„Das ist nicht mehr als ein erster Schritt in die richtige Richtung“, sagte der Agrarwissenschaftler Prof. Friedhelm Taube von der Universität Kiel im Interview mit der taz . Es sei grundsätzlich positiv, die Düngung in den „roten“ Gebieten mit besonders hohen Nitratwerten um 20 Prozent pro Hektar zu reduzieren. „Aber die umweltschädliche Überdüngung wird weitergehen", so Taube weiter.
Taube sieht insbesondere ein Kontrollproblem. Die Landwirte brächten bundesweit seit fünfzehn Jahren im Schnitt jährlich 100 Kilogramm Stickstoff pro Hektar mehr aus, als die Pflanzen aufnehmen könnten, argumentiert Taube. „Die Behörden werden ihre knappen Kontrollkapazitäten jetzt auf die „roten“ Gebiete konzentrieren. Das lässt befürchten, dass die Überdüngung in den „grünen“ Gebieten umso schneller dazu führt, dass diese auch „rot“ werden“, sagte er der taz.
Eine Existenzgefährdung von Landwirten erwartet Taube nicht. „Die Düngerbedarfswerte bei den meisten Pflanzenarten sind sehr großzügig gesetzt, um es ganz vorsichtig auszudrücken. Deshalb wird sich bei minus 20 Prozent vielfach zunächst kaum etwas verändern“, sagte er. Positivbeispiel ist für Taube Dänemark. Das Land habe mit strengen Regeln gezeigt, dass Landwirte bessere Fruchtfolgen wählten und die Erträge so über Jahre nahezu stabil blieben, die Nitratwerte in den Gewässern aber drastisch reduziert wurden, so Taube weiter.
Die Minus-20-Prozent-Regelung wird laut Taube vor allem eine Reduktion des Mineraldüngereinsatzes nach sich ziehen. „Und das ist angemessen“, sagte er. Viele Landwirte vertrauten nach wie vor nicht darauf, dass die Gülle genügend Nährstoffe für die Pflanzen bereitstelle, obwohl die Wissenschaft das "seit 25 Jahren rauf und runter" ausweise, sagte Taube.
Das Nitratmessnetz hält Taube für repräsentativ. „In den letzten sechs Jahren hat Deutschland das Agrarmessnetz von 65 auf 700 Messstellen ausgeweitet, es ist somit in hohem Maße repräsentativ – an der Dimension des Problems hat sich dadurch nichts verändert“, sagte er.
Kurz kommentiert:
Sicher wird es notwendig sein, das Düngerecht auch in den kommenden Jahren weiterzuentwickeln. Darüber sollte rechtzeitig diskutiert werden, wenn die aktuelle Novelle in trockenen Tüchern ist. Die Hauptverantwortung für die aktuelle Misere trägt die Politik, die es schon vor Jahren gemeinsam mit dem Berufsstand versäumt hat, rechtzeitig und konsequent Fehlentwicklungen abzustellen. Die Wissenschaft sollte auch weiterhin auf Defizite hinweisen. Dabei sind aber auch das Timing und die Ansprache wichtig.
Auch wenn Prof. Taube bisher fast immer mit seinen Einschätzungen richtig lag, muss die Frage erlaubt sein, ob es zum jetzigen Zeitpunkt zielführend ist, die Landwirte, die ob des auf sie zukommenden Anpassungsbedarfs ohnehin stark verunsichert sind, mit solchen Interviews weiter zu irritieren, noch dazu mit so scharfen Formulierungen.