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Baywa in Insolvenzgefahr Ernte 2024 Afrikanische Schweinepest

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Es krabbelt im Trog

Lesezeit: 6 Minuten

Das Start-up „FarmInsect“ vertreibt automatisierte Mastanlagen für Insekten. Damit könnten Landwirte Proteinfutter für Schweine, Hühner oder Fische künftig selbst auf dem Hof produzieren.

Thomas Kühn streift sich einen Handschuh über, öffnet die Tür der Klimakammer und zieht eine Kiste hervor. Er greift in ein klebrig-feuchtes Gemisch aus Weizenkleie, in dem unzählige Larven krabbeln, die sich bei gut 30°C offenbar wohlfühlen. Appetitlich sieht das madenförmige Gewürm nicht aus. „Schmecken müssen die Insekten auch nur Schweinen, Hühnern oder Fischen“, sagt der Elektrotechnik-Ingenieur. Was einige abschrecken mag, ist für Thomas Kühn Alltag. Denn er hat sich gemeinsam mit dem Agrarwissenschaftler Wolfgang Westermeier der Zucht der Schwarzen Soldatenfliege verschrieben und das Start-up „FarmInsect“ in München gegründet.

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Kern ihres Konzepts ist der Vertrieb von weitgehend automatisierten, modular erweiterbaren Mastanlagen für Larven, mit denen Landwirte Proteinfutter selbst herstellen können. „Die Insekten sollen künftig Fischmehl und Sojaschrot ersetzen“, sagt der 35-Jährige. Reststoffe aus der Landwirtschaft und Lebensmittelindustrie sollen als Substrat für die Larven dienen. Mit seinem Konzept steht das Start-up aber noch am Anfang. Bei zwei Fischzüchtern in Deutschland ist bereits eine Anlage im Einsatz. Nun sollen Landwirte folgen.

Anlage in altem Sauenstall

Das Start-up selbst züchtet die Jungtiere der Schwarzen Soldatenfliege und beliefert damit seine Partnerbetriebe. Die Zuchtanlage dafür befindet sich auf dem Betrieb von Konrad Breiteneicher im bayerischen Ranerding. Seit dem Ausstieg aus der Sauenhaltung hat er seine Altgebäude an die Gründer verpachtet. Ursprünglich wollte er auf eigene Faust in die Zucht einsteigen. Wegen der Komplexität hat sich der Landwirt vorerst dagegen entschieden, verfolgt das Thema aber weiterhin mit Interesse.

Die Anlage erinnert heute allerdings weniger an einen Stall, sondern eher an vertikale Landwirtschaft: In containergroßen, geschlossenen Klimakammern wachsen die Larven auf Substrat in Kisten, die sich auf Paletten in 13 Lagen übereinander stapeln.

In jeder Kammer befinden sich 24 Paletten. Klimacomputer steuern Luftfeuchtigkeit und Temperatur. Pro Jahr liefert eine Kammer, die einmal pro Woche geerntet wird, rund 55 t getrocknete Larven (150 t Frischmasse). Anzahl und Größe der Kammern sind modular anpassbar. Eine durchschnittliche Mastanlage mit fünf Kammern bringt etwa eine Ernte von 275 t getrockneten Larven pro Jahr. Effizienz scheint dabei oberstes Gebot zu sein. „Die Larven nehmen in sieben Tagen Mastdauer um den Faktor 250 an Gewicht zu“, sagt Wolfgang Westermeier.

Die Wahl des Standorts für die Anlage ist nicht zufällig auf einen alten Sauenstall gefallen. „Wir wollen zeigen, dass sich unser System in Altgebäude integrieren lässt“, sagt Thomas Kühn. Zudem seien die Anlagen in bestehenden Gebäuden leichter zu genehmigen. Diese sollten laut Gründern allerdings mindestens 300 m² Grundfläche und 3,80 m Deckenhöhe haben.

