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topplus Studie zu 148 GMO

Prof. Thiele zu Eingriffen am Milchmarkt: „Das Risiko holt uns immer ein“

Kieler Agrarökonomen finden kaum Positives an einer deutschen Umsetzung des Artikel 148 GMO. Vertreter von Union und FDP sehen sich in ihrer Einschätzung bestätigt, Erzeugerverbände halten dagegen.

Lesezeit: 7 Minuten

Der Milchmarkt ist notorisch volatil und bietet aus Sicht der Milcherzeuger zu selten kostendeckende oder gar gewinnbringende Preise. Seit langem wird deshalb von Teilen der Milchbauernschaft eine nationale Umsetzung des Artikel 148 der Gemeinsamen Marktordnung (GMO) gefordert, um die Position der Erzeuger in der Wertschöpfungskette Milch zu verbessern. Auch das Bundeslandwirtschaftsministerium will eine derartige Regelung, stößt damit aber bei Molkereien und Teilen der Wissenschaft auf Widerspruch.

Kosten von gut 100 Mio. € erwartet

Am Donnerstag hatten Prof. Holger Thiele vom ife-Institut für Ernährung und Ernährungswirtschaft in Kiel sowie Prof. Torben Tiedemann von der Fachhochschule Kiel Ergebnisse einer aktuellen Studie zu den Effekten von Milchliefervertragsänderungen vorgelegt. Nach ihrer Einschätzung brächte die Umsetzung des Artikels 148 GMO keine Stärkung der Position der Milcherzeuger. Vielmehr würde die notwendige Preisabsicherung erhebliche Kosten verursachen: je nach Szenario von mehr als 100 Mio. €. Diese müssten letztlich von der Wertschöpfungskette getragen werden.

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Dafür setzte es scharfe Kritik vom Bund Deutscher Milcherzeuger (BDM), den Freien Bauern und anderen Erzeugerverbänden. Thiel rückt von seiner Analyse jedoch nicht ab. Bei einem Parlamentarischen Frühstück des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV) betonte der Agrarökonom am Freitag in Berlin, dass höhere Preise durch Festpreismodelle und Eingriffe im Sinne von 148 GMO nicht möglich seien. Auch das BMEL gehen davon nicht aus, sondern ziele allenfalls auf Preisstabilität ab.

Absicherung kostet immer Geld

Egal, ob eine Molkerei Preisabsicherung über den Terminmarkt oder über eigene Prognosemodelle betreibe: In beiden Fällen müssten Risikoabschläge vorgenommen werden, denn „Absicherung kostet immer Geld“, betonte Thiele. Nachzahlungen würden den Erzeugern zudem indirekte Nachteile verschaffen, da ihnen das Geld zuvor entzogen wäre und Zinskosten verursachen würde. Egal wie, einer werde immer verlieren, verdeutlichte der Wissenschaftler, denn „das Risiko holt uns immer ein“ und müsse stets von jemandem abgesichert werden. Im Falle von Terminmarktabsicherung wären das nach Berechnungen der beiden Autoren 0,4 Cent pro Kilogramm Rohmilch.

Absicherung ist laut Thiele auch für den hypothetischen Fall unumgänglich, dass die Kündigungsfristen im Erzeuger-Molkerei-Verhältnis drastisch gekürzt werden. Diese Frage war zwar nicht Teil der Studie, wird teils aber von Landwirten gefordert und ginge mit Dreiviertel-Mehrheit in Genossenschaftsmolkereien schon heute. Dieser Schritte würde laut Thiele aber ebenfalls negative Effekte nach sich ziehen. Er gibt zu bedenken, dass tendenziell schlechter ausgelastete Molkereien oder solche mit unsicherem Lieferantenstamm ihrerseits ein höheres Risiko und höhere Stückkosten hätten. Das würde sich nach seiner Einschätzung ebenfalls in niedrigeren Erzeugerpreisen bemerkbar machen.

Migende: 148 würde gesamte Wertschöpfungskette schwächen

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Raiffeisenverbandes (DRV) Jörg Migende, wies darauf hin, dass zwei Drittel der Milch in Deutschland von Genossenschaftsmolkereien abgenommen und verarbeitet wird. Er sagt: „Die Molkereigenossenschaften gehören den Bauern, die Bauern legen die Strategie fest und bestimmen auch die Strategie im Bereich der Milchpreisauszahlung.“ Hinzu komme die Abnahmegarantie in der Geno-Molkerei, also kein „Rosinenpicken“ wie bei anderen Rechtsformen.

Die Diskussion über Artikel 148 GMO greift nach seiner Auffassung in diese „funktionierende, gelebte Beziehung“ ein. Die genossenschaftliche Milch- und Molkereiwirtschaft lehne das ab. Der DRV-Hauptgeschäftsführer kann auch der Argumentation der Befürworter nicht folgen. Die würden meinen, der Milchpreis werde mit den Markteingriffen steigen und der Erzeuger wisse im Vorfeld, was er für einen Preis bekomme. In Ländern wie Frankreich sei der Milchpreis aber nicht höher, obwohl der 148 GMO schon angewendet werde.

