Wir stellen es am Beispiel eines bayerischen Bauern vor. Wäre es auch ein Modell für Österreich?
Unsere Autorin: Neele Schäfer, Projektmanagerin F.R.A.N.Z., Umweltstiftung Michael Otto
Schnell gelesen
Das Projekt F.R.A.N.Z. sucht nach Lösungen, wie eine erfolgreiche Kooperation zwischen Landwirtschaft und Naturschutz aussehen kann.
Für die Landwirtschaft stehen zehn Demonstrationsbetriebe im Mittelpunkt, die in der Bundesrepublik Deutschland verteilt und jeweils typisch für ihre Region sind.
Es werden 15 verschiedene Maßnahmen angeboten. Sie lassen sich in die Produktion integrieren, bringen blühende Strukturen, fördern Feldvögel oder werden am Grünland umgesetzt.
Anhand des Beispielbetriebes von Friedrich und Sebastian Dickow wird aufgezeigt, was die Maßnahmen bringen.
Die weltweite Nachfrage nach landwirtschaftlichen Produkten und der gleichzeitige Erhalt der Biodiversität sind eine große Herausforderung. Das Demonstrationsprojekt F.R.A.N.Z. (Für Ressourcen, Agrarwirtschaft und Naturschutz mit Zukunft) setzt hier an. Gesucht werden Lösungen, wie eine erfolgreiche Kooperation zwischen Landwirtschaft und Naturschutz aussehen kann.
Läuft seit sieben Jahren
Gemeinsam werden Maßnahmen entwickelt und erprobt, die die Biodiversität in der Agrarlandschaft erhöhen und fördern – und dabei gleichzeitig wirtschaftlich tragfähig und praxistauglich sind. Im Mittelpunkt stehen zehn Landwirtschaftsbetriebe, die in Deutschland verteilt und jeweils typisch für ihre Region sind. Diese werden von den dort ansässigen Landesbauernverbänden und deren Kulturlandschaftsstiftungen und mit weiteren Partnern vor Ort betreut und beraten. Das Projekt zeigt seit über sieben Jahren, wie eine moderne, leistungsfähige Landwirtschaft mit dem Erhalt der Artenvielfalt vereinbar ist.
Einen dieser Betriebe bewirtschaften Friedhelm und Sebastian Dickow in Niederbayern. Auf 70 ha bauen sie u. a. Weizen, Gerste, Mais, Körnerhirse und Kleegras an. Daneben halten sie 120 Stiere sowie 1.600 Ferkel. Weiters betreiben sie in Kooperation mit vier weiteren Landwirten zwei Biogasanlagen und eine Maschinengemeinschaft.
Sebastian Dickow erklärt, warum die Landwirte neben dem regulären Betrieb zusätzlich Biodiversitätsmaßnahmen im F.R.A.N.Z.-Projekt umsetzen: „In einer Zeit, in der täglich kontrovers über Biodiversität und Landwirtschaft diskutiert wird, die Möglichkeit zu haben, aktiv an zukunftsfähigen Lösungen mitzuarbeiten und auch eigene Ideen einbringen zu können, war für uns trotz des erheblichen Aufwandes etwas, das wir nicht ausschlagen konnten.“
Er möchte die bisherigen Erfahrungen und die gewonnenen Kontakte und Freundschaften nicht missen: „Der Wissenszuwachs und das entstandene gegenseitige Verständnis sind etwas, was mich jederzeit wieder dazu bewegen würde, an einem solchen Projekt teilzunehmen. Ich würde es allen Berufskollegen empfehlen, die eine solche Chance bekommen.“
Beratung als Schnittstelle
Im F.R.A.N.Z.-Projekt spielt bei der Umsetzung der Maßnahmen die Betriebsberatung als Schnittstelle zwischen Landwirtschaft und Forschung eine zentrale Rolle. Dickows werden von Dr. Claudia Kriegebaum und Dominik Himmler von der Bayerischen KulturLandStiftung beraten. Sie begleiten u. a. die Umsetzung der F.R.A.N.Z.-Maßnahmen auf rund 9 % der LN.
Eine Erkenntnis des Projektes: eine zielgerichtete und qualifizierte Naturschutzberatung ist für die erfolgreiche Umsetzung von Biodiversitätsmaßnahmen entscheidend. F.R.A.N.Z. fordert daher ein von der Politik gefördertes, ausreichendes Beratungsangebot, zu dem alle Landwirte Zugang haben.
Auf dem Betrieb in Niederbayern legt die Familie Dickow u. a. die F.R.A.N.Z.-Maßnahmen:
strukturreiche und mehrjährige Blühstreifen,
blühende Vorgewende,
Extensivgetreideflächen mit blühender Untersaat und
Insektenwälle an.