Mast ist Kein Selbstläufer

Ähnlich wie in der Schweinemast soll der Landwirt als Insektenmäster agieren und übernimmt das „Ein- und Ausstallen“ der Larven. Unterstützt wird er von einem Roboter. Doch trotz der Automatisierung kommt die Anlage nicht ohne Menschen aus – im Gegenteil, es ist verhältnismäßig viel Handarbeit erforderlich. „Die Ernte dauert pro Kammer acht Stunden“, sagt Wolfgang Westermeier. Bei einer Anlage mit fünf Kammern macht das 40 Stunden pro Woche: Montags wird Kammer eins geerntet, entleert und neu befüllt, dienstags Kammer zwei, und so weiter. Der Zyklus funktioniert so: FarmInsect liefert dem Landwirt regelmäßig Junglarven an. Diese dosiert er per Hand in die Kisten, die zuvor automatisch mit Futtersubstrat befüllt wurden. Sind alle Kisten einer Palette befüllt, fährt der Landwirt sie in die Klimakammer. Nun beginnt die siebentägige Mast. Zur Ernte fährt er die Paletten dann wieder zum Roboter, der die Kisten auf einem Taumelsieb entleert. Das Sieb trennt die Larven vom Larvenfraß (Kot und Futterreste). Die leeren Kisten werden an der Flüssigfütterung wieder mit Substrat für die nächste Mast befüllt, gestapelt und zurück in die Klimakammer gefahren. Die Fütterungstechnik stammt aus der Schweinehaltung und wurde von FarmInsect gemeinsam mit Big Dutchman angepasst. In zwei Tanks wird das Futter dort auf 35°C angemischt und in die Kisten gepumpt.

Nach der Ernte können die Larven lebend an Schweine, Hühner oder Fische verfüttert werden. Alternativ können sie durch Kälte abgetötet und gelagert oder weiterverarbeitet werden. Hinsichtlich der Inhaltsstoffe sei Insektenmehl vergleichbar mit Fischmehl, wenn man optimales Futter einsetzt. Alternativ lassen sich die Larven weiterverkaufen, z.B. an Futtermittelhersteller oder direkt an FarmInsect. Wie viel das Start-up dafür zahlt, wollen die Gründer nicht beantworten.

keine günstige Investition

Geht es nach den Gründern, können Bauern durch die Insektenmast ihre Futterkosten senken. Allerdings müssen sie dafür zunächst tief in die Tasche greifen: Eine Anlage kostet je nach Größe zwischen 400000 € und 900000 €. Zu beachten sind neben den Investitionskosten und eventuellen Umbaumaßnahmen die laufenden Kosten, etwa für den Zukauf der Junglarven, Futter, Lohn und Energie. Die Kosten sind betriebsindividuell und abhängig von der Anlagengröße, dem Standort, den Energiequellen und Futtermitteln. Im besten Fall lassen sich günstige Reststoffe verfüttern. „Die Schwarze Soldatenfliege kann ein breites Futterspektrum verwerten“, so Agrarwissenschaftler Westermeier. Da sie ein Nutzinsekt ist, darf nur für Nutztiere zugelassenes Futter eingesetzt werden. Möglich sind z.B. Backwaren, Mais, Erntereste, Grasschnitt oder Biertreber. Das Futter muss vorab zerkleinert werden, damit die Larven es aufnehmen können.

Die Gründer geben Produktionskosten von 1200 € bis 1500 €/t getrocknete Larven an. Hinzu kommen die Abschreibungen für die Anlage. Schenkt man den Gründern Glauben, liegen die Kosten unter dem Preis für Fischmehl (ca. 1600 bis 1800 €), können aber bislang nicht mit Soja konkurrieren.

Die derzeit hohen Energiekosten sind auch bei der Insektenmast ein Knackpunkt. Eine Anlage mit fünf Kammern braucht rund 30000 kWh Strom und etwa 240000 kWh Wärme pro Jahr. Wer eigene Energiequellen besitzt, ist im Vorteil. Mit dem Strom oder der Abwärme einer Biogasanlage lassen sich etwa die Klimakammern heizen oder der Larvenfraß in der Biogasanlage verwerten. „Alternativ lässt sich das Kompost-Substrat als Dünger nutzen oder an Privatkunden verkaufen“, sagt Kühn. Dafür bedarf es aber weiterer Infrastrukturen, die man aufbauen muss.

Viel Forschung nötig

Die Gründer sind Absolventen der TU München und haben ihre Anlage im dort angesiedelten „Venture Lab“, einer Art Gründerschmiede, entwickelt. Die Insektenzucht ist kein Selbstläufer. Daher investiert das zehnköpfige Team auch weiterhin viel Zeit in Forschung. Das Start-up finanziert sich über Kapital in siebenstelliger Höhe. Schwarze Zahlen schreibt es bislang nicht. „Mit dem Anlagenverkauf erzielen wir derzeit Margen von unter 10%.“ Langfristig wollen sie vor allem mit dem Verkauf von Junglarven Geld verdienen.

Ihr Kontakt zur Redaktion:

anne.kokenbrink@topagrar.com

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