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topplus Eine regionale Salzpflanze

Salicornia als Nischenkultur: Landwirt verkauft sein Start-up

Salzig und sehr unbekannt: die Salicornia Salzpflanze. Landwirt und Anbaupionier Ken Dohrmann fand einen Abnehmer für sein Start-up. Suchen auch große Lebensmittelunternehmen Chancen in der Nische?

Lesezeit: 5 Minuten

Froschgrün. Sehr salzig. Knackig. Und ziemlich unbekannt. Das ist die Salicornia-Salzpflanze, die auch Queller, Glaskraut oder Seespargel genannt wird. Wer gern Fisch, Meeresfrüchte oder asiatisch isst, dem könnte das grüne Gemüse als salzige Beilage ein Begriff sein.

Der gelernte Landwirt und Agrarwissenschaftler Ken Dohrmann aus Magdeburg hatte sich 2020 selbstständig gemacht, um die weitgehend importierte Nischenkultur hierzulande anzubauen und als regionales Trendgemüse zu vermarkten. Nach gut vier Jahren leidenschaftlichem Startup-Daseins mit allen Höhen und Tiefen übernahm zu Jahresbeginn Bördegarten, ein Tochterunternehmen der Wimex-Gruppe das Geschäft des Jungunternehmers inklusive Gewächshauseinrichtung, Kundendatenbank und Know-How. Der nach eigenen Angaben größte Gemüseanbauer Ostdeutschlands hat das kleine Start-up übernommen. Und darüber freuen sich beide Seiten.

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Der Anfang vom Ende 

In Deutschland wurde Salicornia bis dato nicht professionell angebaut.  „Wir mussten das gesamte Praxis-Know-how eigenständig entwickeln“, erinnert sich Dohrmann. Er fand ein Gewächshaus, in dem er den Anbau testen und die Vermarktung aufbauen konnte.

Finanziert wurde der Geschäftsaufbau mit einer mittleren sechstelligen Summe als EIP-Agri-Projekt „Salzpflanzen aus Sachsen-Anhalt“.  Am Ende der dreijährigen Projektlaufzeit war der Anbau eingespielt. Dohrmann vermarktete rund 400 kg / Woche an einen festen Kundenstamm. Als Endkundenpreis erzielte er rund 25 bis 30 € / kg. Also alles im Lot? Nicht ganz.

„Salicornia ist noch immer eine Herzensangelegenheit“, sagt Ken Dohrmann. „Aber am Ende konnte ich mir nicht vorstellen, das alleine weiterzumachen.“

Keine Pausen, keine Sicherheit, kein freier Himmel

Der Seespargel wuchs bei Ken Dohrmann als einjährige Kultur auf 1.600 m² Gewächshausfläche. Salicornia wächst auf einem erdfeuchten Untergrund aus mehreren Schichten von Substrat und Salz. Dohrmann standen während der Hauptsaison eine Hilfskraft für Ernte und Verpackung des Salicornia zur Verfügung. „Aber ich konnte nie länger als fünf oder sechs Tage weg sein“, sagt der Landwirt. Die täglichen Betriebsabläufe für Anbau und Vermarktung im Bereich Frischgemüse gaben keine längere Abwesenheit her. Ein enges Zeitkorsett für den zweifachen Familienvater. „Mir ist klar geworden, was für ein krasses Geschäft der Frischgemüsemarkt ist, in dem zwei bis dreimal wöchentlich geliefert werden muss.“

Im Moment genieße ich es, beruflich wieder in trockenen Tüchern zu sein. Aber wer weiß, was mir als nächstes einfällt."
Ken Dohrmann

Dohrmann hätte für eine spürbare Entlastung jemanden einstellen müssen – dafür waren die Umsätze aber noch nicht stark genug. Die Verkaufszahlen wuchsen stetig, aber langsam in der Nische für regionalen Salicornia, der im Wettbewerb zu der deutlich preiswerteren Importware aus Israel steht. Auch, wenn er die Verkaufszahlen aus eigener Kraft hätte steigern können, ein fester Mitarbeiter wäre in den nächsten vier bis fünf Jahren nicht in greifbare Nähe gekommen. Nicht zuletzt spielte das Arbeitsumfeld eine Rolle. „Ich bin immer noch Landwirt und kein Gärtner. Ich wollte aus dem geschützten Anbau im Gewächshaus wieder zurück auf die Ackerfläche unter freiem Himmel“, sagt Ken Dohrmann.

Unternehmen in gute Hände abzugeben

Das Geschäft gänzlich einstellen, kam für den Jungunternehmer nicht infrage. Dann wäre er vermutlich auf den Investitionskosten sitzengeblieben, die er für die Gewächshausausstattung mit Spezialmaschinen und das Inventar aufbringen musste. Außerdem wäre all das aufgebaute Wissen zum Salicornia-Anbau verloren gegangen.

Also begab er sich auf Partnersuche. Gefunden hat er mit dem Bördegarten einen Gemüsebetrieb, der zur 900 Mitarbeiter starken Wimex-Gruppe gehört und im Freiland 16 Kulturen anbaut sowie auf 63.000 m² Gewächshausfläche Gurken, Kräuter und Salicornia.

Das Unternehmen hat gekauft, was Dohrmann aufgebaut hat, und behält trotz größerer und modernerer Möglichkeiten die Größenordnung des Ein-Mann-Geschäfts bei. Heißt: Salicornia bleibt mit derzeit 1.700  m2 Anbaufläche auch in der Unternehmensgruppe erstmal eine Nische.

Dennoch geben die Verantwortlichen der Salzpflanze ihre Daseinsberechtigung im Sortiment. „Ständige Veränderungen des Klimas und der Anforderungen des Handels lassen keinen Stillstand zu“, sagt Michael Tepfer, Strategischer Leiter der Abteilung Gemüse bei Wimex auf top agrar-Anfrage. „Wir versuchen, einem kritischen Markt stets einen Schritt voraus zu sein. Das klappt nicht immer, aber ab und an schon.“

Generell signalisiert Tepfer Offenheit für besondere Nischenkulturen im Produktsortiment, die gegebenenfalls auch für andere Agrar-Start-ups interessant sein könnte. Er sagt: „Für exzellente Ideen in schnelllebigen Zeiten sind wir sehr wohl und gern zu haben.“

Weitere Gründung denkbar

Seit Januar 2024 liegt die Verantwortung für das Salicornia-Geschäft nun also bei Wimex. Bei Fragen berät Dohrmann die Wimex-Gärtner gelegentlich, hat aber ansonsten keine aktiven Aufgaben mehr.

„Es war kein einfacher Schritt, das Unternehmen abzugeben“, sagt Dohrmann. „Ich habe es genossen, meine eigenen Entscheidungen zu treffen und unternehmerisch tätig zu sein.“ Dohrmann, der jetzt wieder in einer Festanstellung im Bereich Agroforst arbeitet, ist gleichzeitig eine Last von den Schultern gefallen. „Im Moment genieße ich es, beruflich wieder in trockenen Tüchern zu sein. Aber wer weiß, was mir als nächstes einfällt.“ Die Lust, in ein paar Jahren vielleicht wieder etwas Eigenes auf die Beine zu stellen, ist dem gelernten Landwirt anscheinend nicht vergangen. Vielleicht auch, weil er sein erstes Start-up ohne blaues Auge und mit vielen wertvollen Lektionen in gute Hände abgeben konnte.          

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