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Im Gebiet von Kirchberg a. d. Raab ist eine neue 7,7 km lange Landesstraße namens B68 neu in Planung.
Die davon betroffenen Bauern würden bei Umsetzung des Projektes 25 ha bester Ackerböden verlieren.
Zusammen mit anderen Bürgern der Region versuchen sie, das Vorhaben zum Kippen zu bringen.
Katja Maurer aus Fladnitz im Raabtal ist bei unserem Besuch die innere Wut über die geplante Bundesstraße B68 neu (Feldbacher Straße, Abschnitt Fladnitz-Saaz, siehe Übersicht rechts) förmlich anzusehen.
Beste Böden betroffen
„Der Hauptkritikpunkt an der von der steirischen Landesregierung geplanten Straße ist der damit verbundene Verlust (Versiegelung) von zahlreichen Hektar an Ackerfläche mit höchster Bonität in Österreich, was der Selbstversorgung und der Ernährungssicherheit widerspricht“, erklärt Maurer, die selbst mit ihrem Mann Manfred einen Ackerbaubetrieb mit Kürbis-, Mais- und Sojaanbau im Nebenerwerb bewirtschaftet.
Maurer hat sich mit anderen betroffenen Landwirten zusammengeschlossen. Gemeinsam wollen sie das Projekt B68 neu der steirischen Landesregierung verhindern. „Die B68 ist zwar eine Landesstraße, heißt aber noch so, weil sie um das Jahr 2000 herum vom Bund aufs Land übertragen worden ist“, ergänzt Katja Maurer. Verantwortlich für das Projekt ist der bisherige Verkehrslandesrat Anton Lang (SPÖ). Vor Ort wird der Bau wird unterstützt durch die Regionalpolitiker von ÖVP, SPÖ und FPÖ.
26 ha beste Böden
„Insgesamt würden dem Projekt 26 ha beste Böden auf rund 200 Einzelparzellen zum Opfer fallen“, erklärt Maurer. Weitere 5 ha würden in der Bauphase (für Lager-, Schotterplätze etc.) benötigt. „Deren Bodenqualität würde nach der Bauphase wesentlich schlechter sein“, moniert Maurer.
Landwirt Walter Lebler, der ebenfalls bei unserem Vorort-Termin dabei war, ergänzt: „Bei den meisten Flächen handelt es sich um sogenannte „BEAT-Flächen“, die von der AGES als besonders fruchtbar und für Österreichs Ernährungssicherheit von Bedeutung eingestuft werden.“ Lebler beispielsweise baut auf seinen Flächen neben Ackerkulturen wie Erdäpfeln, Sonnenblumen, Lein und Hanf auch viel Gemüse an, wie z. B. Karotten oder Pastinaken.
Durch Natura 2000-Gebiet
Worum gehts in diesem Gebiet (siehe Übersicht rechts)? Schon seit vielen Jahren – erste Ideen gab es bereits in den 80er-Jahren − plant das Bundesland Steiermark den Ausbau der Bundesstraßen B68 und L201 im Bereich Fladnitz im Raabtal bis östlich von Unterstorcha.
Die neue 7,7 km lange Landesstraße namens B68 neu soll die Raabbrücke nahe Fladnitz mit der Querspange Gnas bei Saaz verbinden. Für langsamere Fahrzeuge sind beidseitig Begleitwege geplant. Die B68 neu soll westlich von Fladnitz beginnen, zunächst parallel zur bestehenden B68 zwischen der Bahn und der Raab bis Höhe Rohr an der Raab verlaufen.
Von dort quert sie das Raabtal parallel zur L248, was eine Raabverlegung über 800 m notwendig macht und sie durch ein bestehendes Natura 2000- Gebiet führt. Auf Höhe Reith bzw. Unterstorcha trifft sie auf die bestehende L201. Bis auf Höhe Saaz soll der Abschnitt als B68 neu ausgebaut werden. Die dafür veranschlagte Investitionssumme wurde von der Landesregierung auf 63 Mio. € geschätzt. Maurer rechnet inflationsbedingt mit einem dreistelligen Millionenbetrag. Die Pläne für den Bau wurden im Juni 2024 in den betroffenen Gemeinden vorgestellt.
Entlastung der Bevölkerung?
In einem Bewerbungsfolder des Landes Steiermark heißt es dazu: „Mit der zukunftsweisenden Infrastruktur erreichen wir eine deutliche Entlastung der Bevölkerung, eine wesentliche Verbesserung der Verkehrssicherheit und eine nachhaltige Stärkung der Region.“ Und gleichzeitig würden zur Kompensation der Eingriffe durch den Straßenbau die betroffenen Lebensräume mit speziellen Maßnahmen nachhaltig aufgewertet, z. B. durch „naturnahe Wiesen und Brachen, Struktur- und Gehölzpflanzen und Bodenverbesserung.“
Freilich sehen das die von der dritten Fahrbahn betroffenen Bauern anders. 16 von ihnen aus Fladnitz haben deshalb ihre Einwände gegen die Unterlagen für die Umweltverträglichkeitsprüfung eingebracht. Diese lagen von Juli bis Ende August dieses Jahres in den Gemeinden aus.