Die Landwirte haben sich für diese Maßnahmen entschieden, um der Vielfalt der bereits vorhandenen Zielarten auf ihrem Betrieb gerecht zu werden. Gleichzeitig wollen sie aber auch eine landwirtschaftliche Nutzung gewährleisten. Zum Beispiel kann die spezielle Saatgutmischung der Blühstreifen für die Biogasanlage genutzt werden.
Nicht selten mit Melde-Distel-Gemenge gestartet
Bei der typisch bayerischen, kleinen Agrarstruktur sind nicht immer die geeigneten Maschinen im Betrieb vorhanden. Daher mussten Dickows bei der Umsetzung der Maßnahmen öfter kreativ werden: „Ein paar Untersaaten mussten wegen ungünstiger Bedingungen im Herbst mit einem Striegel im Frühjahr nachgebaut werden. Und der eine oder andere Blühstreifen startete als Melde-Distel-Gemenge, da sich das autochthone Wildblumen und -kräuter-Saatgut nicht durchsetzen konnte. Für eine erfolgreiche Etablierung der Blühstreifen ist der Pflug hier ein nahezu unerlässliches Gerät.“
Das F.R.A.N.Z.-Projekt hat sich für Maßnahmen entschieden, die für intensiv bewirtschaftete Acker- und Grünlandflächen relevant und praktikabel sind und möglichst viele Artengruppen fördern. Bei der Auswahl der Demonstrationsbetriebe werden betriebliche und natürliche Gegebenheiten berücksichtigt. Denn nicht jede Maßnahme passt zu jedem Betrieb. Im aktuellen Fundus sind 15 Maßnahmen enthalten. Sie lassen sich in die Produktion integrieren, bringen blühende Strukturen, fördern Feldvögel oder werden auf dem Grünland umgesetzt. Entscheidend ist eine regional angepasste Kombination der Verfahren.
Positive Zwischenbilanz
Die ökologische Begleitforschung untersucht die Wirkung der umgesetzten Maßnahmen auf verschiedene Organismengruppen. Dabei werden Pflanzen, Tagfalter, Vögel, Feldhasen, Amphibien, Schwebfliegen, Laufkäfer und Wildbienen genauer betrachtet. Nach sechs Jahren hat das Projekt in seiner Zwischenbilanz festgehalten, dass die erprobten F.R.A.N.Z.-Maßnahmen überwiegend geeignet sind, die Artenvielfalt in der Agrarlandschaft zu erhöhen.
Sie sollten daher eine breite Anwendung in der Praxis finden. Ein Beispiel für die nachgewiesene ökologische Wirksamkeit ist der Anstieg an Feldhasen auf nahezu allen Betrieben. Dieser hängt mit der Anzahl umgesetzter Maßnahmentypen zusammen. Auf den angelegten „Insektenwällen“ wurden sogar 12-mal so viele Feldhasen gesichtet, wie auf angrenzenden Wintergetreideflächen.
Der „Insektenwall“ erzielt darüber hinaus viel versprechende Ergebnisse, da alle untersuchten Zielarten gefördert werden können. Nicht nur Bestäuber und Insekten finden dort ausreichend Nahrung und Überwinterungsplätze, auch Feldvögel profitieren von der neuen Struktur in der Agrarlandschaft.
Insekten der Roten Liste
Auch auf dem Betrieb in Niederbayern wird die ökologische Wirksamkeit der Maßnahmen analysiert. Im Laufe der Jahre wurden diverse Insektenarten der Roten Liste gefunden, darunter die Erdbauhummel im Jahr 2018 und zuletzt der deutsche Sandlaufkäfer. Insgesamt wurden 35 verschiedene Tagfalterarten und diverse Vogelindikatorarten auf dem Betrieb der Dickows erfasst.
Der ökologische Status des Betriebes war bereits von Beginn an sehr gut. Das hatte die Landwirte überrascht, da auf dem Betrieb seit jeher intensiv gewirtschaftet wurde: „Nach der Erstaufnahme haben wir gestaunt, als der Naturschutzbund Deutschland sagte, dass es bereits ein großer Erfolg wäre, wenn man es schaffen würde, den vorhandenen, sehr guten Status zu erhalten.“
Damals wurden durchschnittlich 9,6 Wildkräuterarten je 100 m2 im Mais sowie insgesamt 191 verschiedene Wildkräuterarten auf dem Betrieb erfasst. Durch die Umsetzung der F.R.A.N.Z.-Maßnahmen konnten die Dickows diesen Status in vielen Bereichen noch deutlich verbessern.
