Sie wurden am 19. April einstimmig zum neuen LK-Präsidenten gewählt. Wie ist die Landwirtschaft in der Hauptstadt aufgestellt?
Norbert Walter: Es gibt an die 700 Betriebe in Wien, natürlich wie in vielen Bundesländern wird es nicht einfacher mit der Hofnachfolge. Die Flächen werden durch die Stadterweiterung weniger. Allerdings konnten wir mit dem neuen Agrarstrukturellen Entwicklungsplan sicherstellen, dass Kernzonen unantastbar bleiben. Durch unseren Mix von Gemüseanbau unter Glas, aber auch durch den Wein- und Ackerbau ist das Spektrum der Betriebe groß. Es gibt etwa die Wiener Feige oder die Wiener Schnecke, aber auch Schweinehaltung in Leopoldau. Die Vielfalt macht den Charakter der Stadtlandwirtschaft aus.
Was sind die dringendsten Themen für die Wiener Landwirtschaft?
Walter: Das vorrangige Thema im Gemüsebau ist die Energiefrage. Hier müssen wir die Versorgung zu einem leistbaren Preis sicherstellen. Die Betriebe müssen wirtschaftlich produzieren können, niemand zahlt für ein Kilo Gemüse 35 €. Hier müssen wir mit den Energieversorgern verhandeln, aber auch die Stadt muss hier mit der Fernwärme, die ja eine Monopolstellung hat, den Landwirten entgegenkommen. Wichtig sind auch Markenprogramme wie Wiener Bier mit der Braugerste, die angebaut wird, oder Wiener Soja. So schaffen wir mehr Wertschätzung für landwirtschaftliche Produkte, wenn wir ihnen ein Gesicht geben.
Was sind die größten Probleme für Bauern in der Stadt und wo sehen Sie die großen Chancen?
Walter: Ich glaube die größte Chance ist, dass der Absatzmarkt einer Millionenstadt direkt vor der Haustür ist. Somit haben wir einen guten CO2 Fußabdruck und frische Ware. Zum Problem wird der Nutzungsdruck durch die Stadtbewohner, der sich intensiviert hat. Der Respekt vom Eigentum ist verloren gegangen, jeder Acker kann zur Hundewiese werden und jeder Weinberg zur Mountainbikestrecke. Hier braucht es Lösungen.
Wie kann man die Stadt- und Landbevölkerungen Ihrer Meinung nach wieder näher zusammenbringen?
Walter: Es gibt eine Riesenchance in der Bildung nicht nur bei Kindern und Jugendlichen. Bei Lehrern, habe ich das Gefühl, dass es hier ein Defizit in punkto Landwirtschaftsbildung gibt. Die Milka Kuh wandert nicht in der Stadt herum. Hier braucht es mehr Aufklärungsarbeit.
Wie verschlug es Sie von Tirol nach Wien und wie finden Sie Ausgleich zu Ihrer Arbeit?
Walter: Ich habe in Wien studiert und bin geblieben. Seit 2004 habe ich Weingärten gepachtet und eine Buschenschank. Für mich ist die Natur und auch die Jagd Ausgleich. Ab und zu brauche ich auch die Berge. Im Winter nutze ich die ruhigere Zeit im Weingarten zum Skitouren gehen.