Die Kennzeichnung von Fleisch aus verschiedener Haltung steht im Mittelpunkt der Sondierungen von Union und SPD zum Thema Landwirtschaft. Die Tierwohldebatte wird auch die bevorstehende Grünen Woche in Berlin erneut prägen. Im Vorfeld gibt es zaghafte Annäherungen von Verbrauchern und Landwirtschaft.
Die Verbraucherzentralen fordern einen schrittweisen Ausbau einer staatlichen Kennzeichnung für Fleisch aus besserer Tierhaltung. Es sei richtig, dies „erst freiwillig und dann verbindlich“ anzugehen, sagte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller diese Woche der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Die künftige Bundesregierung solle vorhandene Pläne für ein Tierwohl-Label zu einer Haltungskennzeichnung weiterentwickeln, so der Verbraucherschützer.
Verbraucherschützer räumen 2-Jahresschritte ein
Wenn die künftige Regierung sich darauf festlege, dass ein System „vielleicht alle zwei Jahre etwas tierschutzgerechter wird, dann wüssten alle, woran sie sind“, sagte Müller. Ziel könne sein, wie bereits bei Eiern generell die Form der Tierhaltung anzugeben. „Wenn das verbindlich geschehen soll, brauchen wir noch eine Klärung auf europäischer Ebene“, schränkte Müller jedoch ein. Er nannte es legitim, wenn der Handel derzeit für ein einfaches System eintrete. Herstellungsbetriebe seien aber in der Lage, höhere Standards auch rückverfolgbar für das einzelne Tier zu kennzeichnen, sagte er.
Rukwied vorsichtig gesprächsbereit für Kennzeichnung der Haltungsform
Der Deutsche Bauernverband (DBV) sieht die von der Branche getragene Initiative Tierwohl (ITW) für die nächsten drei Jahre weiterhin als Basis. „Das dürfen wir nicht gefährden, weil das die einzige Initiative ist, die bis dato erfolgreich ist“, sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied. Dennoch will er sich der Diskussion um ein Tierwohllabel nicht verschießen. „Wenn wir darüber hinaus über ein staatliches Label beziehungsweise eine Kennzeichnung der Haltungsform diskutieren wollen, sind wir offen und gesprächsbereit - auch, um Dinge zu verzahnen“, sagte Rukwied. Dies hänge vom Inhalt und der Ausgestaltung ab, fügte er an.
Tierärzte äußern sich skeptisch
Die Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz bemängelt hingegen sowohl die Initiative Tierwohl als auch ein staatliches Label. „Die 10 bis 20 Prozent der Tierhalter mit den größten Problemen fallen dabei unten durch“, sagte Thomas Blaha, früherer Professor an der Tierärztlichen Hochschule Hannover. Es reiche nicht, die guten Betriebe in einem Label zu haben. Daneben könnten lokale und regionale Programme aufgelegt werden, um Höfen bei der Verbesserung der Tiergesundheit zu helfen.
Tierschützer bleiben beim schärferen Ordnungsrecht
Die Tierschützer von Provieh fordern eine gesetzliche Haltungskennzeichnung. „Durch eine flächendeckende gesetzliche Kennzeichnung der Haltungsbedingungen auf Fleisch- und Milchprodukten können sich VerbraucherInnen bewusst für eine artgerechtere Haltungsform entscheiden“, heißt es in einer Mitteilung von Provieh zu den Sondierungsgesprächen. Auch Provieh setzt auf die Übertragung der Eierkennzeichnung auf Fleisch und Wurst. Das freiwillige staatliche Label von Agrarminister Christan Schmidt halten die Tierschützer für zu schwach, es schaffe nur Verwirrung. „Dieses Label bezeichnet wenig artgerechte Haltungsformen als Tierwohl, anstatt die wahren Haltungsbedingungen zu kennzeichnen“, sagte Jasmin Zöllmer, Referentin für Agrarpolitik bei Provieh. Deutschland brauche dringend einen nationalen Tierschutzplan am Beispiel von Niedersachsen, ein schärferes Ordnungsrecht, dessen Umsetzung auch konsequent kontrolliert werde und eine verpflichtende Haltungskennzeichnung für alle tierischen Produkte, so ihre Forderung.