Öffentlichkeitsarbeit der Landwirtschaft: In einer lockeren Gesprächsrunde am 12. Dezember um 19.00 Uhr wollen wir uns der Frage nähern, was es eigentlich für ein cooleres Image der Branche braucht? Weitere Informationen zur Veranstaltung finden Sie hier. Die Veranstaltung wird live auf dem top agrar-YouTube-Kanal übertragen
Wie nehmen Sie das Image der Landwirtschaft wahr?
Mohr: Das öffentliche Image ist seit vielen Jahren unter Druck. Dennoch ist das Standing unserer Branche wie ich meine besser als man glaubt oder die öffentliche Wahrnehmung vermuten lässt. Es liegt in der Natur der Sache, dass Kritiker und populistische Aussagen oft mehr Aufmerksamkeit erhalten als Unterstützer einer Sache und sachliche Berichterstattung. Davon dürfen wir uns nicht entmutigen lassen. Jeder einzelne kann etwas tun, jeder praktizierende Landwirt, jeder Landmaschinenverkäufer, jeder Servicetechniker ist ein Botschafter unserer Branche und kann durch Handeln und Aufklärung zur weiteren Verbesserung des Bildes unserer Landwirtschaft beitragen. Aufbauend auf diesem Fundament können Verbände und Initiativen ihre Imagearbeit erfolgreich fortsetzen und ausbauen.
Wie beurteilen Sie die aktuelle Öffentlichkeitsarbeit der Branche?
Mohr: In den letzten Jahren wurde bereits viel getan – sowohl seitens verschiedener Initiativen wie dem Erlebnisbauernhof auf der Grünen Woche in Berlin oder dem Forum Moderne Landwirtschaft mit den AgrarScouts, wie auch von Influencern und vor allem einer Vielzahl einzelner Landwirtinnen und Landwirte im direkten Dialog mit Multiplikatoren, politischen Entscheidern und Verbrauchern. Diese Imagearbeit zahlt sich zunehmend aus, wie neueste Umfragen zeigen. Landwirtschaft und insbesondere die heimische, regionale Lebensmittel- und Bioenergieerzeugung wird mehr und mehr als Teil der Lösung gesehen. Dieses Momentum müssen wir jetzt als Branche gemeinsam weiter stärken.
Der LEH muss zukünftig noch mehr als je zuvor nicht nur Marktplatz, sondern auch Informationsplattform für regionaler Erzeugung sein."
Warum tut sich die Landwirtschaft beim Marketing so schwer?
Mohr: Grundsätzlich geht es oft um mehr als das schon häufig beschriebene Missverständnis zwischen Stadt und Land. Landwirtschaft ist für einen großen Teil der Bevölkerung direkt sichtbar, sie findet bei vielen direkt vor der Haustür statt – ganz anders als beispielsweise die Produktion anderer Konsumprodukte wie Kleidung, Smartphones oder Möbeln. Dennoch ist die gefühlte Distanz zwischen Lebensmittelerzeugung und Verbrauchern größer als je zuvor. Die reale Landwirtschaft im globalen Wettbewerb entspricht eben nur selten der Bilderbuch-Landwirtschaft aus Werbung und TV, was die Glaubwürdigkeit von Agrar-Marketing erschwert. Verbraucher geben sich heute auch nicht mehr damit zufrieden, einfach nur satt zu werden. Sie wollen nach wie vor eine große, jederzeit verfügbare Auswahl, achten aber immer mehr auf Qualität, Gesundheit, Tierwohl und Nachhaltigkeit – oder lehnen tierische Nahrungsmittel und Verarbeitungsprodukte sowie Nahrungsmittel aus konventioneller Produktion komplett ab.
Der Lebensmitteleinzelhandel muss daher zukünftig noch mehr als je zuvor nicht nur Marktplatz, sondern auch Informationsplattform für regionaler Erzeugung sein. Direktvermarktung, Hofläden, Landtourismus funktionieren als Marketinginstrumente bereits hervorragend. Eine große Chance für die Zukunft unserer Branche sehe ich in unseren Social Media affinen Landwirtinnen und Landwirten, die Fachwissen verständlich, nahbar und emotional vermitteln und damit enorme Reichweiten auch außerhalb unserer eigenen Blase erzielen.
Was braucht es Ihrer Ansicht nach für ein cooleres Image?
Mohr: Hier fallen mir auf Anhieb schon viele Junglandwirtinnen und Junglandwirte ein, die in der Öffentlichkeit und auf Social Media mit ihrem zukunftsorientierten und dynamischen Auftreten ein neues, zeitgemäßes Bild unserer Landwirtschaft vermitteln und zeigen, dass die Agrarbranche richtig viel drauf hat und für die gesamte Gesellschaft Enormes leistet. Und sie zeigen, dass Heimatverbundenheit und Weltoffenheit, Tradition und Innovation keine Gegensätze sein müssen. Diese Mischung kommt gerade bei jungen Zielgruppen an, das ist cool! Davon brauchen wir noch mehr, proaktiv, bodenständig und selbstbewusst, raus aus der Defensive. Mit empathischen Botschafterinnen und Botschaftern, in alle relevanten Zielgruppen und Altersklassen hinein, und das mit besonderem Fokus auf neue Medien. Was mich besonders freut: Der Impuls kommt hier sichtbar von der Basis, also Landwirtinnen und Landwirte, die ihre tägliche Arbeit und ganz alltäglichen Herausforderungen mit der Öffentlichkeit teilen. Das ist das beste und glaubwürdigste Marketing überhaupt und verschafft der Branche gleichzeitig ein cooleres Image. Hier liegt in meinen Augen ein viel größeres Potenzial als in Hochglanz-Kampagnen aus dem Elfenbeinturm.