Die Landwirtschaft ist wie andere Branchen längst keine reine Männersache mehr. Dennoch gebe es noch immer sozialisierte Rollenbilder, gewachsen in einem teils recht konservativen Umfeld, in dem an Traditionen festgehalten werde. Auch wenn in landwirtschaftlichen Betrieben immer mehr Frauen vertreten sind, arbeiten die wenigsten von ihnen in Führungspositionen.
„Umso wichtiger ist die Vielfalt in allen Bereichen. Es braucht mutige Frauen, die ihr Rollenbild ablegen, mutig vorangehen und Veränderungen vorantreiben“, so Nikola Steinbock, Vorstandssprecherin der Landwirtschaftlichen Rentenbank. Beim Female Innovators Dialogue der German Agrifood Society sprach sie am vergangenen Donnerstag über die Rolle von Frauen in Führungspositionen und bestärkte die anwesenden Teilnehmerinnen, besonders in männlich geprägten Branchen mutiger aufzutreten.
Steinbock sprach dabei aus über 15 Jahre beruflicher Erfahrung in Führungspositionen bei der Rentenbank und der Commerzbank, wo sie etwa die zweite Frau im Gebietsleiterkreis war und das Netzwerk „Courage“ für Chancengleichheit mitinitiierte. Zudem hat sie als Vorständin Verantwortung für die Bereiche Fördergeschäft, Treasury, Personal, Recht, Revision und Presse & Komunikation sowie Nachhaltigkeit.
Herausforderungen: feste Spielregeln und Rollenbilder
In ihrer beruflichen Laufbahn war Nikola Steinbock oft eine der wenigen Frauen in einer männlich geprägten Umgebung. An einige„Spielregeln“musste sie sich anfangs erst gewöhnen.Ihre Empfehlung: „Einen eigenen Kompass haben und verfolgen. Nicht zu sehr gegen das System handeln, dann fliegst du raus, aber nicht zu sehr mitspielen, dann veränderst du nichts!“
Nicht zu sehr gegen das System handeln, dann fliegst du raus, aber nicht zu sehr mitspielen, dann veränderst du nichts!“ - Nikola Steinbock
Dazu gehöre auch, sich klar zu werden: „Wer bin ich? Was will ich? Wofür will ich stehen?“, dafür einzustehen und denen die Stirn zu bieten, die einen auf dem Weg behindern. „Frauen müssen noch viel stärker den Mut haben, zu sagen ‚Das mache ich nicht mit‘ oder ‚Das müsst ihr ohne mich machen‘. Sie sollen ihrer Meinung nach das traditionelle Rollenbild ablegen, immer perfekt sein zu müssen und allen zu gefallen. Auch wenn die Vorstandssprecherin ihre eigenen beruflichen „Spielregeln“ entwickelt hat und dabei immer wieder gegen Rollenbilder gekämpft hat, räumte sie ein, dass man immer einen Kompromiss zwischen Veränderung und Kontinuität eingehen müsse.
Veränderungen aus eigener Kraft
„Zu mir hat man öfter gesagt: ‚Das ist jetzt aber unüblich‘ oder ‘Das haben wir noch nie so gemacht“, so Steinbock mit Blick auf ihren Werdegang. In diesen Situationen sei es umso wichtiger, Veränderungen trotzdem anzugehen. Diese sollen ihrer Meinung nach aus eigenem Antrieb und ohne Kraft von außen kommen.
Dabei gehört ihrer Meinung nach auch das Scheitern dazu. „Das Gute am Scheitern – ob beruflich oder privat – ist, dass es abhärtet, und dass man daraus lernt. Das Schlechte ist, dass es wehtut, es im Zweifel alle merken und man erst sehr viel später versteht, wofür es gut war.“
Frauen wie Männer sollten sich bei allen Prozessen ständig selbst reflektieren und ehrliches Feedback annehmen. Auch ein gutes Netzwerk sei wichtig. Steinbock selbst hat mit Mentoren gute Erfahrungen gemacht, die über viel Wissen und Erfahrung verfügen und ihr ihr mit Ratschlägen zur Seite stehen.
Die Rolle von Frauen in der Landwirtschaft
Was die Vorstandssprecherin in der Finanzbranche wahrnimmt, lässt sich zum Großteil auch auf die Landwirtschaft übertragen. „Auf fast allen landwirtschaftlichen Betrieben findet man Frauen, die wichtige Aufgaben übernehmen. Aber nach außen hin repräsentiert meist nur der Mann den Betrieb“, so eine Zuhörerin, die selbst vom Hof kommt. Die Bedeutung der Frauen für die Landwirtschaft werde noch immer vielfach unterschätzt. Oft halten sich Frauen eher im Hintergrund, Betriebe werden meist an die Söhne vererbt.
Landwirtschaft assoziiert man mit Technik und harter körperlicher Arbeit, daher wird die Branche noch immer eher den Männern zugeschrieben." - Nikola Steinbock
Dass Frauen auf Höfen dennoch eine Schlüsselrolle zukommt, da sie die Betriebe zusammenhalten, darin waren sich die Teilnehmerinnen einig. Oft übernehmen Frauen Aufgaben wie die Tierversorgung, den Haushalt, die Kinderbetreuung oder die Buchhaltung. „Landwirtschaft assoziiert man mit Technik und harter körperlicher Arbeit, daher wird die Branche noch immer eher den Männern zugeschrieben“, so Nikola Steinbock. „Gleichberechtigung wird noch eine ganze Weile dauern.“
Frauenquote bei der Rentenbank
Ein erster – laut ihr „leider notwendiger“ – Schritt in Richtung Gleichberechtigung ist die Frauenquote in Führungspositionen, die die Rentenbank kürzlich beschlossen hat. Auf die Frage „Wo siehst du die Rentenbank in 5 Jahren, was ist deine Vision?“ antwortete die Vorstandssprecherin: „Ich sehe deutlich mehr Frauen in Führungspositionen. Da das beschlossen ist, das ist keine Vision mehr, das wird so sein, das steht jetzt an!“