15.000 Autos/Tag auf B68 neu
„Wir verlieren unseren wertvollen Grund und bekommen 15.000 Autos täglich auf der B68 neu“, führt Rainer Erich an. Er bewirtschaftet in Fladnitz einen 22 ha-Zuchtschweinebetrieb. Außerdem monieren die Landwirte, dass es für die Zufahrt zu den Flächen bis zur Raab nach dem Straßenbau zumindest bisher kein Konzept gebe. „Jetzt haben wir drei Überfahrten über die Bahn und die würden quasi sterben“, so Erich weiter.
Weiteres Gegenargument der Bauern ist, dass die B68 neu keine nennenswerte Zeitersparnis bringe. „Diese dürfte nicht mehr als etwa eine Minute ausmachen“, meint Lebler. „Kurios ist dabei, dass wir dann bis Studenzen drei Verkehrsstränge hätten, die alle drei genutzt würden. Und ab dem Spar-Kreisverkehr reicht eine aus.“
Kritisiert wird auch, dass die L201 und B68 nicht rückgebaut werden sollen, sodass laut Katja Maurer „keine Verbesserung der Sicherheit und der Lärmbelastung erreicht wird. Die Gesamtverkehrsbelastung im Raabtal steigt signifikant mit einer Erhöhung der Umweltbelastung. Durch den vermehrten Verkehr der B68 neu entsteht Luftverschmutzung, bedingt auch durch die längeren Wege zu den landwirtschaftlichen Flächen.“ Und noch etwas merken unsere Gesprächspartner an: Die neu zu bauende Straße würde sich im Hochwassergebiet (HQ 30) befinden. Deshalb müsste deren Niveau um 2 m angehoben werden. Die Einsprüche müssen jetzt von der Landesregierung bearbeitet werden, und dann soll es irgendwann zu einer mündlichen Verhandlung kommen. Maurer: „Danach soll ein Bescheid kommen, der, wenn er positiv ausgeht, wieder beeinsprucht werden kann.“
„Geben keine Flächen her“
Die betroffenen 16 Fladnitzer Grundbesitzer haben sich zusammengeschlossen und eine notarielle Erklärung aufgesetzt. „Darin halten wir fest, dass wir keine Fläche für die Straße hergeben und auch keine Einzelgespräche dazu führen − gerne als Gruppe, denn wir haben nichts voreinander zu verheimlichen“, erklärt Katja Maurer.
Von der Landwirtschaftskammer fehlt bisher die Unterstützung für ihre Anliegen. Maurer: „Wir haben u. a. mit Präsident Franz Titschenbacher intensive Gespräche geführt. Man hat zwar Verständnis für unsere Situation. Aber im Endeffekt können sie sich offenbar nicht hinter uns stellen, da die regionalen Interessen schwerer wiegen.“
Für die Landwirte wäre der Bau der B68 neu mit der Enteignung ihrer Flächen verbunden. Angebote über eine Entschädigung der betroffenen Äcker gibt es bisher noch nicht, da die Grundstücksablösen erst nach einem positiven UVP-Bescheid starten dürfen.
600 in Bürgerinitiative
Sieben der Fladnitzer Landwirte werden zudem bei ihren Einwänden gegen die Unterlagen der Umweltverträglichkeitsprüfung von Rechtsanwältin Michaela Krömer von der Initiative für Klimarecht vertreten. Insgesamt haben 47 Parteien Einwände eingebracht.
Neben den Landwirten wären auch viele Hausbesitzer von der B68 neu betroffen. „Diese hätten einen massiven Wertverlust zu verzeichnen, die würden ja nicht einmal eine Entschädigung erhalten“, erklärt Maurer. Daraus ist die Bürgerinitiative „Nein zur B68 neu“ mit 600 Unterstützern entstanden. Auch diese hat, vertreten durch den Rechtsanwalt Wolfram Schachinger aus Wien, ihre Einwände gegen den Bau an die steirische Landesregierung vorgebracht.
Wie geht es weiter? „Rechtsanwalt Schachinger geht davon aus, dass die UVP für dieses Projekt nicht rechtens ist. Denn für eine Schnellstraße, wie hier geplant, darf nicht das vereinfachte UVP-Verfahren angewendet werden“, meint Maurer. „Deshalb müsste das Ganze wieder zurück an den Startgehen.“
Schwesternprojekt B70
Weiters sei man in engem Kontakt mit den Gegnern der B70. „Da geht es um ein ähnliches Projekt im Raum Voitsberg“, erklärt Lebler. Deren Sprecher ist Landwirt Sepp Archan. „Hier würde das Kainachtal durchschnitten, betroffen sind Landwirte mit zusammen knapp unter 20 ha“, so Lebler.
„Gemeinsam mit den Bauern von der B70 haben wir eine Petition an den Landtag gestellt, gegen den Bodenverbrauch und die Zwangsenteignung“, berichtet Maurer. „Die ist von 1.000 Menschen unterschrieben worden. Allerdings ist sie von der Landesregierung wieder abgewiesen worden. Und bei Landesrätin Simone Schmiedtbauer haben wir bereits zweimal versucht, einen Gesprächstermin zu bekommen − bisher vergeblich.“ Dennoch geben die Bauern die Hoffnung nicht auf. Maurer: „Die Landesregierung sollte umgehend handeln, um unsere wertvolle Landschaft und unsere bäuerlichen Betriebe zu schützen.“