„Als wir letzten Sommer die Aussaat für den Herbst geplant haben, war die Welt noch rosarot“, sagt Jan-Niklas-Paul. Der Nebenerwerbslandwirt aus Waldeck-Frankenberg in Hessen bewirtschaftet 60 ha Acker- und Grünland. Im vergangenen September hat er nach Rücksprache mit dem Landhandel 10 ha EU-Bio-Dinkel ausgesät und konnte sich eigentlich in diesem Sommer über eine gute Ernte freuen. Statt der errechneten 4 t Dinkel pro ha erntete er knapp 6,5 t pro ha. So rosarot war es für ihn nach der Ernte nicht mehr, denn jetzt möchte niemand seinen Bio-Dinkel kaufen.
„Gott sei dank habe ich im letzten Jahr zumindest einen Vorkontrakt abgeschlossen und konnte bereits 25 t Dinkel verkaufen“, sagt der Agrarbetriebswirt. „Ich dachte, die restlichen 15 t werde ich wohl los.“ Durch den ungeplant hohen Ertrag liegen in seinem Lager jetzt allerdings noch knapp 40 t Dinkel, die er über den freien Markt verkaufen muss. Ob das überhaupt noch möglich ist, weiß Jan-Niklas Paul nicht. „Aktuell kann mir niemand den Dinkel abnehmen“, erklärt er.
Dinkel-Vorräte bis April 2024
Um seine Kosten zu decken, müsste er 40 € pro Doppelzentner bekommen. Jetzt würde er sich schon über 35 € freuen: „Das wäre dann zwar nicht der beste Preis, aber wenigstens etwas und das Lager wird leer.“ In seinen Augen sei die aktuelle Lage eher widersprüchlich: „Monatelang wird über Getreidemangel gesprochen und jetzt ist kein Platz mehr in den Lägern.“ Laut Markt-Experten sei der Dinkelmarkt aktuell so übersättigt, dass die eingelagerten Vorräte noch bis April 2024 reichen könnten, erklärt der Landwirt. Von Bekannten aus städtischeren Gegenden wisse er, dass dort das Dinkel-Mehl ständig ausverkauft sei. Das sei in den ländlicheren Gebieten rund um seinen Betrieb anders. „Ich kann mir nur nicht erklären, warum es dann mit der Bio-Vermarktung über den Handel nicht funktioniert.“ Er sei jetzt hauptsächlich froh, über die bereits verkauften 25 t.
Monatelang wird über Getreidemangel gesprochen und jetzt ist kein Platz mehr in den Lägern." - Jan-Niklas Paul
Was mit dem eingelagerten Bio-Getreide nun passieren wird, weiß Jan-Niklas Paul noch nicht. „Eigentlich möchte ich gerne alles gesammelt verkaufen. Mir wird aber voraussichtlich keine andere Wahl bleiben, als es regional in kleinen Mengen zu verteilen“, erklärt er. Er hoffe darauf, dass wenigstens einzelne Tonnen noch abgenommen werden. Durch den Bio-Anbau kann er das Getreide nicht ewig im Lager liegen lassen, ohne Qualitätsverluste zu machen. Außerdem müsse er dann auch die laufenden Kosten für das Lager decken. Durch die noch junge Betriebsgeschichte – Paul ist 2019 in die Landwirtschaft eingestiegen – könne er nicht auf jahrelange Rücklagen zurückgreifen, die das ermöglichen.
Aktuell fühle sich der Landwirt aktuell vor allem vom Handel im Stich gelassen. Er sei als darauf angewiesen seine Fruchtfolgen und Termine einzuhalten. „Dafür ist der Dinkel eine gute Frucht. Ich würde ihn eigentlich gerne wieder anbauen“ – durch die aktuelle Lage sei er jetzt aber auf eine Fruchtfolge ohne Dinkel ausgewichen und hoffe darauf, sein Getreidelager zeitnah leeren zu können.