Betriebsindividuelles Entgelt
Für die Umsetzung der Maßnahmen wird den Landwirten im Projekt ein betriebsindividuelles Entgelt gezahlt. Denn die Vergütung kann nur in wenigen Fällen über Agrarumweltprogramme der Länder erfolgen. Sebastian Dickow hat damit seine Erfahrungen gesammelt: „Viele der Maßnahmen lassen sich nicht über die Umweltprogramme abdecken, weil die Vorgaben einfach nicht passen. Entweder war der Rahmen zu eng oder die Kosten wurden nicht gedeckt – weder die anfallenden Kosten noch die Opportunitätskosten. Außerdem war die Kodierung im Mehrfachantrag immer ein Problem.“
Die Entgelte im F.R.A.N.Z.-Projekt setzen sich aus den Produktionskosten für die Anlage und Pflege der Flächen minus der Produktionserlöse sowie dem Ausgleich des entgangenen Ertrags der Alternativkultur, den Opportunitätskosten, zusammen. Zusätzlich wird ein Transaktionskostenaufschlag in Höhe von 20 % gezahlt, der z. B. den erhöhten Aufwand bei der Antragsstellung oder die Unterstützung von Monitoring und Kontrolle ausgleicht. Die kalkulierten Entgelte dienen somit nicht nur der reinen Kostendeckung der Maßnahmenumsetzung.
Ein grundlegendes Ziel des Projektes ist es, die F.R.A.N.Z.-Maßnahmen und deren Erkenntnisse in den Förderprogrammen der Bundesländer zu verankern. Man will letztlich erreichen, dass auch viele andere Landwirte die Naturschutzmaßnahmen auf ihren Betrieben umsetzen. Deshalb ist die Gestaltung der politischen sowie förderrechtlichen Rahmenbedingungen für mehr Biodiversität in der Agrarlandschaft eine der zentralen Zukunftsaufgaben der Politik.
Maßnahmen müssen wirtschaftlich tragfähig sein
Für F.R.A.N.Z. ist hierbei entscheidend, dass die Umsetzung von biodiversitätsfördernden Maßnahmen wirtschaftlich tragfähig ist. Eine finanzielle Förderung für die angelegten Naturschutzmaßnahmen muss gesichert und sollte unter Berücksichtigung der standortabhängigen Opportunitätskosten regional differenziert sein.
„Auch der Landwirt kann nicht nur von Luft und Liebe leben, wenn er gesellschaftliche Wünsche realisiert“, so Sebastian Dickow. Das Projekt hat zudem festgestellt, dass mehr Flexibilität bei der Umsetzung erforderlich ist. Derzeit ist der Dokumentations- und Kontrollaufwand für komplexe und ökologisch wirksame Biodiversitätsmaßnahmen sowohl für die Betriebe als auch für die Verwaltung sehr hoch.
Um eine flächendeckende Umsetzung zu ermöglichen, sind Vereinfachungen, mehr Flexibilität und der Abbau von Hemmnissen erforderlich. Für Sebastian Dickow steht dabei im Vordergrund, dass die sehr präzise ausformulierten Vorgaben für Naturschutzmaßnahmen deutlich reduziert werden müssen, um die benötigte Flexibilität zu schaffen. Mit Blick auf die Zukunft steht für Sebastian Dickow und seinen Vater fest: „Wir würden uns wünschen, dass dieses Projekt nach seinen zehn Jahren Laufzeit noch weitergeführt wird, um längerfristige Auswirkungen erfassen zu können. Und dass ähnliche Projekte dem erfolgreichen und kooperativen Ansatz von F.R.A.N.Z. folgen.“
Kasten
Projekt F.R.A.N.Z.: Mehrere Fördertöpfe
Das seit sieben Jahren laufende F.R.A.N.Z.-Projekt wird von der Umweltstiftung Michael Otto und dem Deutschen Bauernverband geleitet. Wissenschaftlich begleitet wird es durch die Thünen-Institute für Lebensverhältnisse in ländlichen Räumen, Betriebswirtschaft und Biodiversität sowie die Universität Göttingen und das Michael-Otto-Institut im NABU.
In den Projektregionen betreuen und beraten die Landesbauernverbände und deren Kulturlandschaftsstiftungen sowie weitere Partner die zehn Betriebe vor Ort und sind Ansprechpartner für die regionale Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.
Das F.R.A.N.Z.-Projekt wird mit Mitteln der Landwirtschaftlichen Rentenbank mit besonderer Unterstützung des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft sowie durch das Bundesamt für Naturschutz mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz gefördert.