Kürzlich überrannte mich im Stall eine Kuh und verletzte mich an beiden Schultern. Ich bin jetzt für eine Weile „flügellahm“. Der Kopf blieb zum Glück heil. Bauernarbeit kann also durchaus der Gesundheit schaden. Sie kann aber auf der anderen Seite auch sehr heilsam sein. Vor allem auch für den Kopf!
Heilsames Leben auf Hof Fleckenbühl
In der Nähe von Marburg in Hessen lebt auf dem ehemaligen Hofgut „derer von Fleckenbühl“ eine Selbsthilfegemeinschaft suchtkranker Menschen.
Eine kleine Gruppe von sechs Erwachsenen und drei Kindern ließ sich hier genau vor 40 Jahren nieder, um ein gesünderes Leben ohne Alkohol, Drogen, Tabak und Gewalt zu leben. Mit vielfältiger Unterstützung – auch von Bauern aus der Nachbarschaft – wurden die Gebäude restauriert und die Landwirtschaft mit biologisch-dynamischer Wirtschaftsweise wieder in Schwung gebracht.
Nach und nach wurden ein Hofladen, Käserei, Bäckerei, Töpferei, ein Betrieb für Buffet und Catering sowie ein Betrieb für Transporte und Umzüge eröffnet. Inzwischen leben weit über hundert Menschen auf dem Hof, der inzwischen „Demonstrationsbetrieb Ökologischer Landbau“ ist.
Weitere Außenstellen wurden gegründet, z. B. als Kindertagesstätte, Jugendhilfeeinrichtung oder auch ein Naturkostladen. Ein Haus davon in Frankfurt, einem Zentrum der deutschen Drogenszene. „Die Fleckenbühler“ sind Ausbildungsbetrieb für verschiedene Berufe.
Konzept erinnert an Genossenschaftsgedanken
Ihr Erfolgsrezept besteht darin, dass jeder, der mit seinem Leben und seinen Süchten nicht mehr weiter weiß, jederzeit Tag und Nacht aufgenommen wird, wenn er bereit ist, sich auf die Regeln der Gemeinschaft einzulassen.
Am Anfang steht vor allem die Arbeit mit den Pflanzen und Tieren und für die Gemeinschaft, was sich als sehr heilsam erweist."
Es gibt weder Zaun noch Mauer und auch kein medizinisches Personal. Menschen in Not helfen sich gegenseitig – sie verstehen das am besten. Irgendwie erinnert mich das rührend an die frühen Zeiten landwirtschaftlicher Genossenschaften oder der Maschinenringe.
Am Anfang steht vor allem die Arbeit mit den Pflanzen und Tieren und für die Gemeinschaft, was sich als sehr heilsam erweist.
Es ist bewundernswert, wie ein solches Konzept über so lange Zeit bestehen kann – trotz aller Schwierigkeiten mit Personalwechsel und Finanzierung. Neben den Erträgen der einzelnen Zweckbetriebe leisten auch Spenden einen wichtigen Beitrag zum Fortbestand dieser segensreichen Einrichtung.
Ein besonderes Erlebnis
Im Hofladen einen Kaffee zu trinken unter diesen besonderen Menschen ist ein Erlebnis, das mir schon vergönnt war. Dabei vergisst man auch schnell mal Schmerzen in der Schulter, kriegt den Kopf schön frei und erlebt, wie heilsam Arbeit mit der Natur auch sein kann. Gerade das Richtige für Bauern wie mich.
Für so was spendiert man auch gerne mal „Trinkgeld“ – besonders zum 40-jährigen Jubiläum. Natürlich geht das auch ohne kaputte Schultern unter www.die-fleckenbuehler.de.
Herzlichst, Ihr Hans Neumayer