In Frankreich gerät die Regierung durch die anhaltenden Proteste der sogenannten „Gelbwesten“ gegen hohe Lebenshaltungskosten und die Politik von Staatspräsident Emmanuel Macron zunehmend unter Druck, auch deshalb weil dessen Reaktionen auf die Proteste nicht gut in der heimischen Landwirtschaft ankommen.
Hintergrund ist, dass das Kabinett die für vergangenen Mittwoch vorgesehene Verabschiedung einer Verordnung über Maßnahmen gegen Dumpingpreise bei Lebensmitteln als Reaktion auf die Demonstrationen der Gelbwesten auf unbestimmte Zeit verschoben hat. Vorgesehen gewesen war, beim Verkauf von Lebensmitteln im Einzelhandel den Wert, um den der Preis beim Wiederverkauf über dem Einstand liegen muss, um 10 % heraufzusetzen. Der jetzt verkündete Aufschub erzürnte die Landwirte.
Im Berufsstand gibt es aber unterschiedliche Pläne, darauf zu reagieren. Während die kleinbäuerlich orientierte Confédération Paysanne (Conf‘) und der Verband der Familienunternehmen (MODEF) dazu aufriefen, sich den Gelbwesten anzuschließen, versucht sich der französische Bauernverband (FNSEA) an einem Spagat.
Die mitgliederstärkste Landwirteorganisation kündigte gemeinsam mit dem Junglandwirteverband (JA) für diese Woche Proteste an, distanzierte sich aber zugleich demonstrativ von den Gelbwesten. Der FNSEA und die Junglandwirte verfolgen explizit eigene Ziele und fordern die zügige Verabschiedung der aufgeschobenen Verordnung sowie die Abschaffung von Verschärfungen im Pflanzenschutzmittelrecht; beides sind Teile des kürzlich beschlossenen Gesetzes zur Stärkung der Erzeuger.
Die zwei Verbände verlangen zudem, dass sowohl die Kampagne von Greenpeace gegen „Agrarfabriken“ in der Tierhaltung als auch die staatliche Plattform zur Unterstützung des Glyphosatausstiegs gestoppt werden. Die vorsichtige Positionierung des FNSEA hat auch mit den Auswirkungen der Proteste zu tun. Diese treffen Frankreichs Wirtschaft schwer, insbesondere die Lebensmittelhersteller.
Der Dachverband der Ernährungsindustrie (ANIA) veranschlagt die Kosten für die Branche auf bis zu 13,5 Mrd Euro und warnte vor schwerwiegenden Folgen für die Unternehmen. Einige Betriebe seien bereits nicht mehr in der Lage zu produzieren beziehungsweise zu liefern; die Proteste verursachten rückläufige Lieferungen, Vertragsstrafen und Stornierungen, hieß es von Verbandsseite.