Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) hat ihren Fokus im heurigen Jahr auf die Praktiken des Lebensmittelhandels gelegt. Erst Anfang November deckte die Behörde einen Lebensmittelhändler auf, der in 16 Fällen gegen das Faire-Wettbewerbsbedingungen-Gesetz (FWBG) verstoßen hatte.
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In einer großen Untersuchung hat die Bundeswettbewerbsbehörde den Handel wegen unlauterer Praktiken überprüft.
Dabei berichteten zahlreiche Lieferanten und Bauern von unfairen und harten Preisverhandlungen sowie Drohungen mit der Auslistung der Produkte.
Die Bauern stehen bei Verhandlungen den vier großen Handelsketten gegenüber. Deshalb hat das Landwirtschaftsministerium das Fairnessbüro gegründet.
Geschädigt wurden Händler und Produzenten von Agrar- und Lebensmittelerzeugnissen. „Die Handelskette habe an die Lieferanten sogenannte Pro-forma-Rechnungen über Pauschalbeträge versandt, wobei die verlangten Zahlungen nicht im Zusammenhang mit den Produkten standen. Konkret wurden Zahlungen zur Unterstützung eines Transformationsprozesses im Unternehmen gefordert“, teilt die Wettbewerbsbehörde mit. Für 16 Lieferanten hat die BWB jetzt Anträge am Kartellgericht eingebracht. Die bezahlten Summen wurden zurückerstattet. Die Handelskette muss mit Strafzahlungen rechnen.
Preistreiber Inflation
Dies ist nur ein Fall von vielen. Die BWB hat ein Jahr lang die heimische Lebensmittelbranche auf unfaire Praktiken überprüft. Hintergrund waren die signifikanten Preissteigerungen für die Konsumenten, globale und europäische Entwicklungen in der Wertschöpfungskette sowie die hohe Inflation. „Die Analyse zeigt mehrere Schwachstellen im Hinblick auf die Wettbewerbssituation. Die Anzahl der gemeldeten unfairen Praktiken gegenüber Lieferanten ist beunruhigend, gleichzeitig sehen wir Schwächen des Binnenmarktes. Außerdem sollte die Situation der Verbraucher im Hinblick auf Preistransparenz gestärkt werden“, erklärt Natalie Harsdorf-Borsch, Leiterin der BWB.
Handelskonzerne überprüft
Vor allem Landwirte stehen vor großen Herausforderungen, wenn sie mit den Handelsketten verhandeln müssen. „Die Lebensmittelpreise werden vor allem durch internationale Märkte beeinflusst. Nichtsdestotrotz: Entlang der Lebensmittelkette herrscht ein Kampf mit ungleichen Waffen. Mehr als 110.000 Bäuerinnen und Bauern und eine Vielzahl von Lieferanten stehen vier großen Handelskonzernen gegenüber, die 91 % des heimischen Marktes kontrollieren“, erklärt Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig.
Dieses Ungleichgewicht führe zu harten Preisverhandlungen, drohenden Auslistungen oder aufgezwungenen Vertragsbedingungen. Vier von zehn Lieferanten geben an, von sogenannten ‚schwarzen Praktiken‘ betroffen zu sein. Um Lieferanten im Kampf gegen unfaire Handelspraktiken zu schützen, habe das Ministerium das unabhängige Fairnessbüro eröffnet. „Das ist ein wichtiger Schritt in Richtung mehr Gerechtigkeit in der Lebensmittelkette. Es fungiert im stetigen Austausch mit der Bundeswettbewerbsbehörde wie ein Radar und spürt das Ungleichgewicht in der Verhandlungsmacht auf“, sagt der Minister.
Eigenmarken nehmen zu
Ein weiteres Problem sei der Anteil an Eigenmarken, der im Lebensmitteleinzelhandel immer mehr zunehme. Damit steige nicht nur die Verhandlungsmacht der Konzerne, sondern auch die Austauschbarkeit von heimischen Lebensmitteln und Produzenten. So könne es vorkommen, dass ein Handelskonzern von einem Unternehmen einen gewissen Produktionsanteil für seine Eigenmarke in gleicher Qualität verlange, aber zu deutlich geringerem Preis. Bei Verweigerung drohe die Auslistung des Markenproduktes.
Branche offen für Dialog
Der Branchenvertretung in der Wirtschaftskammer sind laut Christian Prauchner, Obmann des Bundesgremiums Lebensmittelhandel, die in dem Bericht genannten Fälle unbekannt. Dennoch versichert er, dass die Branche jeden einzelnen Fall konsequent prüfen wird, sobald konkrete Informationen vorliegen. Zudem betont er die Bereitschaft des Lebensmitteleinzelhandels zu einem offenen und konstruktiven Dialog mit verschiedenen Interessengruppen wie der BWB, dem Fairnessbüro und der Landwirtschaft.