich vor allem auf Seiten der Tageszeitungen und der deutschen Agrarökonomie. Iamo-Direktor Prof. Alfons Balmann fordert beispielsweise: „Dieselverbilligung und grüne Nummernschilder gehören abgeschafft.“ Er wäre aber immerhin für einen schrittweisen Ausstieg und kritisiert ebenfalls das abrupte Ende der Beihilfe.
Wir erleben eine Zeitenwende! Solange man diese nicht ernst nimmt, kann man politisch nicht mitgestalten, sondern nur jammern. Dieselverbilligung und grüne Nummernschilder gehören abgeschafft. Statt dies jedoch schrittweise oder geplant einzuführen, kommt Abschaffung über Nacht. https://t.co/g0rz6eZYGS
— Alfons Balmann 🇺🇦 @alfonsbalmann.bsky.social (@AlfonsBalmann) December 14, 2023
Balmann plädiert darüber hinaus aber für die Abschaffung weiterer Subventionen. Dazu zählt er neben den Direktzahlungen, Umverteilungsprämien und Junglandwirteförderung aus der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) auch §13a EStG, Steuerfreibetrag 1000 € für Landwirte, Umsatzsteuerpauschalierung. Er rechnet nicht damit, dass dies zum Zusammenbruch der deutschen Landwirtschaft führen würde. Vielmehr erwartet er, dass die Grundrenten und Pachten sinken werden.
Stegemann: Wirtschafts- und wettbewerbspolitischer Unsinn
Der politische Rückhalt ist hingegen kaum erkennbar. Der agrarpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Stegemann, rief die Ampel nach der Großdemo in Berlin auf, sowohl von der Streichung der Steuervergünstigungen beim Agrardiesel als auch von der Streichung der Kfz-Steuerbefreiung Abstand zu nehmen. „Beide Sparmaßnahmen treffen direkt unsere Landwirte und schwächen die ländlichen Räume. Auch aus wirtschafts- und wettbewerbspolitischer Sicht sind sie Unsinn“, so Stegemann.
Schmidt: Begründung der Ampel zieht nicht
Auch die Landjugend-Bundessprecherin Theresa Schmidt hatte gestern bei der Demo für den Erhalt von Agrardiesel und Co. getrommelt. Gegenüber dem Sender Phoenix zeigte sich Schmidt im Anschluss fassungslos, dass die Ampel die Landwirte überdurchschnittlich belasten wolle und das mit der fadenscheinigen Begründung „klimaschädliche Subventionen kürzen“ zu wollen.
#Bauernprotest | Theresa Schmidt vom @BDLandjugend nennt die Streichung der Subventionen für #Agrardiesel unnötig und sieht keine Notwendigkeit für Einsparungen bei der #Landwirtschaft. Die Bundessprecherin verweist darauf, dass die Branche die gesetzten Klimaziele erreiche. pic.twitter.com/5wdk378fUS
— phoenix (@phoenix_de) December 18, 2023
Das Argument zieht für die BDL-Vorsitzende überhaupt nicht, zumal die Landwirtschaft die einzige Branche ist, die ihre vom Bund gesetzten Klimaschutzziele einhält.
Gute Gründe dafür
Dabei gibt es jenseits der politischen Komponente aus Sicht des Deutschen Bauernverbandes gute Gründe für den Erhalt der Steuervergünstigung beim Agrardiesel.
- Der Agrardiesel sei keine Subvention, sondern lediglich ein Lastenausgleich, mit dem der deutsche Steuersatz auf den EU-Durchschnitt für Landwirte gebracht werde.
- Eine Streichung hier und bei der Steuerbefreiung für Fahrzeuge der Land- und Forstwirtschaft würde einem Wettbewerbsnachteil von fast 1 Mrd. € pro Jahr gegenüber EU-Wettbewerbern bedeuten – und das ohne Entlastung an anderer Stelle.
- Der DBV gibt zu bedenken, dass Landwirte den Diesel kaum im Straßenverkehr verbrauchen – so wie Arbeitsmaschinen in Industrie und Gewerbe.
- Eine Lenkungswirkung durch die Abschaffung des Agrardiesels wäre nicht zu erwarten, da die Landwirte praktisch keine Alternativen zum Dieselmotor haben.