Wissenschaftler aus Großbritannien haben einen Durchbruch bei der Gen-Editierung erzielt und erstmals mit 100-prozentiger Trefferquote eingeschlechtliche Mäusewürfe erzeugt.
Nach Ansicht der Forscher von der Universität Kent und dem Francis-Crick-Institut könnte eine solche genbasierte Methode zur Kontrolle des Geschlechts der Nachkommen neben dem Einsatz in der wissenschaftlichen Forschung auch Einsatzmöglichkeiten in der Landwirtschaft eröffnen und die Tötung von Tieren künftig „drastisch reduzieren“. Dies betreffe insbesondere den ausschließlichen Bedarf an weiblichen Tieren für die Eierproduktion und die Milcherzeugung.
Für die neue Methode nutzen die Forscher nach eigenen Angaben ein zweiteiliges genetisches System, um Embryonen kurz nach der Befruchtung zu inaktivieren, damit sich nur das gewünschte Geschlecht entwickeln kann. Die Selektion der Embryonen beruht nach Angaben der Wissenschaftler auf der Tatsache, dass CRISPR/Cas9 aus zwei Elementen besteht, und zwar dem Cas9-Enzym, das die DNA schneidet und es ermöglicht, bestimmte Regionen zu verändern, und der Leit-RNA, die das Cas9 an die richtige Stelle im Genom bringt.
Die Wissenschaftler haben ein Element des Systems auf dem X- oder Y-Chromosom des Vaters platziert, so dass es nur an weibliche beziehungsweise männliche Embryonen vererbt werden kann. Das andere Element wird von der Mutter beigesteuert und an alle Embryonen vererbt.
Keine Verringerung der Wurfgröße
Die britischen Forscher haben außerdem das Top1-Gen ins Visier genommen, das für die DNA-Replikation und -Reparatur unerlässlich ist. Wenn sich ein Embryo aus einem Spermium und einer Eizelle gebildet habe, die jeweils eine Hälfte von CRISPR-Cas9 enthalten habe, sei das Gen-Editing im Embryo ausgelöst worden und er habe sich nicht über ein sehr frühes Stadium von etwa 16 bis 32 Zellen hinaus entwickeln können, berichteten die Forschungseinrichtungen.
Mit dieser Methode sei es gelungen, das Geschlecht eines Wurfs zu 100 % zu kontrollieren. Laut der Universität Kent und dem Francis-Crick-Institut führte die angewendete Methode überraschenderweise nicht zu einer 50-prozentigen Verringerung der Zahl der erzeugten Nachkommen; vielmehr hätten die Wurfgrößen zwischen 61 % und 72 % der Kontrollwürfe gelegen.
Gesellschaftliche Diskussion notwendig
Als Grund vermuten die Forscher, dass Tiere wie Mäuse bei jedem Eierstockzyklus mehr Eizellen produzieren als erforderlich. Ein Teil davon könne somit während der frühen Entwicklung verlorengehen, ohne dass die Wurfgröße verringert werde. Dies bedeute, dass in Situationen, in denen nur ein Geschlecht benötigt werde, weniger Zuchttiere erforderlich seien, um die gleiche Anzahl von Nachkommen des gewünschten Geschlechts zu erzeugen. Da das Top1-Gen bei Säugetieren gut konserviert sei, könnten die Ergebnisse auch auf andere Tiere übertragen werden, so die Wissenschaftler.
Dr. Peter Ellis von der Universität Kent, der an der kürzlich in „Nature Communications“ veröffentlichten Studie mitgearbeitet hat, bezeichnete die Auswirkungen dieser Arbeit als „potentiell weitreichend“. Wenn es aber um die Verbesserung des Tierschutzes gehe, sollten auch die ethische und gesetzliche Ebene berücksichtigt werden. Vor einem möglichen Einsatz in der Landwirtschaft muss es Ellis zufolge eine ausführliche öffentliche Diskussion und Debatte geben, und auch die Gesetzgebung müsste geändert werden.