Manchmal kommt es knüppeldick: Als wenn der Stopp des Getreideabkommens noch nicht gereicht hätte, unterbricht wochenlanges Regenwetter weiterhin die Erntearbeiten in weiten Teilen Deutschlands und Europas.
Enttäuschende Erträge und niedrige Eiweißgehalte beim Weizen kennzeichnen die Ernteergebnisse in Deutschland. Die endgültigen Mengen- und Qualitätseinbußen sind noch nicht absehbar. Die Spekulationen darüber und jede weitere Wettermeldung hatten Preisschwankungen zur Folge, die in Höhe und Schnelligkeit bislang selten auftraten. Ein Beispiel: Die September-Weizenkurse zogen in Paris Mitte Juli binnen weniger Tage um gut 30 €/t auf 261 €/t an, um Mitte August wieder bei 245 €/t zu stehen. Wie sollte man jetzt als Landwirt reagieren?
Was kommt aus der Ukraine?
Ukrainisches Getreide kann seit Mitte Juli nicht mehr über den Bosporus für den Weltmarkt verschifft werden. Gleichzeitig griff die russische Armee Getreidelager in Odessa und auch Hafenanlagen der Donau an, um Ausfuhren aus der Ukraine zu verhindern. Mittlerweile greift auch die Ukraine russische Hafenanlagen und Schiffe auf dem Schwarzmeer an. Die Aussichten auf sichere Getreideexporte aus der Schwarzmeerregion für den Weltmarkt sind damit mehr als fragil.
Da helfen auch die neuesten Zahlen des landwirtschaftlichen Beratungsunternehmens Ikar aus Russland wenig, das eine um 1,5 Mio. t größere Weizenernte und damit 88 Mio. t erwartet. Die EU und die Ukraine denken über alternative Routen nach, um die Welt mit ukrainischem Getreide versorgen zu können.
All dies führt dazu, dass die Preise für Getreide an den internationalen Börsen und damit auch am Kassamarkt extrem schwanken, nicht vorhersehbar sind und kaum für die Orientierung auf dem Kassamarkt taugen.
Kleinere EU-Ernte
Preisstützende Signale kommen aus Brüssel: Der europäische Bauern- und Genossenschaftsverband Copa/Cocega geht seit dem Erntestart von einer deutlich kleineren EU-Getreideernte aus. Mit 256 Mio. t rechnet er mit dem schwächsten Ergebnis seit 16 Jahren. Schwierige Witterungsbedingungen während der Ernte haben das Ergebnis der Gemeinschaft zusätzlich geschmälert. Die Weizen-Prognose in Frankreich wurde zwar Anfang August um 600 000 t auf 35,6 Mio. t erhöht. Gut zehn Prozent mussten aber noch eingefahren werden. Und auch hier stieg zuletzt die Sorge um die Qualitäten des Getreides.
Deutsche Weizenernte fällt ins Wasser
Zwar war die Gerstenernte vor den lang anhaltenden Regenfällen Ende Juni meist zufriedenstellend beendet. Sehr niedrige Sortierungen treten bei der Sommergerste auf. Schwache Proteinwerte kommen hinzu. Seit Mitte Juli stoppten dann Regenfälle in vielen Teilen Deutschlands die Arbeiten und ließen die Sorge um die Qualitäten und Erträge täglich wachsen. Beim Weizen liefen die Druscharbeiten erst kurz vor Redaktionsschluss dieser Ausgabe wieder an. Im Norden und Nordwesten Deutschlands standen noch etwa 80 % auf dem Feld.
Die Fallzahlen sind verbreitet abgesackt, zu Auswuchs kam es auch in noch stehenden Beständen. Erträge und Qualitäten lassen verbreitet zu wünschen übrig. Mühlen fragen bereits intensiv bessere Qualitäten nach. Auf der Verkäuferseite werden die tatsächlichen Qualitäten abgewartet. Sicher ist aber: Kraftfutterwerke können in den kommenden Wochen von einem größeren Angebot an Futterqualitäten ausgehen. Viele ins Lager gegangene Flächen taugen allerdings, wenn überhaupt noch zu ernten, wohl nur noch für die Biogasanlage.
USDA: Weniger Weizen
Im jüngsten WASDE-Report des US-Landwirtschaftsministeriums (USDA) vom 11. August 2023 erwarten die Washingtoner Marktbeobachter weltweit weniger Weizen. Mit 793,4 Mio. t schätzen sie das globale Angebot um 3,3 Mio. t geringer ein als in der letzten Schätzung von vor vier Wochen. Neben den Schätzungen für die USA, der Europäischen Union und Kanada fallen auch die Aussichten für China geringer aus.
Russland, die Ukraine und Kasachstan können das kleinere Angebot nur zum Teil kompensieren. Die weltweiten Endbestände für die Saison 2023/24 hat das USDA um fast 1,0 Mio. t auf 265,6 Mio. t reduziert – ein Minus von rund 2,6 Mio. t zum Vorjahr.