Mit Blick auf die Studie stellt Migende fest: „Das Ergebnis der Wissenschaftler ist eindeutig: Die nationale Umsetzung des Artikels 148 würde die gesamte Wertschöpfungskette Milch und insbesondere auch die Erzeugerinnen und Erzeuger schwächen, statt sie zu stärken. Sie hätten mit erheblichen finanziellen Einbußen zu rechnen. Dazu darf es nicht kommen.“ Der DRV-Hauptgeschäftsführer fordert deshalb, dass sich die Regierung von Plänen zur nationalen Umsetzung des Artikels 148 endgültig verabschiedet, „so wie es der DRV und auch viele Politikerinnen und Politiker schon lange fordern“.

Stegemann: Union komplett dagegen

Für den agrarpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Albert Stegemann, zeigen Studien wie die von Thiele und Tiedemann, dass „Rationalität und Mathematik“ gegen Artikel 148-GMO sprechen, obwohl die Ziele der Befürworter grundsätzlich berechtigt seien. Eine Molkerei könne letztlich am Ende nur das auszahlen, was erwirtschaftet wird. „Aus Sicht der Union ist der 148 beseelt von der Idee, dass man Verwertung künftig nicht mehr aus dem Markt zieht, sondern möglicherweise aus Verträgen. Wir wissen, dass das nicht funktioniert“, so Stegemann, der als Genossenschaftler im Südwesten Niedersachsens selbst einen Milchviehbetrieb bewirtschaftet.

Er wirft dem Prinzip von Markteingriffen auch mangelnde Transparenz vor. Stegemann will als Landwirt wissen, wie wettbewerbsfähig und innovationsfähig die eigene Molkerei ist. Wenn er von seiner Molkerei ihr Geschäft absichere, sei nicht mehr zu erkennen, ob der Betrieb gut funktioniere oder ob der Abnehmer nur „ein glückliches Händchen an der Börse“ gehabt habe. „Das muss der Landwirt schon selbst machen“, meint der CDU-Politiker zur Absicherung. Zwinge der Staat die Genossenschaftsmolkereien dazu, „haben am Ende alle weniger“. Deshalb sei die Union komplett dagegen.

FDP auf Distanz, SPD neugierig

Auch in der FDP-Bundestagsfraktion finden sich wohl keine Befürworter der BMEL-Pläne. Karlheinz Busen zufolge hat seine Fraktion schon länger beschlossen, dass sie den Plan des Bundeslandwirtschaftsministeriums „so nicht“ mittragen will. Dafür gebe es einfach noch zu viele Fragen, was die Folgeeffekte eines solchen staatlichen Eingriffs angehe.

Ambivalenter ist die Position der SPD-Bundestagsabgeordneten Dr. Franziska Kersten. Sie verstehe, dass sich Deutschland nicht vom Weltmarkt abkoppeln könne, stellte Kersten klar. Dennoch würde sie sich mehr Informationen über Effekte für die Erzeuger wünschen, wenn diese sich für eine kürzere Zeitspanne an Molkereien binden und oder mit einer Mengensteuerung agieren würden. Das scheitert nach Einschätzung von Thiele allerdings an den hohen Kosten, die so ein Versuch unter Beteiligung von Erzeugern und Molkereien verursachen würde.

BDM: Vollkaskomentalität der Molkereien

Der Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM) will den Ergebnissen der nun vorliegenden Studie dennoch nicht folgen. „Wenn man das auf den großen Rest der Geschäftswelt überträgt, in der vertragliche Vereinbarungen Grundlage jeder Geschäftsbeziehung sind, würde das Studienergebnis bedeuten, dass man alle Verträge am besten unterlassen sollte, weil man dadurch nur überflüssige Kosten produziert. Man könnte fast lachen, wenn es für die Milchviehhalter nicht so ernst wäre“, meint BDM-Vorstand Manfred Gilch. Für ihn zeigt die Argumentation der Professoren Thiele und Tiedemann deutlich, „wie extrem an einer kompletten Verlagerung des Marktrisikos auf die Milchviehhalter festgehalten werden soll“.

Gilch kritisiert auch, dass „wie selbstverständlich davon ausgegangen wird“, dass die für die Preisabsicherung entstehenden Kosten von den Milchviehhaltern zu tragen seien, indem man die Milcherzeugerpreise entsprechend kürzt. „Noch deutlicher kann man die Vollkaskomentalität der Molkereien zu Lasten der Milcherzeuger nicht zum Ausdruck bringen“, so der BDM-Vorstand.

AbL: Brauchen Verträge mit Preisen, Menge und Dauer

Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Niedersachsen, Ottmar Ilchmann, wirft den Gutachtern vor, lediglich mögliche Schwierigkeiten aufgeführt zu haben. Er nimmt auch die Genossenschaftsmolkereien in die Pflicht. Die sollten von ihrem Ursprungsgedanken her für Bäuerinnen und Bauern handeln und dazu beitragen, dass Synergien beim Ein- und Verkauf gebündelt werden, um Bäuerinnen und Bauern zu stärken.

„Der Verband der Genossenschaften stellt sich mit diesem Parlamentarischen Frühstück gegen die Forderungen der Milchbäuerinnen und Bauern, nämlich künftig ihre Milch nicht mehr zu liefern und im Nachhinein den Preis zu erfahren, sondern ihre Milch überhaupt verkaufen zu können“, moniert Ilchmann. Dafür seien Verträge notwendig, in denen vorab Preise, Menge und Dauer festgeschrieben werden. Deshalb müsse der Artikel 148 GMO in Deutschland dringend wirksam angewendet werden.

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