Unsere Autoren: Gernot Bodner, Sebastian Wieser, Karin Wriessnig, Christoph Rosinger, Katharina Keiblinger, Institute für Pflanzenbau, Bodenforschung und Angewandte Geologie, BOKU Wien
Auf der Suche nach Antworten auf den Klimawandel ist der Humus zu ungeahnter Prominenz gekommen. Von politischen Entscheidungsträgern über Wissenschaft, Handel, Konsumenten bis hin zu neuen Strömungen in der Landwirtschaft: überall stößt man auf das Ziel des Humusaufbaus. Aber was sind aus der Sicht moderner Humusforschung die Möglichkeiten und realistische Ziele für den Ackerbau?
Kontinuierlicher Abbau
Die so genannte neue Humustheorie eröffnet einen neuen Blick auf die treibenden Kräfte, eines mehr oder weniger schnellen Abbaus organischer Substanzen (oder Ernteresten) im Boden. Ausgangspunkt der Humustheorie war die unerwartete Erkenntnis, dass einfache (Zucker) und komplexe (Lignin) organische Verbindungen ähnliche Verweilzeiten im Boden haben, also die chemische „Komplexität“ offenbar keine ausreichende Barriere für den mikrobiellen Abbau darstellt. Dies gilt jedoch ganz allgemein für das Humusalter im lebendigen Oberboden.
In den oberen 10 cm hat mehr als 50 % des Gesamthumus ein Alter von weniger als 10 Jahren. Erst in den biologisch weniger aktiven Unterkrumen-Horizonten wird Humus dauerhaft stabilisiert. Hier brachte die bodenbiologische Forschung Aufklärung: bei ausreichend energiereichem Futter (z. B. Zucker aus den Wurzelausscheidungen) können Mikroorganismen stabile Mineral-Humus-Komplexe im Oberboden „knacken“, während im Unterboden das energiereiche Futter dazu fehlt.
Schnell gelesen
Die neue Humustheorie besagt, dass Humus einem kontinuierlichen Abbau unterliegt. Dies gilt jedenfalls für den lebendigen Oberboden.
Das Steigerungspotenzial des Humusgehaltes durch Managementänderungen im Ackerbau liegt bei bis zu 30 %.
Leichte und humusarme Böden reagieren sensibler auf humussteigernde Maßnahmen als schwere Böden mit hohem Ausgangshumusgehalt.
Humusmanagement kann als eine Art von Kohlenstoff-Düngungsmaßnahme gesehen werden. Sie fördert ertragsrelevante Funktionen der Bodenstruktur.
Ähnlich der Tiefenwirkung sind auf Ökosystemebene hohe Humusgehalte die Folge eines natürlich limitierten mikrobiellen Abbaus. Sehr aktive mikrobielle Kreisläufe findet man dagegen in den feuchten Tropen: hier dienen die äußerst intensiven Umsatzvorgänge als Grundlage für die hohe pflanzliche Primärproduktion.
Studien zu Landnutzungsänderung zeigen, dass die Humusgehalte in Äckern um etwa 40 bis 60 % niedriger liegen als im Wald und Grünland. Die Hauptursache ist naheliegend: Ackerbau beruht auf einjährigen Kulturpflanzen und geht mit regelmäßiger Störung und mit längerer vegetationsfreier Zeit einher. Einen feldnahen „Landnutzungsvergleich“ bieten dauerhaft bewachsene Ackerränder. In diesen „halbnatürlichen“ Flächen mit dauerhaften, grasdominiertem Bewuchs liegen die Humusgehalte um etwa 65 % höher.
Bis zu 30 % Potenzial
Steigerungsmöglichkeiten durch Managementänderung im Ackerbau lassen sich damit sinnvoll nur innerhalb einer ackerbaulichen Landnutzung abschätzen. Aus der Vielzahl an Studien lässt sich ein Steigerungspotenzial zwischen 10 bis 30 % ablesen. Dies wurde auch durch eine neue Untersuchung auf Praxisflächen landwirtschaftlicher Pionierbetriebe mit minimaler Bodenbearbeitung und hohem Anteil an Begrünung und Unter- und Begleitsaaten bestätigt.
Die Veränderungsmöglichkeiten sind jedoch stark standortabhängig: leichte und humusarme Böden reagieren sensibler auf humussteigernde Maßnahmen als schwere Böden mit hohem Ausgangshumusgehalt.
Der Stabilität von Humus kann man sich auch über die Verbrennungstemperatur annähern. Ein Vergleich von benachbarten Feldern unter standortüblicher vs. bodenaufbauender Bewirtschaftung ergab, dass bei einer Gesamtsteigerung der oxidierbaren organischen Substanz auf den Pionierflächen von 11 % die signifikante Veränderung bei den leicht oxidierbaren Verbindungen lag.
Es verwundert damit nicht, dass auch die stärksten Einflüsse auf wichtige Bodenfruchtbarkeitsindikatoren wie etwa mikrobielle Atmungsaktivität oder Wasserspeicherfähigkeit vor allem im Bereich leicht umsetzbarer Humusfraktionen gefunden wurden. Humusmanagement kann daher als eine Art von Kohlenstoff-Düngungsmaßnahme gesehen werden.
Schnell wirksamer „Kohlenstoffdünger“ fördert effizient ertragsrelevante Funktionen der Bodenstruktur sowie Nährstoffumsetzung und ist somit der Hebel von Produktionssystemen, die auf die „Regeneration“ der Bodengesundheit setzen. Diese innovativen Systeme müssen dabei nicht nur angepasst sein, mikrobielle Kreisläufe zu aktivieren, sondern auch deren (Nährstoff)potenziale mit (nutz)pflanzlicher Primärproduktion effizient abfangen.
Die bodenbiologische Sicht auf die lebendige Seite des Humus eröffnet somit einen alternativen Zugang zu „Carbon Farming“. Dieser kann nicht nur Bodengesundheitsfortschritte besser abbilden. Sondern steht auch mit dem ureigenen Zweck des Ackerbaus, auf fruchtbaren Böden hochwertige Lebensmittel zu produzieren, im Einklang.