Aus Sicht der nordrhein-westfälischen Landwirtschafts- und Umweltministerin Ursula Heinen-Esser brauche es bei den Zielvorgaben der Farm-to-Fork-Strategie der Europäischen Kommission mehr Ausgewogenheit entlang der gesamten Lebensmittelkette. Das betonte die Ministerin auf dem digitalen BäuerinnenForum des Deutschen Landfrauenverbandes (dlv) am Samstag mit über 200 Teilnehmerinnen. Einerseits begrüßt sie den "umfassenden Ansatz" der Farm-to-Fork-Strategie. Alle werden in die Pflicht genommen, auch die Verbraucher. Es sei richtig und wichtig Umweltschutz und Landwirtschaft gemeinsam anzugehen. Doch andererseits fehlen für die Ministerin bisher verbindliche Ziele jenseits der Erzeugerstufe.
Ich habe den Eindruck, dass hier sehr detallierte Ziele für eine Stufe formuliert werden. Und zwar für die Erzeugerstufe" - Heinen-Esser
In den anderen Stufen der Kette blieben die Ziele bisher "eher wage". Da müsse nachgerarbeitet werden. Auch die verarbeitende Industrie und der Lebensmittelhandel brauche mehr verpflichtende Maßnahmen.
Die Sicht einer Landwirtin
Auch Landwirtin und Landfrau Magdalena Zelder sieht neben den Chancen für ihren Betrieb in der Umsetzung der Farm-to-Fork-Strategie auch große Herausforderungen. Zelder bewirtschaftet mit ihrem Mann im rheinland-pfälzischen Wittlich einen Betrieb mit 90 Milchkühen, 165 ha Weiden, Grün- und Ackerland, 600 Legehennen in mobilen Ställen sowie Direktvermarktung. Die Junglandwirtin sieht vor allem das Ziel der Antibiotikareduktion als ambitioniert an: „Natürlich ist es ein schönes Ziel, den Antibiotika-Einsatz um 50 % zu reduzieren. Aber in Deutschland sind wir hier schon weit voraus.“ Und wenn ein Tier krank ist, müsse sie dieses im Stall auch nach guter fachlicher Praxis behandeln können. Ähnlich sehe es auf dem Acker aus. „Wenn mein Ertrag geringer ausfällt, weil ich den Vorgaben entsprechend Pflanzenschutz- und Düngemittel einspare, stellt sich mir die Frage: Wie bekomme ich meine Kühe satt? Ich kann meinen Bestand nicht minimieren."
Auch Heinen-Esser sieht die Reduktionsziele für Pflanzenschutz und Antibiotika als ambitioniert und sieht insbesondere dort Handlungsbedarf. Die Ziele sollen nicht nur durch den Verzicht auf Produktion erreichet werden: "Wenn es das Ergebnis ist, dass wir mehr Agrarprodukte improtieren müssen, haben wir damit überhaupt nichts erreicht", so die Ministerin. Es sei nicht zielführend, Pflanzenschutzmittel zu verbieten und dann mangels Alternativen Notfallzulassungen vorzunehmen. Dies gelte auch für Antibiotika in der Tierhaltung.
Der Forderung im Strategiepapier nach mehr Biolandbau stehe Zelder offen gegenüber. Sie sehe aber klar das Problem, dass die Abnahme der dann erzeugten Produkte nicht geregelt sei und die Märkte dafür fehlten. Zudem vermisse sie Aussagen zur finanziellen Ausgestaltung der Strategie, die Landwirten die nötige Planungssicherheit im Umbauprozess ermöglicht. „Naturschutz, Umweltschutz und Landwirtschaft“, so Magdalena Zelder, „müssen mehr miteinander arbeiten, nicht gegeneinander, denn wir haben dieselben Ziele.“