Ein Kommentar von Katrin Quinckardt, Redakteurin beim Wochenblatt für Landwirtschaft und Landleben
Haben Sie psychische Probleme? Wohl kaum einer von uns hat diese Frage schon mal so direkt gestellt. Nicht mal, wenn der Gesprächspartner seit Wochen traurig oder abwesend wirkt. Oder sogar jede Situation negativ deutet. Wir schweigen lieber. Schließlich wollen wir nicht unhöflich oder indiskret sein. Doch ist unsere Zurückhaltung richtig? Zugegeben, die eingangs gestellte Frage ist sehr direkt. Ein bisschen vorsichtiger formuliert könnte sie lauten: „Ich mache mir Sorgen um dich. Kann ich dir irgendwie helfen?“. Diese kurze Frage kann schon dem ein oder anderen helfen, sich zu öffnen.
Mut statt Schwäche
Viele von uns fühlen sich belastet und gestresst. Beim einen ist es der Betrieb, beim Nächsten die Familie – doch Hilfe holen wir uns nicht. Was sollen denn die Nachbarn denken? Diese könnten den Mut, sich jemandem anzuvertrauen, als Schwäche werten. Meist erzählen wir nicht mal den eigenen Familienangehörigen von den Gedanken, die uns quälen. Lieber schweigen wir und wahren den perfekten Schein.
Das scheint in Deutschland System zu haben. Es gibt keine offizielle Statistik darüber, wie viele Landwirte sich das Leben nehmen, an Depressionen erkranken oder einen Burn-out haben. Eine Zahl stammt von der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung (SVLFG): 17 % der landwirtschaftlichen Erwerbstätigen, die sich krank meldeten, taten dies aufgrund psychischer Erkrankungen. 2010 waren es 10 %. Zahlen aus anderen Ländern zeigen, dass Landwirte sich häufiger das Leben nehmen als die übrige Bevölkerung des ländlichen Raumes. An Depressionen leiden sie aber laut Statistik signifikant seltener. Obwohl der Suizid nachweislich mit Depressionen zusammenhängt. Die Hemmung, Hilfe anzunehmen, scheint daher kein deutsches Phänomen zu sein.
Burnout als Chance?
Aktuell proklamieren viele Menschen den Burn-out, also das „Ausgebranntsein“, für sich. Und vielleicht liegt genau darin eine Chance. Psychische Erkrankungen könnten durch die neue Aufmerksamkeit in unserer Gesellschaft akzeptierter werden. Doch es ist eine traurige Chance. Wäre es nicht besser, wenn es gar nicht erst so weit käme, dass Menschen unter dem Gewicht ihres Lebens zusammenbrechen, so wie es unserem Gesprächspartner in unserem Beitrag "Landwirte am Limit" erging?
Die klare Devise muss lauten: Wehret den Anfängen. Doch kennen wir unsere Belastungsfaktoren? Oder konkreter: Wissen wir, was uns stresst und die Kraft raubt? Selbsterkenntnis ist der erste Schritt. Denn nur dann können wir auch etwas ändern und Belastungen, soweit wie möglich, aus unserem Leben verbannen. Das heißt nicht, dass wir den besserwisserischen Altenteiler oder die nörgelnde Schwiegermutter aus unserem Leben ausschließen. So manches Mal kann ein Mediationsgespräch zum Abgleich der gegenseitigen Erwartungen helfen. Das zeigen die Erfahrungen eines Pilotprojektes in Niedersachsen, das Landwirte unterstützt, ihren Weg aus der Belastungsfalle zu finden.
Lassen Sie uns das Schweigen brechen und reden. Denn „Menschen, die sprechen, denen kann geholfen werden“.
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